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AMTS

Laborwerte in der Medikationsanalyse

Laborwerte können ein Rettungsanker in der Medikationsanalyse sein, meint AMTS-Expertin Dr. Dorothee Dartsch. Doch ob man sie beim Arzt anfordert, sollte gut überlegt sein. Die Interpretation erfordert einigen Sachverstand.
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 25.11.2024  18:00 Uhr

Die Medikationsanalyse in der öffentlichen Apotheke ist grundsätzlich so ausgelegt, dass sie ohne Laborwerte auskommt (Medikationsanalyse Typ 2a). »Man braucht Laborwerte auch gar nicht so häufig, wie man vielleicht im ersten Reflex meint«, so Dr. Dorothee Dartsch, Geschäftsführerin des Fortbildungsanbieters Campus Pharmazie und Expertin für Medikationsanalysen, vergangenen Samstag bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Pharmazie (DGKPha) in Hamburg. Apothekerinnen und Apotheker sollten Laborwerte nur bei der Arztpraxis anfragen, wenn sie einen Zusatznutzen für Ergebnisse der Medikationsanalyse begründen können. Denn Laborwerte zu erheben, kostet Zeit und Geld.

Gemäß der Vereinbarung zwischen Krankenkassen und Apothekerverband für die pharmazeutische Dienstleistung (pDL) erweiterte Polymedikationsberatung seien Laborwerte keine Pflicht, sondern nur die Kür. »Man muss nicht aktiv danach fragen, doch wenn sie vorliegen, sollte man sie berücksichtigen«, erklärte die Referentin.

Denn gar nicht so selten bringen Patienten einen Zettel mit und mit der elektronischen Patientenakte könnten Apotheken ab kommendem Jahr Zugriff auf aktuelle Werte erhalten. Daher sei es für Pharmazeuten sinnvoll, sich grundsätzlich mit der Interpretation dieser Daten zu beschäftigen, glaubt Dartsch.

Wie aktuell sind die Daten? Was sagt mir ein Zettel mit Werten, die bereits ein Jahr alt sind? »Je nach Erkrankung können auch ältere Werte zur Orientierung dienen«, so die AMTS-Expertin, zum Beispiel bei der Nierenfunktion. Eine chronische Niereninsuffizienz werde in der Regel schlechter und nicht besser, was für die Dosisfindung und Kontraindikationen relevant sein kann. Ein ein Jahr alter TSH-Wert dagegen sei nicht aussagekräftig.

Bei der Interpretation sei zudem auf die Referenzbereiche des Labors zu achten, das die Werte bestimmt hat. »Vergleichen Sie hier nicht mit den Werten aus den Lehrbüchern«, riet die Referentin. Starke Abweichungen sind möglich, je nach verwendeter Methode des Labors. Für die Fragestellung müsse zudem eine gesicherte Korrelation zum vorliegenden Laborwert vorliegen.

Leberwerte sind komplex

Dartsch brachte dazu konkrete Patientenfälle aus ihrer eigenen Beratungstätigkeit in der Apotheke mit. Zum Beispiel einen 58-jährigen Raucher mit COPD, chronischer Schmerzstörung, Depression, Epilepsie und Alkoholabusus. 14 feste orale Arzneiformen und mehrere Inhalatoren standen auf seinem Medikationsplan. Akute Beschwerden waren Schmerzen und Dyspnoe. Nierenwerte brauche man bei diesem Patienten nicht, da keiner der Arzneistoffe vorrangig über die Niere verstoffwechselt würde. Wenn sie nicht renal eliminiert werden, geschehe dies dann meist über die Leber.

»Leberwerte sind allerdings komplexer als Nierenwerte«, so Dartsch und zählte ALT, AST, GGT, AP, Bilirubin, Albumin und die Gerinnungsparameter aPTT, INR und TT auf. »Sie sagen uns aber allesamt nichts darüber, wie gut die Arzneistoffe verstoffwechselt werden.« Als Behelf zur Dosisfindung bei Leberschäden könnten der Child-Pugh- oder MELD-Score dienen, auch wenn sie ursprünglich für andere Fragestellungen entwickelt wurden und der Bezug zur Dosierung erst später entstanden sei.

Im konkreten Fall waren ALT und AST im Referenzbereich, GGT mäßig erhöht, der Schilddrüsenwert TSH etwas hoch, die glomeruläre Filtrationsrate gut, das kleine Blutbild unauffällig. Dem Arzt riet Dartsch, die Dosierung von Lamotrigin und L-Thyroxin zu überprüfen.

