Martin Herrmann, Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, und Professor Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Inhaberin des Lehrstuhls für Umweltmedizin der Universität Augsburg / Foto: PZ/Alois Müller
Klima und Gesundheit hängen eng zusammen, machte Professor Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Inhaberin des Lehrstuhls für Umweltmedizin der Universität Augsburg, in einem Impulsreferat bei der Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker deutlich. Beim Klimaschutz gehe es nicht nur um den Erhalt der Lebensbedingen etwa für den Eisbären, »sondern am Ende des Tages geht es um uns«, sagte die Umweltmedizinerin. »Es geht um unsere Gesundheit und die Gesundheit der folgenden Generationen.«
Ein wichtiger Faktor beim Klimawandel, der die menschliche Gesundheit beeinträchtigt, ist die Hitze: Sie führt nicht nur über Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Lungenkrankheiten zu Todesfällen, sondern beeinträchtigt auch die Psyche, macht aggressiver und erhöht zum Beispiel auch die Suizidrate.
»Hitze wirkt auf unseren ganzen Körper«, so Traidl-Hoffmann. Bei einer Erderwärmung von 5 °C, was als Worst-Case-Szenario gilt, würden einige Regionen der Welt unbewohnbar werden. Selbst bei einer Erhöhung um 2 °C würden alle Bereiche des öffentlichen Lebens und der Gesundheit massiv beeinträchtigt.
Die Erderwärmung führe nicht nur zur Verbreitung von infektionsübertragenden Vektoren wie bestimmte Mücken- und Zeckenarten, sondern auch die Ausweitung des Pollenflugs. Es gebe bereits jetzt in Deutschland keinen Tag mehr, an dem keine Pollen fliegen.
Die Verbrennung von fossilen Brennstoffen zu stoppen, wäre ein doppelter Gewinn. Denn dies wirke nicht nur der Erderwärmung entgegen, sondern reduziere auch den Ausstoß von Schadstoffen. Diese hätten ebenso wie die zunehmenden Hitzeperioden stark negative Einflüsse auf die Gesundheit, berichtete die Ärztin. »Luftschadstoffe machen uns massiv krank.«
Auch diese erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf- und Lungen-Erkrankungen, und auch für bestimmte Allergien und atopische Erkrankungen. »Das Risiko für eine Neurodermitis fällt umso höher aus, je näher man an befahrenen Straßen bewohnt«, sagte die Umweltmedizinerin.
Dass jetzt die Zeit zu Handeln ist, belege der aktuelle Bericht des Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC), der dieses Jahr herauskam, berichtete Traidl-Hoffmann. »Dieser zeigt ganz klar, dass das Zeitfenster sich schließt.«
Die Energiewende sei die First-Line-Therapie für die Patientin Erde. Aber auch die »adjuvante Therapie«, nämlich die Edukation, die Aufklärung über die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Gesundheit, sei wichtig. »Wir müssen darüber sprechen und die Priorität für diese Themen erhöhen«, mahnte Traidl-Hoffmann. Den Apothekerinnen und Apothekern komme dabei als Multiplikatoren und Heilberuflern eine Schlüsselrolle zu.
Auch Martin Herrmann, Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, betonte in seinem Impulsreferat, dass Hitze »unser größtes Problem« ist und fordert flächendeckende Hitzeaktionspläne. Laut dem aktuellen »Lancet Countdown Policy Brief« ist Deutschland für den Katastrophenfall durch mögliche große Hitzewellen nicht gerüstet, obwohl rund 10.000 Patienten jedes Jahr daran sterben würden.
Weiterhin machte er darauf aufmerksam, wie Apothekerinnen und Apotheker etwas bewegen können. Herrmann möchte Apotheken, da sie vielfach wohnortnah mit den Menschen in Berührung kommen, dazu einladen, sich am Klimaschutz zu beteiligen. Es gehe um Wissensvermittlung und um die Kernfrage: Wie kommt der Berufsstand vom Wissen zum Handeln? Wie kann man die Zuversicht nicht verlieren angesichts des »Abgrunds, der sich vor uns auftut«? Denn: Die Bewohnbarkeit des Planeten stehe auf dem Spiel.
Zudem sprach Herrmann vom Biotop der Apotheke, das gefährdet sei, wenn es sich in einer giftigen Umwelt befinde. Er warnte, dass das Gesundheitswesen bis vor kurzem geschlafen habe, was den Klimaschutz angehe. Auch die Politik und breite Teile der Bevölkerung hätten die Tragweite des Themas noch nicht verstanden. »Die Erde ist auf der Intensivstation«, sagte Hermann.
Es sei eine »große Transformation« in der Gesellschaft beim Thema Klimaschutz notwendig – Apotheken könnten laut Herrmann hierbei eine tragende Rolle spielen, dass sich in der Gesellschaft bestimmte Narrative verändern.
Große Transformationen würden zudem mit vielen Mikrotransformationen zusammenhängen: Wenn Menschen von einem Thema wirklich berührt sind, lässt sie dieses Thema nicht mehr los. Große gesellschaftliche Veränderungen würden zu Beginn immer aus einer Nische kommen und nicht alle 18.000 Apotheken würden gleichzeitig mit diesen Prozessen beginnen.
Das Ziel müsse sein, dass immer mehr Menschen verstehen, dass die handlungsfähig sind und kreativ etwas verändern können. Man solle sich fragen: Wo gibt es Möglichkeiten zur Transformation?
Als Beispiel nannte Herrmann etwa eine Klimasprechstunde, Hitzeschutz oder die Einrichtung von klimaneutralen Gesundheitseinrichtungen. Außerdem bezeichnet er die Energiewende als größtes Gesundheitsprojekt unserer Zeit. Auch die Bildung von Kooperationen und Netzwerken auf allen Ebenen zum gemeinsamen Handeln sei essenziell.