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Hirnschrittmacher bei Parkinson

Kleine Impulse für bessere Beweglichkeit

Bewegungsarmut, Zittern, Muskelsteifigkeit – Morbus Parkinson schränkt das Leben vieler Betroffener stark ein. Wenn Medikamente allein nicht mehr ausreichen, kann ein Hirnschrittmacher helfen. Dank moderner Technik sind die Systeme mittlerweile sehr klein und sogar online auf die Symptomstärke des Patienten einstellbar.
AutorKontaktLaura Rudolph
Datum 27.06.2025  09:00 Uhr

Bei der neurodegenerativen Parkinson-Erkrankung gehen dopaminproduzierende Nervenzellen in der Substantia nigra zugrunde. In der Folge sinkt der Dopaminspiegel in bestimmten Hirnarealen – mit typischen motorischen Symptomen wie Bewegungsarmut (Bradykinese), Muskelsteifigkeit (Rigor) und Zittern (Tremor).

Die medikamentöse Behandlung, vor allem mit dem Dopaminvorläufer Levodopa, zielt darauf ab, das Dopamindefizit zu kompensieren. Da die Erkrankung jedoch stetig fortschreitet, erleben viele Patienten bereits nach einigen Jahren Wirkfluktuationen: Auf beweglichere »On-Phasen« folgen Abschnitte mit ausgeprägten Bewegungseinschränkungen – die »Off-Phasen«. Reicht eine medikamentöse Anpassung nicht mehr aus, kann eine gerätegestützte Therapie sinnvoll sein, etwa eine Medikamentenpumpe oder ein Hirnschrittmacher. In Deutschland erhalten pro Jahr etwa 1000 Parkinsonpatienten einen Hirnschrittmacher.

Für wen kommt ein Hirnschrittmacher infrage?

Ein solches Gerät kann die Erkrankung nicht heilen und in der Regel auch keine vollständige Medikamentenfreiheit bewirken. »Durch die tiefe Hirnstimulation kann die benötigte Medikamentendosis aber beträchtlich reduziert werden – manchmal um bis zu zwei Drittel der Ausgangsdosis«, erklärte Dr. Andreas Becker, Chefarzt der Abteilung Neurologie und Ärztlicher Direktor am SRH Kurpfalzkrankenhaus in Heidelberg, im Gespräch mit der PZ. Außerdem räumte er mit einem gängigen Vorurteil auf: »Die tiefe Hirnstimulation ist keineswegs nur die Therapieoption des letzten Strohhalms.«

Geeignet ist das Verfahren für Menschen mit Parkinson, die seit mindestens vier Jahren erkrankt sind und trotz optimierter Medikation unter motorischen Schwankungen leiden. Sie sollten kognitiv und psychisch stabil sein.

Zu den Kontraindikationen zählen etwa schwere Depressionen, demenzielle Syndrome, Blutgerinnungsstörungen oder ein hohes Risiko für Narkosekomplikationen durch Begleiterkrankungen. Auch das Alter spielt eine Rolle, aber hier kommt es auch auf den Allgemeinzustand des Patienten an. »Eine fitte 75-Jährige kann beispielsweise geeigneter sein als ein multimorbider 55-Jähriger«, so Becker. Die Kosten für den Eingriff werden von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen, sofern die medizinischen Kriterien erfüllt sind.

Wie funktioniert die Stimulation?

Die tiefe Hirnstimulation (THS) greift gezielt in die gestörte Signalverarbeitung des Gehirns ein. Im gesunden Zustand hemmt Dopamin die Aktivität des Nucleus subthalamicus (STN) – eine Struktur im Zwischenhirn, die eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Bewegungen spielt. Bei Parkinsonpatienten fehlt diese Hemmung jedoch, was zu einer elektrischen Überaktivität des STN führt. Diese verstärkt wiederum die Hemmung der motorischen Rinde und in der Folge werden Bewegungen erschwert.

Bei der THS werden über fein platzierte Elektroden hochfrequente elektrische Impulse an den STN abgegeben, die dessen übermäßige Aktivität dämpfen. So wird die hemmende Wirkung auf die Großhirnrinde reduziert und Bewegungsabläufe verbessern sich. »Die THS imitiert damit die Wirkung von L-Dopa – nur eben elektrisch statt pharmakologisch«, erklärte Becker.

Wie läuft die Implantation ab?

Die Operation erfolgt unter Vollnarkose. Über zwei kleine Bohrlöcher im Schädel werden Elektroden in den Nucleus subthalamicus eingeführt. Sie sind mit Kabeln verbunden, die unter der Haut hinter dem Ohr zum Impulsgeber führen. Dieser wird meist unterhalb des Schlüsselbeins implantiert. Bei sehr schlanken Patienten kann der Impulsgeber alternativ im Bereich des Bauches unter der Haut platziert werden.