Als Apothekerin konzentrierte sie sich lieber auf die Inhalatoren als die Laborwerte. Bei der entsprechenden Schulung stellte sie fest, dass der Patient alle drei Inhalatoren falsch benutzte und übte mit ihm die korrekte Anwendung. Zudem bestärkte sie ihn zu einem Alkohol- und Nikotinverzicht und gab ihm Adressen für Unterstützungsangebote mit.

Nierenfunktion richtig berechnen

Anhand eines zweiten Patientenfalls erläuterte sie, was bei Werten zur Bestimmung der Nierenfunktion zu beachten ist. Für die meisten Patienten reiche der herkömmliche Serum-Kreatinin-Wert. Man müsse sich aber bewusst sein, dass dieser von der Muskelmasse des Patienten und der Ernährung abhängig ist. Er fließt ein in verschiedene Formeln zur Berechnung der Nierenfunktion. Mittlerweile werde dazu vor allem die CKC-EPI-Formel verwendet.

Man sollte dagegen die geschätzte (estimated) globuläre Filtrationsrate (eGFR) bei Menschen mit Gewichtsextremen über eine Formel berechnen, die nicht auf die Körperoberfläche normiert ist, vor allem bei Wirkstoffen mit geringer therapeutischer Breite oder wenn eine Minimalkonzentration zwingend erreicht werden muss.

Als nicht aussagekräftig gelte das Serum-Kreatinin laut der aktuellen Empfehlung der US-Nierenfachgesellschaft KDIGO bei Menschen mit Essstörungen, Adipositas, bei Amputationen und Lähmungen, bei Extremsport, Herzinsuffizienz, Leberzirrhose oder Muskelschwund. Dann sollte man zur Bestimmung der Nierenfunktion auf eine 24h-Harnmessung oder das Serum-Cystatin C zurückgreifen. Letzteres sei stark im Kommen, aber teurer und derzeit nur Sondersituationen vorbehalten.

Blutgerinnung: Blutbild und Symptome wichtiger als INR

Zudem ging Dartsch auf die Blutgerinnung ein. In dem konkreten Fall, einem 78-jährigen pAVK-Patienten mit sogenanntem Triple-Whammy (hier Dreier-Kombination aus Sertralin, Clopidogrel und Ibuprofen bei Bedarf) sei der INR-Wert völlig unerheblich. Die drei Arzneistoffe griffen alle an anderen Stellen in der Kaskade ein; es gebe keine Korrelation mit dem INR. Sie habe sich stattdessen das kleine Blutbild des Patienten angeschaut, das dieser mitgebracht hatte sowie seine Symptomatik erfragt (Hämaturie, Nasen- und Zahnfleischbluten, häufige und langanhaltende blaue Flecken).

So hatte der Patient eine normozytäre, normochrome Anämie (dabei liegen MCV und MCH im Referenzbereich). »Das deutet daraufhin, dass der Patient irgendwo chronisch Blut verliert«, erläuterte Dartsch. Tatsächlich antwortete er auf Nachfrage, dass er häufiger schon Blut im Urin beobachtet habe, deshalb aber nicht beim Arzt war, denn es hörte ja immer wieder auf. Dartsch riet dem Patienten, das dringend ärztlich abklären zu lassen und auf das Ibuprofen und andere NSAR zu verzichten.

Medikamentös sei der Patient ansonsten gut eingestellt gewesen. Für Hinweise zum Rauchverzicht, gesünderer Ernährung und mehr Bewegung sei er dagegen wenig offen gewesen, trotz seines Wunsches, wieder eine längere Gehstrecke als derzeit 30 Meter zu schaffen. »Manche Patienten wollen einfach so weiter machen und nur eine Tablette mehr und haben vielleicht auch zu hohe Erwartungen an eine Medikationsanalyse«, sagte Dartsch. Diesen Patienten musste sie in diesem Sinne enttäuschen.

»Bei der pharmazeutischen Dienstleistung sollte man immer abwägen, ob man Laborwerte wirklich braucht«, so das Fazit der Referentin. »Je mehr ich habe, desto mehr arzneimittelbezogene Probleme kann ich gegebenenfalls identifizieren und auch lösen, aber es bedeutet auch einen höheren Zeitaufwand für mich und den Arzt.«

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