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Imatinib

Krebs als chronische Krankheit

Imatinib (Glivec®) war 2001 der erste Tyrosinkinase-Hemmer, der zur Behandlung von Krebspatienten auf den Markt kam. Der Träger des PZ-Innovationspreises 2002 war nicht nur Vorreiter einer bis heute stetig wachsenden Wirkstoffklasse, sondern auch der erste Arzneistoff, der Krebs dauerhaft kontrollierte und so zu einer chronischen Krankheit machte.
Theo Dingermann
04.03.2019  08:00 Uhr

Es war dieser merkwürde, typische Biomarker einer speziellen Form der chronischen myeloischen Leukämie (CML), der ganz wesentlich zum Verständnis des für maligne Erkrankungen so perfiden Wachstumsverhaltens beitrug: das Philadelphia-Chromosom, das aus einer fehlerhaften Fusion bestimmter Teile der Chromosomen 9 und 22 resultiert. Was Krebsforscher faszinierte, war für Patienten ebenso wie für Therapeuten der Horror schlechthin. An der Fusionsstelle eines winzigen Artefakts aus Bruchstücken zweier Chromosomen war ein neues Gen (BCR-ABL) entstanden, dessen Produkt der Zelle Unsterblichkeit und eine kompromisslose Zellteilung signalisierte, an deren Ende der Tod des Patienten stand.

Onkogen als Target

Wie sich durch eine Vielzahl von Arbeiten unzähliger Wissenschaftler herausstellte, handelt es sich bei BCR-ABL um ein lupenreines Onkogen, das für eine Tyrosinkinase-Aktivität kodiert, die sich natürlicherweise nicht mehr abschalten lässt. Mit der Entdeckung dieses Kontrollverlusts schien sich BCR-ABL als ein ideales therapeutisches Target anzubieten. Zum einen besitzen die Leukämiezellen (aber nur diese) aller CML-Patienten ein Philadelphia-Chromosom, zum anderen konnte man zeigen, dass Mäuse, denen diese Genvariante eingesetzt wurde, alle eine Leukämie entwickelten.

Da traf es sich gut, dass man seinerzeit bei Ciba-Geigy (heute Novartis) ein großes Programm zur Entwicklung von Tyrosinkinase-Inhibitoren aufgelegt hatte. Primär war man auf der Suche nach Inhibitoren für den Plättchen-Wachstumsfaktor-Rezeptor (PDGFR) oder den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR), und man war keineswegs begeistert von der Idee, die Entwicklungssubstanzen zur Behandlung von CML-Patienten testen zu lassen. Denn in Zeiten der großen Indikationen erachtete man ein CML-Patientenkollektiv als zu klein für eine attraktive Wirkstoffentwicklung – eine krasse Fehleinschätzung, wie wir heute wissen. Außerdem bezweifelte man damals, dass Tyrosinkinase-Inhibitoren prinzipiell zur Therapie geeignet sein könnten, da man sich Tyrosinkinasen nicht als sogenannte druggable Targets vorstellen konnte und befürchtete, mit erheblichen unerwünschten Wirkungen rechnen zu müssen, was sich ebenfalls als falsch herausstellte.

Nahezu zwei Jahre lang bemühten sich Kliniker, angeführt von Brian J. Druker vom OHSU Knight Cancer Institute in Portland, Oregon, Novartis davon zu überzeugen, in eine klinische Entwicklung zur Behandlung von CML-Patienten einzuwilligen. Dabei lag, wie sich schließlich herausstellte, das Erfolgsmolekül in Form der Entwicklungssubstanz STI571, das bald als Imatinib Berühmtheit erlangen sollte, längst vor. Biochemische und präklinische Tierstudien belegten ein erstaunliches Hemmpotenzial nicht nur an der BCR-ABL-Tyrosinkinase, sondern auch an den Rezeptor-Tyrosinkinasen PDGFR und KIT. Andere Kinasen wurden hingegen kaum oder gar nicht inhibiert.

Zulassung in sechs Wochen

Noch beeindruckender waren die klinischen Effekte, sodass schließlich der neue Wirkstoff Imatinib von der US-Arzneimittelbehörde FDA in einer Rekordzeit von nur sechs Wochen zur Behandlung der CML zugelassen wurde. Zwischenzeitlich ist Imatinib auch zur Therapie von gastrointestinalen Stromatumoren, die durch die Rezeptor-Tyrosinkinasen KIT kontrolliert werden, und zur Therapie des Hypereosinophilie-Syndroms, das durch einen mutierten PDGFR kontrolliert wird, zugelassen.

Imatinib ist ein sensationell guter und gut verträglicher Wirkstoff. Er wurde deshalb zum Blockbuster, da mit ihm demonstriert werden konnte, dass Krebs auch eine chronische Erkrankung sein kann. Dies ist dann der Fall, wenn das ungehemmte Wachstum des Tumors durch eine einzelne fehlgeleitete Aktivität kontrolliert wird, die man mit einem lebenslang zu applizierendem Wirkstoff permanent inhibiert.

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