| Theo Dingermann |
| 21.01.2025 17:00 Uhr |
Zu glauben, dass nichts passiere, wenn man meine, sich raushalten zu können, sei mittlerweile »absolut naiv«, so die Sicherheitsexpertin Claudia Major über die wachsenden internationalen Bedrohungen. / © PZ/Alois Müller
Über fast 90 Minuten zeichnete die Sicherheitsexpertin ein aktuelles weltpolitisches Szenario, das von zahlreichen Bedrohungen bestimmt wird, die bestenfalls Experten haben kommen sehen, die aber spätestens mit der Annexion der Krim und dann endgültig mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 für jedermann erkennbar wurden.
Mit einer Anekdote verdeutlichte Major vor diesem Hintergrund, wie stark kritische Infrastrukturen inzwischen miteinander verknüpft sind. Dies habe ein zu diesem Zeitpunkt von den Russen ausgelöster Cyberangriff verdeutlicht, der eigentlich darauf abzielte, die Kommunikationsmöglichkeiten des ukrainischen Militärs zu stören. Gewissermaßen als Kollateralschaden wurde als Folge der Cyberattacke allerdings auch gleichzeitig die Steuerung von Tausenden Windradturbinen in Deutschland gestört.
Dies zeige, so die Sicherheitsexpertin, dass internationale Kriege, Konflikte und Probleme, die das etablierte, internationale Ordnungsgefüge stören, künftig auch diejenigen treffen werden, die sich selbst in die Konflikte gar nicht involviert sehen. Zu glauben, dass nichts passiere, wenn man meine, sich raushalten zu können, sei mittlerweile »absolut naiv«, so Major.
In fünf Themenblöcken erläuterte Claudia Major, wie man sich auf Krieg, Frieden und Zeitenwende einstellen müsse, was man erwarten könne und wie man mit den sich abzeichnenden Ordnungsverschiebungen umzugehen habe.
Den ersten Schwerpunkt legte die Referentin auf Europa und auf den Übergang von einer Friedens- zu einer Konfliktordnung. Der zweite Themenblock beleuchtete die weltweiten Ordnungsverschiebungen. Kaum aktueller hätte der dritte Themenblock sein können, in dem Major die neue Situation in den USA analysierte. Dann diskutierte Major die für Deutschland enorme Herausforderung, konfliktfähig und kriegstüchtig zu werden. Und schließlich ging es um die Frage, wann wieder mit Frieden zu rechnen sei und wie sich ein Frieden absichern lasse.
Letztlich, so eine der Schlussfolgerungen Majors, sei Europa konfrontiert mit einem »nicht evolutionären Wandel«, der auf destruktive und brutale Weise die neue »Ordnung« bestimmen werde. Für Europa gelte, dass die zentrale Herausforderung der Krieg Russlands gegen die Ukraine bleibe. Und da sehe es derzeit nicht gerade rosig aus.
Wie das enden wird, konnte Major nicht sagen. Vereinfacht gesprochen gebe es drei Varianten, wie Kriege endeten. Die erste Variante sei: Sieg oder Niederlage. Historisch betrachtet passiere dies in 20 Prozent der Konflikte, und Deutschland sei mit der Niederlage im Jahr 1945 ein allen vertrautes Beispiel.
Etwa 30 Prozent aller internationalen Kriege endeten, weil die streitenden Parteien zu dem Schluss kämen, besser jetzt aufzuhören als weiterzumachen, weil man möglicherweise verlieren könnte. Das Problem daran sei, dass die Parteien oft an ihren Kriegszielen festhielten, so dass ein Waffenstillstand nicht sonderlich verlässlich sei.
Schließlich würden die meisten Kriege durch Intervention von außen beendet. Von einem Waffenstillstand zu einem stabilen Frieden zu kommen, werde dann allerdings zur nächsten Herausforderung. Denn Frieden heiße auch die Überwindung von Traumata und von historischen Ereignissen sowie ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit, so Major.
Was heißt das nun für Europa? »Wir müssen uns wohl oder übel an die neue Konfliktordnung anpassen«, so Major. Das sei eine »gewaltige Herausforderung« und erfordere eine Zeitplanung, um sich vor allem auch mental den neuen Realitäten zu stellen. Denn es reiche nicht mehr, sich nur militärisch und industriell neu aufzustellen, so das Fazit der Sicherheitsexpertin.