Länder stellen Weichen für bessere Arzneimittelversorgung |
Melanie Höhn |
12.09.2023 14:00 Uhr |
»Wir müssen Gesundheit und Wirtschaft zusammendenken, wenn wir etwas bewegen wollen«, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) auf der Südschienenkonferenz am 11. September 2023 in München. / Foto: IMAGO/Sven Simon
Bei einem Treffen der Gesundheits- und Wirtschaftsministerien der vier Länder der sogenannten Südschiene gestern in München forderten sie die Bundesregierung auf, die Vorschläge rasch umzusetzen. Die Runde fand auf bayerische Initiative im Haus der Bayerischen Wirtschaft statt.
Ebenfalls beteiligt waren Vertreter von Pro Generika, vom Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) sowie vom Bundesverband Medizintechnologie (BVMed). Die Ergebnisse der Beratungen fassten die Minister und Staatssekretäre in zwei gemeinsamen Erklärungen und Beschlüssen zu den Themenfeldern Arzneimittel und Medizinprodukte zusammen.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) betonte: »Der Süden ist das pharmazeutische Fundament für Deutschland. Fast die Hälfte – knapp 45 Prozent – der bundesweiten Bruttowertschöpfung in der Gesundheits- und Pflegewirtschaft entfällt auf unsere vier Bundesländer«. Dies entspreche 183 Milliarden Euro von bundesweit 407,5 Milliarden Euro (Stand 2021). Mit mehr als 3,3 Millionen Beschäftigten befänden sich zudem rund 42 Prozent aller Arbeitsplätze der Branche in den Südschienenländern. »Deswegen ist es ein folgerichtiger Schritt, dass wir uns heute mit acht Ministerien aus diesen vier leistungsstarken Bundesländern zusammengesetzt haben – denn wir müssen Gesundheit und Wirtschaft zusammendenken, wenn wir etwas bewegen wollen«, so Holetschek weiter.
Die Länder der Südschiene seien im Streben nach einer Stärkung des Produktionsstandortes und damit auch gegen den Versorgungsmangel vereint. »Damit können wir Arbeitsplätze sichern und Innovation fördern, wenn die Bundesregierung mitzieht und ihrer Verantwortung gerecht wird«, erklärte der bayerische Gesundheitsminister. Auch im Austausch mit den Verbandsvertretern sei deutlich geworden, dass Gesundheit und Wirtschaft zwei Seiten einer Medaille sind – »wir müssen weg von starrem Schubladendenken und Bürokratie«. Das Ziel sei es, die beste Versorgung für die Menschen in Deutschland zu ermöglichen.
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha, Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), erklärte: »Gemeinsam mit dem Bund müssen wir jetzt ganz dringend an Lösungen arbeiten. Als Vorsitzender der GMK darf ich auf unseren Beschluss vom Juli hinweisen, in dem die Länder konkrete Vorschläge gemacht haben, die der Bund jetzt angehen muss. Es gilt, Forschung und Entwicklung zu erleichtern, Innovationen und neue Technologien in der Arzneimittelproduktion zu fördern, Rabattverträge für Arzneimittel einzudämmen, auf Bundesebene den Dialog mit der Pharmabranche wieder aufzunehmen und Anreize für die Entwicklung und Zertifizierung von Medizinprodukten zu schaffen«. Das Treffen der vier Länder zeige: Der Dialog und Austausch lohne sich, um Fehlentwicklungen bei der Arzneimittel- und Medizinprodukteversorgung gezielt anzugehen. »Ich bin mir sicher, dieser Ansatz lohnt sich auch auf der Bundesebene«, so Lucha.
Hessens Gesundheitsminister Kai Klose ergänzte: »In Hessen haben wir schon vor gut zehn Jahren die Initiative Gesundheitsindustrie ins Leben gerufen, zu der regelmäßig Politik, Unternehmen der hessischen Gesundheitsindustrie, die Gewerkschaft IG BCE und die hessischen Hochschulen in Werkstätten zu Lenkungskreistreffen unter anderem zum Thema Versorgungssicherheit zusammenkommen, mit dem Ziel, das Gesundheitssystem zu stabilisieren und Deutschland und Europa als gesundheitsindustrielle Standorte zu stärken«. Nicht jeder Lieferengpass führe zwangsläufig zu einem Versorgungsengpass, denn häufig seien alternative und gleichwertige Medikamente verfügbar. Offensichtlich sei aber, dass die bisher von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, so Klose. Das Fortbestehen von Engpässen bei essentiellen Arzneimitteln sei mit Blick auf eine gute Versorgung der Patientinnen und Patienten gesundheitspolitisch nicht akzeptabel.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger führte aus, dass die Pharmaindustrie und die Biotechnologie hochinnovative und systemrelevante Wirtschaftszweige seien. »Deshalb müssen wir den Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland stärken, anstatt ihn ausbluten zu lassen.« Die Südschienenkonferenz wolle ein starkes Signal der Unterstützung an die Unternehmen der Gesundheitswirtschaft senden und den Druck in Richtung Bundesregierung erhöhen, erklärte Aiwanger.
»Unsere gemeinsame Erklärung enthält konkrete Lösungsansätze, wie wir die Versorgungslage mit wichtigen Medikamenten und Medizinprodukten verbessern und die Weichen für die Unternehmen richtig stellen können. Besonders mit Blick auf die Klinische Forschung brauchen wir in Deutschland konkurrenzfähige Rahmenbedingungen und weniger administrative Hürden«, sagte er. Oder das Land gerate, wie bereits geschehen, im internationalen Vergleich weiter ins Hintertreffen. Aiwanger appellierte an den Bund, das angekündigte Medizinforschungsgesetz zum »dringend erforderlichen Befreiungsschlag« zu machen.
Gemessen an den Beschäftigtenzahlen sei Baden-Württemberg das stärkste Bundesland im Pharmabereich, ergänzte Baden-Württembergs Wirtschafts-Staatssekretär Patrick Rapp. Als bundes- und europaweit führender Medizintechnikstandort mit über 800 Unternehmen sei es für das Bundesland wichtig, dass die Interessen gemeinsam mit den anderen Ländern der Südschiene in Richtung Brüssel und Berlin vertreten werden – mit dem Ziel, den Wirtschaftsstandort und damit auch die Versorgungssicherheit für die Patientinnen und Patienten zu erhalten, so Rapp.
Beispielsweise hätten die Länder die dringend notwendigen Nachbesserungen bei der Medical Device Regulation (MDR) betont. Eine Evaluierung im Jahr 2024 käme viel zu spät. Des Weiteren seien mit den Beschlüssen der Südschienenkonferenz bezüglich des Datenzugangs und Datennutzung auch für forschende Unternehmen deutliche Signale gesetzt worden. »Auf nationaler Ebene ist es außerdem wichtig, dass die Maßnahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) auf den Prüfstand gestellt werden und das AMNOG im Dialog mit den Beteiligten weiterentwickelt wird«, so Rapp.
Die rheinland-pfälzische Wirtschafts-Staatssekretärin Petra Dick-Walther fügte hinzu, dass gerade Rheinland-Pfalz bedeutende Unternehmen der Medizin- und Pharmabranche beheimate, die wichtige Forschungsaktivitäten zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung leisten würden. Diese gelte es zu stärken. Gerade die Corona-Pandemie und die Impfstoffentwicklung durch Biontech hätten gezeigt, wie wichtig Forschung, Entwicklung und Produktion im Bereich Medizin und Pharma für eine gute medizinische Versorgung weltweit sind.