Kritik an Exportverbot im Rahmen von EU-Zwangslizenzen |
Melanie Höhn |
18.01.2024 15:30 Uhr |
Derzeit gibt es laut Europäischer Kommission einen Flickenteppich von 27 nationalen Zwangslizenzregelungen. / Foto: IMAGO/Newscom / EyePress
Die Zwangslizenzierung von Patenten ermöglicht es einer Regierung, die Nutzung einer patentierten Erfindung ohne die Zustimmung des Patentinhabers zu genehmigen, wie die EU-Kommission in einer Mitteilung erklärt. Freiwillige Lizenzvereinbarungen mit den Herstellern seien in der Regel das bevorzugte Instrument, um die Produktion hochzufahren.
Sollten jedoch freiwillige Vereinbarungen nicht verfügbar oder nicht angemessen sein, können Zwangslizenzen als letztes Mittel in Krisenzeiten den Zugang zu wichtigen krisenrelevanten Produkten und Technologien ermöglichen.
Derzeit gibt es laut Kommission einen Flickenteppich von 27 nationalen Zwangslizenzregelungen, obwohl viele Wertschöpfungsketten EU-weit tätig sind. Der rechtliche Rahmen sei im Moment nicht effizient genug ist, um EU-weite Krisen zu bewältigen. Dies könne sowohl für die Rechteinhaber als auch für die Nutzer von Rechten des geistigen Eigentums eine Quelle der Rechtsunsicherheit sein.
Unter der Zwangslizenz hergestellte Produkte müssen gekennzeichnet werden und ihr Export ist untersagt. Dimitri Eynikel, Berater für EU-Politik der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen, fordert das Europäische Parlament und den Rat nun auf, das Exportverbot aus dem Vorschlag der Union für Zwangslizenzen zu streichen.
Zwangslizenzen seien eine wichtige Schutzmaßnahme für die öffentliche Gesundheit, die unter anderem im Krisenfall eine breitere Produktion und den Zugang zu bezahlbareren medizinischen Produkten ermöglichen. Der aktuelle EU-Gesetzentwurf enthalte jedoch einen Passus, der die Nützlichkeit des Instruments stark einschränke.
Laut aktuellem Text ist die Ausfuhr von Produkten, die im Rahmen der Zwangslizenz hergestellt werden, verboten und ihre Lieferung und Verwendung nur innerhalb der EU-Länder erlaubt. Damit widerspreche die EU ihrer eigenen Position innerhalb der Welthandelsorganisation, so Eynikel. Außerdem verstoße diese Regelung gegen die in Artikel 31(f) des TRIPS-Abkommens der WTO verankerte Flexibilität, die es erlaubt, einen nicht dominierenden Teil der unter einer Zwangslizenz hergestellten Produkte in andere Länder zu exportieren. Der Entwurf wird derzeit vom Europäischen Parlament und bald auch vom Europäischen Rat geprüft.
Die Lehren aus Covid-19 unterstreichen laut Eynikel die Notwendigkeit einer gemeinsamen, gerechten und grenzüberschreitenden Reaktion auf große Gesundheitskrisen. Der Zugang zu medizinischen Hilfsmitteln müsse für alle und überall gewährleistet, wie die EU bei der Ausfuhr von Covid19-Impfstoffen außerhalb der EU während der Pandemie erkannt habe. Das im Gesetzentwurf vorgesehene Ausfuhrverbot würde die wirksame Reaktion der EU auf globale Notfälle behindern, Krisen möglicherweise verlängern und die globale Ungleichheit fördern, so der EU-Berater weiter.
»Wir fordern daher das Europäische Parlament und den Rat nachdrücklich auf, das Exportverbot im Vorschlag aufzuheben. Die Ausfuhr sollte flexibel ermöglicht werden und könnte den Zugang zu medizinischen Produkten für Menschen in Ländern, die nur über begrenzte oder gar keine Produktionskapazitäten verfügen, erheblich verbessern«, sagte Eynikel.
Mit dem aktuellen Gesetzestext zu Zwangslizenzen werde die EU besser auf künftige gesundheitliche Notfälle vorbereitet sein. Wenn die EU jedoch hoffe, regionale und globale Gesundheitskrisen besser bewältigen zu können, müsse sie das Ausfuhrverbot aufheben, um sicherzustellen, dass sich die globalen Ungleichheiten, die während der Covid-19-Pandemie zu beobachten waren, nicht wiederholen. »Damals standen bestimmte Länder und einige der weltweit am stärksten gefährdeten Menschen beim Zugang zu Impfstoffen, Tests und Behandlungen ganz hinten in der Warteschlange«.