Krebstreiber zu Krebsvernichter umfunktionieren |
Theo Dingermann |
03.08.2023 11:00 Uhr |
Lenkt Bcl6 durch eine TCIP-vermittelte Bindung Brd4 an Stellen im Genom, von denen aus ein Apoptoseprogramm startet, wird dieser Transkriptionsaktivator, der normalerweise zum onkogenen Programm einer entarteten Zelle beiträgt, dazu »missbraucht«, die entartete Zelle in den Tod zu schicken.
Die Forschenden synthetisierten mehrere TCIPs, von denen sich eine Struktur mit dem Entwicklungsnamen TCIP1 als das wirksamste Molekül erwies. Es erhöht die Bindung von Brd4 über genomische Bcl6-Bindungsstellen um 50 Prozent, und bewirkte so innerhalb von 15 Minuten eine Transkriptionsverlängerung an proapoptotischen Zielgenen. Das führte dazu, dass TCIP1 diffuse großzellige B-Zell-Lymphom-Zelllinien, einschließlich chemotherapieresistenter TP53 -Mutantenlinien, abtötete. Die mittlere effektive Konzentration (EC50) lag in der Größenordnung von 1 bis 10 nM in den Fällen, in denen die Zellen innerhalb 72 Stunden abstarben. Diese Effekte waren zell- und gewebespezifisch.
Bis eine solche Substanz in die klinische Prüfung gelangt, ist es noch ein weiter Weg. Die Autoren diskutieren, dass die Aktivierung endogener Gene durch niedermolekulare TCIPs in vielen anderen Bereichen der Biologie und Medizin Anwendung finden könnten. Denkbar wäre beispielsweise, dass TCIPs zur Aktivierung von Todeswegen in alternden Zellen (seneszente Zellen), zur Aktivierung der Expression therapeutischer Gene, zur Aktivierung der Expression von Neoantigenen in der Humanimmuntherapie oder zur Regulierung der Genexpression in Zellen oder Organismen im Bereich der synthetischen Biologie eingesetzt werden könnten.