Kleine Drüse mit großen Aufgaben |
Die Bauchspeicheldrüse ist ein großes, aber unscheinbares Organ – solange sie einwandfrei funktioniert. / Foto: Adobe Stock/Peakstock
Schon im Altertum beschäftigten sich Gelehrte mit der Bauchspeicheldrüse. Die wissenschaftliche Bezeichnung Pankreas soll auf Hippokrates zurückgehen und leitet sich vom Griechischen »πάγκρεας«, also »ganz aus Fleisch« ab (1). Das in der Konkavität des Duodenums liegende, etwa 100 g schwere Organ wird anatomisch in Pankreaskopf, -körper und -schwanz geteilt. Es hat zwei wichtige Funktionen.
Wie wichtig das Pankreas ist, wird oft erst bewusst, wenn das Organ nicht mehr richtig funktioniert. Neben gut- oder bösartigen Neubildungen des Gewebes können auch Entzündungen und Funktionsausfälle auftreten. Sie sind ebenso wie die seltenen neuroendokrinen Tumoren Themen dieses Titelbeitrags.
Arten | Anteil an den Inselzellen (in Prozent) | sezernierte(s) Hormon(e) | Funktion |
---|---|---|---|
A-Zellen, Alfazellen | 10 bis 20 | Glukagon | erhöht den Blutglucosespiegel |
B-Zellen, Betazellen | 70 bis 80 | Insulin, Amylin | Insulin: senkt BlutglucosespiegelAmylin: blockiert Insulinwirkung in Leber und Skelettmuskultur |
D-Zellen, Deltazellen | 5 bis 10 | Somatostatin | hemmt Alfa- und Betazellen |
F-Zellen, PP-Zellen | etwa 2 | pankreatisches Polypeptid | hemmt das exokrine Pankreas |
EC-Zellen | sehr selten | Serotonin und andere | beeinflusst die Darmmotilität |
Ghrelin-Zellen, Epsilonzellen | – | Ghrelin | verstärkt das Hungergefühl |
Bei einer Pankreasinsuffizienz stellt die Bauchspeicheldrüse ihre endokrine und/oder exokrine Funktion teilweise oder vollständig ein. Die endokrine Pankreasinsuffizienz ist durch einen Mangel an Insulin und Glukagon gekennzeichnet. Die Folge eines progredienten Betazelluntergangs ist ein Typ-1-Diabetes, der in diesem Artikel nicht weiter betrachtet wird.
Bei der exokrinen Pankreasinsuffizienz (EPI) fehlt es an Verdauungssekreten. Das vermindert die Aufnahme von wichtigen Mikronährstoffen wie fettlöslichen Vitaminen und essenziellen Fettsäuren. Eine Malnutrition beeinträchtigt bei Kindern die körperliche Entwicklung; bei Erwachsenen steigt das Risiko für Krankheiten wie Osteoporose. Zudem nehmen die allgemeine Morbidität und vorzeitige Sterblichkeit zu.
Viele Symptome der exokrinen Funktionsstörung sind unspezifisch, zum Beispiel Meteorismus, Diarrhö und Gewichtsverlust. Pathologische Stuhlentleerungen wie eine Steatorrhö und/oder Azotorrhö, also die vermehrte Ausscheidung von Fett beziehungsweise Stickstoffverbindungen, stellen sich erst bei einer schweren Pankreasinsuffizienz ein (4).
»Wichtig ist, dass Symptome wie voluminöse übelriechende Stühle, Durchfall oder ein Gewichtsverlust auch bei anderen Störungen wie einer Zöliakie, Fructose- oder Lactoseintoleranz auftreten können«, sagt Privatdozent Dr. Georg Beyer, Oberarzt und Koordinator des Pankreaszentrums am LMU Klinikum München, gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. Eine Abklärung beim Gastroenterologen sei daher ratsam.
Die häufigste Ursache für eine EPI bei Erwachsenen ist die chronische Pankreatitis, gefolgt von Pankreaskarzinom, Organresektionen und Defektheilungen nach akuter Pankreatitis (5). Es kommen neben den erworbenen Ursachen auch angeborene wie die primäre Eisenspeicherkrankheit (Hämochromatose), kongenitale isolierte Enzymdefekte und bestimmte genetisch bedingte Krankheiten infrage. Bei Kindern ist die zystische Fibrose (CF, Mukoviszidose) der wichtigste Auslöser. Viele CF-Betroffene erreichen dank moderner Therapien das Erwachsenenalter und benötigen lebenslang eine konsequente Behandlung der Pankreasstörung.