»Moderne Impulsgeber sind heute nicht größer als etwa eine kleine Smartwatch«, so Becker. Das SRH Kurpfalzkrankenhaus Heidelberg war Anfang des Jahres die europaweit achte Klinik, die den bisher kleinsten und hochleistungsfähigsten Parkinson-Hirnschrittmacher der Welt eingeführt hat. Die Implantation mit Vor- und Nachsorge sei immer eine Teamleistung, an der neben Neurologen auch Neurochirurgen beteiligt sind, betonte Becker. Beispielsweise kooperiert das SRH Kurpfalzkrankenhaus hierzu mit der Neurochirurgie des Uniklinikums Heidelberg.

Wie alle Operationen birgt auch dieser Eingriff Risiken, wenn auch geringe, etwa für Blutungen und Infektionen. Außerdem kann es nach der Implantation durch die Stimulation zu Nebenwirkungen kommen. Mögliche unerwünschte Wirkungen sind beispielsweise Wesensveränderungen, erhöhte Impulsivität oder Sprach- und Gangstörungen. Sie sind in der Regel reversibel, wenn die Stimulation reduziert oder abgeschaltet wird.

Nach der Operation bleibt der Patient bis zu zehn Tage im Krankenhaus. Ein anschließender Reha-Aufenthalt über drei bis vier Wochen ist empfohlen.

Wie geht es nach der OP weiter?

Unmittelbar nach dem Eingriff bessern sich bei vielen Patienten die Symptome allein durch das Einführen der Elektroden – man spricht von einem »Setzeffekt«, der jedoch nach einigen Wochen nachlässt. Die erste gezielte Einstellung des Impulsgebers erfolgt üblicherweise rund drei Monate nach der Operation, wenn der Setzeffekt definitiv abgeklungen ist.

Mit dem Einsetzen und Einstellen des Hirnschrittmachers sei es aber nicht getan, betonte der Neurologe. Die THS lindert zwar die Symptome deutlich und verringert die benötigte Medikamentendosis, doch die Erkrankung schreitet weiter fort. Deshalb müssen die Stimulationsparameter und die begleitende Medikation regelmäßig angepasst werden, meist im Jahresrhythmus, abhängig vom individuellen Krankheitsverlauf und vom Ansprechen auf die Therapie.

Wartung und Nachsorge

Dank neuer Technik sind diese Anpassungen heute auch aus der Ferne möglich: Ärzte können bei einer telemedizinischen Videosprechstunde die Bewegungen der Patienten analysieren und über eine App den Impulsgeber nachjustieren, so auch im SRH Kurpfalzkrankenhaus Heidelberg. Die Voraussetzung ist eine stabile Internetverbindung. Die Methode kann weltweit eingesetzt werden. »Das erspart den Patienten oftmals weite Anfahrtswege«, erklärte Becker. Denn nicht viele Kliniken in Deutschland führen diesen Eingriff durch und übernehmen die Nachsorge.

Apropos Nachsorge: Becker betonte, wie wichtig ein umfassendes Nachsorgekonzept ist. »Das Gerät ist klein, einfach, teuer und schnell implantiert – aber ›Set it and forget it‹ funktioniert hier nicht.« Wichtig sei, dass der Patient in ein interprofessionelles Versorgungsnetz mit Kompetenz in der Parkinson-Therapie eingebunden werde – und auch seine Angehörigen. Dieses kann unter anderem aus Ärzten, Apothekern, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Sozialmedizinern und Pflegefachkräften bestehen. Denn mit dem Hirnschrittmacher ändert sich nicht nur das Leben der Betroffenen, die nun wieder viel mehr Aktivitäten wahrnehmen können, sondern damit auch das ihres Umfelds.

Wie langlebig ist das System? »Die Elektroden im Gehirn sind darauf ausgelegt, ein Leben lang zu halten«, erklärte der Neurologe. Moderne Impulsgeber sind per Induktion aufladbar und halten mehr als zehn Jahre. Eine Ladung reicht je nach Modell für bis zu 30 Tage, wobei die Akkuleistung mit zunehmendem Alter des Geräts leicht nachlassen kann. »Zum Aufladen eignet sich zum Beispiel die Zeit beim Sonntagstatort«, schmunzelte Becker.

Ausblick

Die tiefe Hirnstimulation hat sich als effektive Ergänzung zur medikamentösen Therapie bei der Parkinson-Krankheit etabliert – und die Technik entwickelt sich stetig weiter. Moderne Impulsgeber sind nicht nur sehr klein und langlebig, sondern auch online und weltweit einstellbar.

Zukünftig könnte auch die sogenannte adaptive tiefe Hirnstimulation zum Einsatz kommen, bei der Sensoren im Körper selbstständig erkennen, wann und wie stark eine Stimulation notwendig ist. Die Stimulationsparameter passt das System dann automatisch und in Echtzeit an. Solche Systeme werden aktuell erprobt. Bis es entsprechende Geräte in die klinische Anwendung schaffen, können noch einige Jahre vergehen.

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