Krankenkassen-Werbung erneut in der Kritik |
Cornelia Dölger |
12.10.2022 15:30 Uhr |
Werbung auf Trikots ist lukrativ. Ob und wie Krankenkassen sie nutzen dürfen, war längere Zeit unklar. / Foto: imago images/wolf-sportfoto
Die Kombination aus Geld und Krankenkassen stellt derzeit vor allem für Leistungserbringer im Gesundheitswesen ein rotes Tuch dar. Schließlich geht es bei den drastischen Sparplänen zur Rettung der klammen Kassen um hohe jährliche Millionenbeträge, auf die Apotheken und Ärzte verzichten sollen. Auch die Hersteller sollen kräftig zur Ader gelassen werden.
In dieser Gemengelage hat der Petitionsausschuss des Bundestages am heutigen Mittwoch eine Beschlussempfehlung an den Bundestag weitergeleitet, die vorsieht, dass das Geldausgeben der Krankenkassen für Werbung insbesondere im Sportsektor begrenzt werden soll. Die zugrundeliegende Petition bemängelte vor allen Dingen, dass die Kosten für Werbung der Versichertengemeinschaft aufgebürdet und über die Beiträge geschultert werden müssten. Mehr noch: Wenn eine Krankenkasse teure TV-Werbung mache, müssten dies über den vorgeschriebenen Kostenausgleich sogar die Beitragszahler der anderen Krankenkassen mitbezahlen, zitieren die Parlamentsnachrichten des Bundestags den Petenten.
Ihm zufolge sei die Werbung zudem ein »Nullsummenspiel«, weil jeder Versicherte, der aufgrund von Werbung seine Kasse wechsele, bei seiner bisherigen fehle. Nicht zuletzt fehlten die Werbemittel im Gesundheitswesen. Deshalb fordere der Petent, »dass den gesetzlichen Krankenkassen jegliche Art von Werbung, insbesondere teure TV-Werbung und Werbung in Fußballstadien, untersagt wird«.
Die Forderung ist nicht neu und rührt ein weiteres Mal an den verschlungenen Beziehungen zwischen Kassen, mächtigen Sportverbänden und Politik. Insbesondere die lukrative Banden- und Trikotwerbung, die zu den bekanntesten und wichtigsten Formen des Sponsorings im Sport zählt, war der Zankapfel, um den sich die Beteiligten eine Zeitlang stritten.
Im März 2020 war das Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) in Kraft getreten, das das Werbeverhalten der Kassen speziell im organisierten Sport erstmalig gesetzlich regeln sollte. Ziel des Gesetzes aus dem Haus des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) war, die Krankenkassen und deren teils aggressive Eigenwerbung bei Sportveranstaltungen zu bändigen. Bis dato gab es keine verbindlichen Regeln für Kassen, wie, wo und in welchem Umfang sie für sich und ihre Leistungen Reklame machen dürfen. Neben allgemeinen Regeln gegen den unlauteren Wettbewerb mussten sich die Versicherungen in puncto Werbung lediglich an »gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze« halten, deren Einhaltung aber nicht kontrolliert wurde.
Diesen Zustand sollte das GKV-FKG ändern und die grundsätzlichen Zwecke und Schranken des Wettbewerbs der Krankenkassen untereinander gesetzlich festschreiben. So weit, so gut – allerdings verhallte der Vorstoß mehr oder weniger ungehört, denn auf die neuen Grundsätze für die Werbung reagierte öffentlich kaum jemand. Bis Spahn dann im Winter 2020 eine Verordnung mit rechtsverbindlichen Vorgaben auf den Tisch legte, die es in sich hatte. Besonders pikant war der darin enthaltene Paragraf 6, der kurz und knapp vorschrieb: »Unzulässig ist insbesondere die Banden- und Trikotwerbung im Spitzen- und Profisport.«
Was folgte, war eine Front der versammelten Sportmacht, die sich als »Allianz des deutschen Sports« lautstark und öffentlichkeitswirksam speziell gegen diesen Passus zur Wehr setzte. Auch von den Kassen und aus den Bundesländern kam viel Gegenwind mit dem Ergebnis, dass in einem neuerlichen Entwurf von einem generellen Verbot der Banden- und Trikotwerbung keine Rede mehr war. Allerdings gelten seither konkretere Regeln für die werbenden Kassen, etwa ist Banden- und Trikotwerbung bei Sportevents nur dann zulässig, wenn dabei die sachbezogene Information über Leistungen im Vordergrund steht und die Werbung »mit konkreten Angeboten der Gesundheitsförderung und Prävention verbunden ist«. Auch die zulässige Höhe der jährlichen Werbeausgaben ist festgelegt.
Für dieses Jahr beträgt sie 4,94 Euro pro Mitglied, wie der GKV-Spitzenverband auf PZ-Anfrage mitteilte. Die Werbeausgaben sollten demnach nicht höher als bei 0,15 Prozent der monatlichen Bezugsgröße pro Mitglied liegen, um das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit einzuhalten. Ein Blick in die Verbandszahlen zu den jährlichen Werbeausgaben zeigt, dass die Werte in den vergangenen Jahren grundsätzlich gestiegen sind, allerdings mit Ausreißern nach oben und unten: 2021 lagen sie bei 194,2 Millionen Euro, zehn Jahre zuvor waren es noch 142,2 Millionen Euro (nach 164,4 Millionen Euro im Jahr 2010). Den höchsten Wert gab es demnach im Jahr 2019 mit 221,6 Millionen Euro. Wie viel davon die Kassen auf Eigenreklame im organisierten Sport steckten, führt diese Statistik allerdings nicht gesondert auf.
Der Petitionsausschuss hat in seiner Stellungnahme zu der Beschwerde auf die Rechtslage hingewiesen, nach der Krankenkassen durchaus für neue Mitglieder werben dürften, nur eben begrenzt. Auf diese Grenzen gelte es weiter hinzuweisen. Geltendes Recht zu ändern und den Kassen die Werbung generell zu verbieten, dazu gebe es allerdings »keinen Raum«.