Unklar ist, wie häufig die exokrine Pankreasinsuffizienz mit einem Diabetes mellitus vergesellschaftet ist. Bei den oft übergewichtigen Menschen mit Typ-II-Diabetes erscheint eine funktionell relevante exokrine Insuffizienz unwahrscheinlich (5).
Es gibt zwar zahlreiche, auf unterschiedlichen Testprinzipien beruhende Nachweisverfahren für eine EPI, allerdings kann keines davon die Erkrankung zuverlässig diagnostizieren.
Um eine pankreatogene Steatorrhö exakt nachzuweisen, könnten Patienten sich drei Tage normiert mit bekanntem Fettgehalt ernähren und ihre Stuhlausscheidungen sammeln. Ist die Stuhlfettausscheidung in dieser Probe pathologisch erhöht (über 7 g/d), liegt in der Regel eine Pankreasinsuffizienz vor. Dieses aufwendige Verfahren wird aber kaum angewendet. Stattdessen ziehen Ärzte routinemäßig meist den Stuhl-Elastase-Test heran. Laut einer Metaanalyse ist dieses Verfahren jedoch erst bei mittelschwerer und schwerer Pankreasinsuffizienz aussagekräftig (5, 6).
Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig, um mit einer gezielten Behandlung Folgeschäden zu vermeiden. Essenziell ist die Enzymsubstitution. Eingesetzt wird Pankreatin (Pankreaspulver), das die exkretorischen Pankreasenzyme Lipase, α-Amylase, Trypsin, Chymotrypsin und andere Enzyme sowie weitere Begleitstoffe enthält. Die Gabe ist bei Patienten mit Steatorrhö angezeigt, die mehr als 15 g Stuhlfette pro Tag ausscheiden. Eine weitere Indikation sind eine pathologische Stuhlfettausscheidung (7 bis 15 g/d) und abdominelle Symptome, die wie Gewichtsverlust und Dyspepsie auf eine Maldigestion und Malabsorption zurückgehen.
Pankreatin verbessert die Fettabsorption und damit die Ernährungssituation und vermindert zugleich abdominelle Schmerzen. Die Enzympräparate sind nicht verschreibungspflichtig, aber gemäß Anlage I zum Abschnitt F der Arzneimittel-Richtlinie (OTC-Übersicht) in bestimmten Fällen erstattungsfähig, zum Beispiel bei Patienten mit chronischer exokriner Pankreasinsuffizienz oder zystischer Fibrose (7).
Bei der Mukoviszidose leidet nicht nur die Lunge, sondern auch das Pankreas unter den zähflüssigen Sekreten. Betroffene brauchen lebenslang eine Therapie der Pankreasinsuffizienz. / Foto: Adobe Stock/HENADZY
Bei der Beratung sollte das Apothekenteam erklären, dass die Präparate während der Mahlzeit einzunehmen sind. Bei mehr als einer Kapsel/Tablette pro Mahlzeit kann ein Teil der Dosis zu Beginn und der Rest verteilt während des Essens geschluckt werden (8). Patienten mit funktionierender Magensäuresekretion benötigen ein Mittel mit Säureschutz. »Verdauungsenzyme werden durch den sauren Magensaft inaktiv. Reicht die Bicarbonat-Sekretion im Pankreas nicht mehr aus, um den Magensaft im Zwölffingerdarm zu neutralisieren, kann ein zusätzlich gegebener Protonenpumpeninhibitor (PPI) die Wirkung der Enzymsubstitution verstärken«, erklärt Beyer.
Weiterhin ist wichtig, dass sich das Pankreatin mit dem Chymus gut durchmischt und zeitgleich in das Duodenum entleert wird. Dafür sollten die säuregeschützten Partikel einen Durchmesser von maximal 2 mm haben (9).
Die Dosis ist so zu wählen, dass die enzymatische Lipase-Aktivität ausreicht, um die Mahlzeit zu verdauen. »Dosiert wird vor allem nach Wirkung und weniger nach Fettgehalt der Speise, da die Funktionsreserve beim individuellen Patienten letztlich unklar bleibt«, sagt der Arzt.
