Langwirksamer G-CSF ohne Polyethylenglykol |
Brigitte M. Gensthaler |
04.09.2024 07:00 Uhr |
Efbemalenograstim alfa wurde in zwölf Studien mit rund 1200 Patienten in den USA, China und Europa untersucht. Dabei wurden in drei Phase-III-Studien mit rund 750 Frauen mit Brustkrebs die Überlegenheit gegenüber Placebo sowie die Nichtunterlegenheit gegenüber Filgrastim und Pegfilgrastim gezeigt. Im Detail:
In einer Phase-III-Studie waren 122 Frauen mit Brustkrebs eingeschlossen, die Docetaxel plus Doxorubicin bekamen. Sie erhielten circa 24 Stunden nach der Chemotherapie in Zyklus 1 entweder einmal 20 mg Efbemalenograstim alfa oder Placebo; in den Zyklen 2 bis 4 erhielten alle Frauen das Verum. Dieses reduzierte die Dauer der Neutropenie und die Häufigkeit einer febrilen Neutropenie signifikant (DOI: 10.1007/s00520-023-08176-6) . Die Patientinnen brauchten deutlich weniger Antibiotika-Infusionen.
In die Phase-III-Studie GC-627-05 (NCT03252431) wurden 393 Frauen aufgenommen, die Docetaxel und Cyclophosphamid bekamen. Sie erhielten randomisiert entweder eine Injektion von Efbemalenograstim alfa 20 mg oder Pegfilgrastim (Neulasta®) 6 mg an Tag 2 in jedem Chemotherapie-Zyklus. Primärer Endpunkt war die Dauer einer Grad-4-Neutropenie in Zyklus 1. In beiden Therapiearmen lag sie bei 0,2 Tagen. Die Rate für die febrile Neutropenie lag bei 3 Prozent in der Ryzneuta-Gruppe gegenüber 0,5 Prozent unter Pegfilgrastim.
In der Vergleichsstudie mit Filgrastim (Gran®, im Median acht tägliche Dosen) erhielten 242 Frauen eine Epirubicin-Cyclophosphamid-Chemotherapie (NCT04174599). Die mittlere Dauer einer Grad-4-Neutropenie in Zyklus 1 betrug 0,3 Tage in der Efbemalenograstim alfa-Gruppe und 0,2 Tage in der Filgrastim-Gruppe. Insgesamt lag die Rate für die febrile Neutropenie bei 0,8 versus 1,7 Prozent.
Der neue G-CSF-Wachstumsfaktor wird derzeit in Studien bei Patienten mit anderen Tumorentitäten, auch unter Radio-Chemotherapie überprüft (DOI: 10.1200/JCO.2024.42.16_suppl.TPS121).
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Muskel- und Knochenschmerzen. Diese waren leicht bis mäßig und konnten bei den meisten Patienten mit Standard-Analgetika wie Paracetamol oder Ibuprofen gelindert werden. Häufig unter Chemotherapie sind auch Magen-Darm-Probleme, Asthenie, Ermüdung, Fieber, Schwindel und Kopfschmerzen. Unter Efbemalenograstim alfa wurde ein Fall von schwerer Urtikaria berichtet. Häufig kam es zum Anstieg der Anzahl weißer Blutkörperchen sowie zu vorübergehend erhöhten Leberenzymwerten (Alanin- oder Aspartat-Aminotransferase).
Trotz Gabe von Efbemalenograstim alfa können Thrombozytopenie und Anämie auftreten, weil eine myelosuppressive Chemotherapie in voller Dosis aufrechterhalten wird. Daher wird empfohlen, Thrombozytenwerte und Hämatokrit regelmäßig zu überwachen.
Bei Behandlung mit G-CSF-Präparaten wurden Überempfindlichkeitsreaktionen einschließlich schwerer allergischer Reaktionen beobachtet. Bei Patienten mit klinisch signifikanter Überempfindlichkeit muss Efbemalenograstim alfa laut Fachinformation dauerhaft abgesetzt werden. Die Bildungsrate von Antikörpern gegen das Biologikum ist aber niedrig.
Mangels Daten wird die Anwendung während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht empfohlen.
Eine Chemotherapie kann zu einer Neutropenie führen, was wiederum das Risiko für Infektionen erhöhen kann. Seit Langem gibt es rekombinante G-CSF-Wirkstoffe, auch langwirksame pegylierte Formen sind verfügbar. Efbemalenograstim alfa ist nun ein weiterer Vertreter der langwirksamen G-CSF-Präparate. Der neue Wirkstoff verkürzte in Studien die Dauer der schweren Neutropenie ebenso wie Pegfilgrastim und Filgrastim, und im Vergleich zu anderen G-CSF-Präparaten hat man keine neuen Sicherheitsbedenken identifizieren können. Auch hinsichtlich des Therapieintervalls ist Efbemalenograstim alfa mit Pegfilgrastim ebenbürtig, bringt aber auch keinen weiteren Fortschritt.
Einzig die neuartige Molekülstruktur des Fusionsproteins, das ohne Pegylierung auskommt, ist etwas Neues. Da eine Pegylierung von Therapeutika zur Bildung von Anti-PEG-Antikörpern und infolgedessen zu einer beschleunigten Clearance bei wiederholter Gabe und zu Überempfindlichkeitsreaktionen führen kann, kann Ryzneuta für eine bestimmte Patientengruppe einen therapeutischen Fortschritt bieten. Auch vor dem Hintergrund, dass Anti-PEG-Antikörper in der Bevölkerung – vermutlich durch den Einsatz von PEG in Reinigungsmitteln oder Lebensmitteln – in den vergangenen Jahren häufiger geworden sind, kann ein PEG-freies G-CSF-Medikament mit langer Wirkdauer interessant sein. Vorläufig kann man daher die Einstufung als Schrittinnovation wählen.
Sven Siebenand, Chefredakteur