Kritik an Lauterbachs Sparplänen reißt nicht ab |
Melanie Höhn |
07.07.2022 15:20 Uhr |
Befürchtet eine eine weitere Schließungswelle von Apotheken durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Jens Dobbert, Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg. / Foto: LAKBB
Um das Finanzloch der Gesetzlichen Krankenversicherung zu stopfen, möchte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Form des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) auch bei den Apotheken sparen: Der Kassenabschlag, den Apotheken den Krankenkassen auf jede abgegebene Rx-Packung gewähren, soll für eine Dauer von zwei Jahren auf 2 Euro angehoben werden. Damit will die Bundesregierung in den Jahren 2023 und 2024 insgesamt 170 Millionen Euro einsparen. Harsche Kritik an dem Spargesetz kam bereits aus allen Lagern. Nun melden sich auch die Apothekerkammern Hamburg und Brandenburg zu Wort.
Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, befürchtet durch die Sparpläne eine Bedrohung der »guten und geordneten Versorgung der Patienten durch die Apotheke«. Die »Zitrone namens Apotheke ist ausgepresst«, so Siemsen weiter. Die von Lauterbach genannten Effizienzreserven hätten die Apotheken schon in den vergangenen 15 Jahren gehoben. Siemsen bezeichnet die Sparmaßnahmen als »Radikaleingriff« und sieht diesen als »Todesstoß für zahlreiche weitere Apotheken, die allein durch den fehlenden Inflationsausgleich der letzten 20 Jahre zu Tausenden schon in den letzten Jahren aus wirtschaftlichen Gründen schließen mussten«. Mit dieser Entscheidung würden die Leistungen der Apothekerschaft »mit Füßen getreten«.
Das gesetzlich festgesetzte Honorar auf der Grundlage von 2002 reiche nicht mehr aus, um alle Aufgaben, die die Apotheken zu erfüllen haben, noch weiter zu leisten. Zudem hätten der Gesetzgeber und die Krankenkassen den Apotheken in den letzten Jahren hunderte neuen Aufgaben unentgeltlich aufgeladen. Außerdem würden die derzeit riesigen Inflationsraten auch an den Apotheken nicht vorbeigehen.
Daneben greife ein »eklatanter Fachkräftemangel« um sich, dem die Apotheken aber auch wegen fehlender Ertragskraft nicht finanziell entgegenwirken könnten. »20 Jahre Verweigerung der Bundesminister für Gesundheit und Wirtschaft, das gesetzliche Honorar der Apotheken den gestiegenen Kosten anzupassen, zeigen seit geraumer Zeit Wirkung«, so Siemsen.
Siemsen fordert die Politik auf, sich zu entscheiden, welche Leistungen und Aufgaben bei den noch verbliebenen etwa 18.000 Apotheken in Deutschland wegfallen sollen. »Soll der Notdienst ausgedünnt oder abgeschafft werden? Sollen die unendlichen Dokumentationspflichten für Rezepturen, Hygiene, Betäubungsmittel, Sonderarzneimittel oder Importe wegfallen? Sind individuell hergestellte Rezepturen noch zu leisten? Oder sollen die Öffnungszeiten auf Praxisniveau reduziert werden?«, fragt er. Er ist sich sicher, dass Apotheken »zahlreiche wichtige Leistungen einschränken müssen, um nicht anderenfalls ganz die Türen für immer abzuschließen«.
Jens Dobbert, Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg, bezeichnet Lauterbachs Sparpläne als einen »regelrechten Generalangriff auf die Apotheken« und befürchtet wie Siemsen eine weitere Schließungswelle. »Dass das Ministerium in diesem Zusammenhang davon spricht, auch bei den Apotheken Effizienzreserven zu heben, ist ein mehr als schlechter Witz«, so Dobbert. Im Gesundheitssystem gebe es kaum einen Bereich, der so effizient arbeite wie die Apotheken. »Nur so konnten sie es schaffen, angesichts der Inflation, der allgemeinen Preissteigerungen beim Großhandel, den galoppierenden Energiepreisen sowie den Erhöhungen beim Mindestlohn und den Tarifen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 10 Prozent die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der brandenburgischen Bevölkerung aufrechtzuerhalten«, sagte Dobbert.
Gerade in Brandenburg mit seiner ohnehin geringen Apothekendichte bräuchten die öffentlichen Apotheken jetzt mehr und nicht weniger Geld, erklärte Dobbert und erinnerte daran, dass die Zahl der brandenburgischen Apotheken seit 2014 kontinuierlich rückläufig ist. Von den Apotheken würden »neue und zusätzliche Leistungen für das gleiche Geld erwartet«, sagte er. »Das kann und wird nicht gut gehen.« Zudem steige auch das Durchschnittsalter der Inhaberinnen und Inhaber von Apotheken immer weiter an: Vor diesem Hintergrund erwartet der Kammerpräsident für 2023 nicht nur eine neue Schließungswelle. Hinzu komme auch, dass viele Apotheken von älteren Inhaberinnen und Inhabern angesichts der Zahlen nicht mehr verkaufbar seien. »Das kommt einer kalten Enteignung gleich«, erklärte Dobbert.
»Statt die Vor-Ort-Apotheken zu stärken, werden sie durch die aktuellen Pläne der Koalition nun bis ins Mark geschwächt«, erklärte der Kammerpräsident weiter. Die Zeche hierfür müsse vor allem die brandenburgische Bevölkerung in den ländlichen Regionen zahlen. »Dieses unverantwortliche Spiel mit der Sicherheit der Arzneimittelversorgung muss ein schnelles Ende finden«, sagte er und forderte Lauterbach dazu auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen und stattdessen die Vorhaben des Koalitionsvertrages umzusetzen: »Im Interesse der Menschen in unserem Land gibt es keine andere Alternative«.