Länder sollen Rx-Boni verfolgen |
Alexander Müller |
05.08.2025 16:00 Uhr |
Der Parlamentarische Staatssekretär im BMG, Tino Sorge (CDU), sieht bei der Verfolgung von Verstößen gegen die Arzneimittelpreisbindung die Länder in der Pflicht. / © IMAGO/photothek.de
Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Streit um ein altes Bonusmodell von Doc Morris überbieten sich die niederländischen Versender mit Rabattaktionen – trotz des bestehenden Boni-Verbots im Sozialgesetzbuch V (SGB V).
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat schon öffentlich zu Protokoll gegeben, dass sie auch die Versender an die sozialrechtliche Regelung gebunden sieht. Ihr Parlamentarischer Staatssekretär Tino Sorge (CDU) bekräftigt das nun in einer Antwort des BMG auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion.
Die Einheitlichkeit der Apothekenabgabepreise an Kassenpatienten als Sachleistung sei »sozial- und gesundheitspolitisch geboten, um das Abrechnungsverfahren zwischen Apotheken und gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen des Sachleistungsprinzips durchzuführen und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung dauerhaft zu gewährleisten«, so Sorge.
Der Staatssekretär weist auch den Weg, gegen Rx-Boni vorzugehen: § 129 Absatz 4 Satz 4 SGB V sehe Vertragsstrafen bei einem gröblichen oder wiederholten Verstoß vor. Zudem seien nach der Preisbindung unzulässige Rx-Boni auch ein Verstoß gegen § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG). »Ein solcher Verstoß kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden«, so das BMG.
Für den Vollzug des HWG ist aber Sorge zufolge nicht der Bund zuständig. »Die Überwachung der Vorschriften zur Arzneimittelpreisbindung obliegt den zuständigen Landesbehörden.« Da es sich bei der HWG-Regelung zudem um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) handele, könnten Ansprüche zudem in wettbewerbsrechtlichen Verfahren durchgesetzt werden.
Inhaltlich lässt Staatssekretär Sorge indes keinen Zweifel daran, dass die Boni illegal sind: »Das Anbieten von Rabatten für Arzneimittel durch Vor-Ort-Apotheken und Versandapotheken entgegen Preisvorschriften, die aufgrund des AMG oder des SGB V gelten, stellt einen Verstoß gegen § 7 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a HWG dar.« Nur seien die Behörden der Länder eben für die Überwachung zuständig.
Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2016 entschieden hatte, dass die damalige deutsche Regelung zur Preisbindung für ausländische Versender nicht gilt, hatte der Gesetzgeber reagiert. Das Urteil sei fachlich und juristisch ausgewertet worden und der Umzug des Rx-Boni-Verbots in § 129 Absatz 3 Satz 3 SGB V ist laut BMG das Resultat.
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD, Martin Sichert, wollte in seiner Kleinen Anfrage noch wissen, welche Maßnahmen die Bundesregierung zur Information von Fachöffentlichkeit und Bevölkerung hinsichtlich der Preisbindung ergriffen habe. Die Antwort aus dem BMG hierzu fällt knapp aus: Der regulatorische Rahmen ergebe sich aus dem Arzneimittelgesetz, der Arzneimittelpreisverordnung und dem SGB V. Die Regelungen seien online abrufbar.
Was mehrere Fragen zu den Lobbytätigkeiten von Doc Morris betrifft, kann die Regierung der AfD die gewünschten Listen nicht liefern. Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche in einer Legislatur bestehe nicht und Gesprächsinhalte würden auch nicht protokolliert. Es wird aber auf die einschlägigen Lobbyregister verwiesen.
Grundsätzlich sei die Einbindung von Verbänden und anderen Interessenvertretern in Form von Anhörungen und Stellungnahmen aber »ein zentraler Bestandteil demokratischer Gesetzgebungsprozesse«, um unterschiedliche Perspektiven in den politischen Entscheidungsprozess einfließen zu lassen, stellt das Ministerium klar.
Bezogen auf die in der Anfrage kritisierte Plattformökonomie versichert die Regierung, dass Chancen und Risiken gleichermaßen in den Blick genommen würden. Eine ressortübergreifende Positionierung zur Plattformökonomie im Gesundheitswesen befinde sich in Abstimmung, insbesondere im Kontext der weiteren Ausgestaltung der Digitalgesetze und der Gesundheitsdatennutzung.
Die neue Regierung will die unfairen Wettbewerbebedingungen zwischen Versendern und Vor-Ort-Apotheken aber noch an anderer Stelle stärken: Sorge verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem sich Union und SPD darauf verständigt haben, »bei der Einhaltung von Kühlketten und Nachweispflichten im Versand weitere Vorgaben zu treffen«. Entsprechende Regelungsvorschläge blieben aber noch abzuwarten, so der Staatssekretär. Ministerin Warken hatte gegenüber der PZ angekündigt, gegebenenfalls schon zum Deutschen Apothekertag mit einem Lösungsvorschlag zu kommen.
Die maßgeblichen Anforderungen für Versender sind in § 11a Satz 1 Apothekengesetz und § 17 Absatz 2a Apothekenbetriebsordnung definiert. Es geht um Verpackung, Transport und ein Qualitätssicherungssystem zur Sendungsverfolgung. Zudem müsse eine ordnungsgemäße pharmazeutische Beratung gewährleistet sein und die Aushändigung des Arzneimittels dürfe nur an den konkreten Adressaten erfolgen, betont das BMG. Die Überwachung des Versandhandels obliege wiederum den zuständigen Landesbehörden.
Aktuell sieht die Regierung die flächendeckende Arzneimittel-Versorgung durch den Versandhandel nicht als gefährdet an. Schließlich sei dessen Marktanteil nach wie vor gering. Außerdem könnten die Apotheken vor Ort seit 2020 den Kassen 2,50 Euro für den Botendienst in Rechnung stellen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD ist mit der Antwort der Regierung nicht zufrieden. Die schwarz-rote Koalition ziehe sich hinter föderalen Zuständigkeiten und europäischer Bürokratie zurück. Zentralen Fragen zur Einflussnahme von Lobbyisten, internationalen Investoren und der fortschreitenden Machtausweitung ausländischer Plattformen wie Doc Morris weiche die Bundesregierung mit Nichtwissen oder Verweisen auf andere Akteure aus, heißt es in einer Pressemitteilung.