Krankhaftes Übergewicht besser definieren und erkennen |
Neben den neuen Diagnoserichtlinien schlagen die Expertinnen und Experten um Francesco Rubino vom King's College London zwei neue Diagnosekategorien für Adipositas vor: »klinische Adipositas« für die chronische, mit einer anhaltenden Funktionsstörung von Organen einhergehende Krankheit, und die »präklinische Adipositas« für die vorangehende Phase mit Gesundheitsrisiken, aber noch keiner anhaltenden Krankheit. Hintergrund sei unter anderem, dass in beiden Phasen unterschiedliche therapeutische Strategien erforderlich seien.
Der Vorschlag der »Commission on Clinical Obesity« mit Medizinerinnen und Medizinern verschiedener Fachgebiete wird von 76 Fachgesellschaften und Patientenvertretungen weltweit unterstützt, wie es in dem Beitrag heißt. Rubino, Vorsitzender der Kommission, sagt: »Die Frage, ob Adipositas eine Krankheit ist, führt in die Irre, weil sie von einem unplausiblen Alles-oder-Nichts-Szenario ausgeht, bei dem Adipositas entweder immer eine Krankheit ist oder nie eine Krankheit.«
Die Realität sei differenzierter. Bei einigen fettleibigen Menschen bleibe die normale Funktion der Organe und die allgemeine Gesundheit langfristig erhalten, während andere direkt schwere Krankheiten entwickelten.
»Wenn Adipositas nur als Risikofaktor und niemals als Krankheit betrachtet wird, kann dies dazu führen, dass Menschen, die allein aufgrund ihrer Adipositas erkrankt sind, der Zugang zu einer zeitnahen Versorgung verwehrt wird«, führte Rubino aus. »Andererseits kann eine pauschale Definition von Adipositas als Krankheit zu einer Überdiagnose und einem ungerechtfertigten Einsatz von Medikamenten und chirurgischen Eingriffen führen, die dem Einzelnen schaden und der Gesellschaft enorme Kosten verursachen können.«
Menschen mit »klinischer Adipositas« benötigten schnellen Zugang zu Therapien, solche mit »präklinischer Adipositas« individuelle Strategien für ein vermindertes Risiko für Erkrankungen. Die neue Unterteilung könne eine rationale Zuweisung von Gesundheitsressourcen und eine faire, medizinisch sinnvolle Priorisierung der verfügbaren Behandlungsoptionen erleichtern.