Die Autoren der S3-Leitlinie Pankreatitis aus 2021 empfehlen, pro Hauptmahlzeit 40.000 bis 50.000 Ph.Eur.-Einheiten als Einstiegsdosis zu verabreichen, für kleinere Zwischenmahlzeiten etwa die Hälfte. Bei unzureichender Wirksamkeit soll die Enzymdosis verdoppelt, gegebenenfalls verdreifacht werden. Eine vollständige Normalisierung der Nährstoffaufnahme lasse sich dennoch meist nicht erreichen. Bei sehr hohen Enzymdosen (> 10.000 bis 20.000 Einheiten Lipase/kg Körpergewicht/Tag) bestehen Sicherheitsbedenken.
Wirkt das Präparat trotz Dosiserhöhung nicht ausreichend, kann das Apothekenteam eine Nachschulung anbieten und die Einnahme noch einmal genau erklären. Sind Patienten weiterhin therapierefraktär, liegen womöglich andere Ursachen für Malabsorption und abdominelle Beschwerden und/oder mangelnde Adhärenz vor (5, 8).
Präparate mit Pankreasenzymen müssen immer zur Mahlzeit eingenommen werden. / Foto: Adobe Stock/Felipe Caparrós
Die Enzympräparate werden aus Schweinepankreas gewonnen. Bei religiösen oder weltanschaulichen Vorbehalten helfe oft ein klärendes Gespräch über den gesicherten medizinischen Nutzen der Behandlung und die schwerwiegenden Folgen einer unbehandelten Insuffizienz, berichtet Beyer, der einer der beiden Hauptautoren der S3-Leitlinie ist. Manchmal sei es wichtig zu betonen, dass Pankreasenzyme keine Nahrungsergänzungsmittel, sondern »richtige« Medikamente sind, die auch verordnungsfähig zulasten der GKV sind.
Produkte von Rindern wären zwar theoretisch eine Alternative, weisen aber eine zu geringe Lipaseaktivität auf. Ebenfalls eine untergeordnete Rolle in der Versorgung spielen bislang Präparate mit fungalen Enzymen (Rhizopus oryzae, Aspergillus oryzae). Diese haben weniger günstige biochemische Eigenschaften. Zukünftig könnten möglicherweise bakterielle Enzyme und gentechnologisch hergestellte humane Lipase eine Option sein (8).
Eine weitere Säule bei einer EPI ist die Optimierung der Ernährung. »Ziel der Enzymsubstitution ist es, dass sich die Patienten wieder normal und vor allem vollwertig ernähren können. Schonkost und fettarme Diäten leisten Mangelernährung und Kachexie Vorschub«, sagt Beyer.
Die Diät sollte sämtliche Hauptnährstoffgruppen und Vitamine abdecken. Empfohlen wird eine isokalorische Kost. Der Tagesbedarf kann auf vier bis sechs kleinere Mahlzeiten aufgeteilt werden, um die Verdauung zu erleichtern. Eine fettarme Diät ist nur dann erforderlich, wenn trotz adäquater oraler Enzymsubstitution subjektiv belastende Symptome einer Fettmaldigestion auftreten. Bei fortgeschrittener exokriner Insuffizienz kann eine enterale oder parenterale Ernährung erforderlich werden.
Das Apothekenteam kann die Therapie unterstützen, indem es an wichtige Verhaltensmaßnahmen erinnert. Dazu gehört der Verzicht auf Alkohol. Um ein Defizit an Vitaminen und Spurenelementen auszugleichen, können Nahrungsergänzungsmittel helfen. Erwachsene sollen in erster Linie nach klinischen Mangelsymptomen substituieren. Bei Kindern sollte laut Leitlinie die Indikation zur Substitution großzügig gestellt werden, um Gedeihstörungen zu verhindern (8).
Als Ursache einer EPI wurden Entzündungen der Bauchspeicheldrüse bereits genannt. Die akute Pankreatitis (AP) ist eine der häufigsten nicht-malignen gastroenterologischen Krankheiten und verzeichnet eine steigende Inzidenz. In Deutschland erkranken jährlich zwischen 13 und 43 von 100.000 Menschen. Bei bis zu 80 Prozent der Patienten verläuft die Erkrankung mild. Eine schwere Form mit anhaltendem Organversagen führt jedoch bei der Hälfte der Betroffenen zum Tod (8, 10). Bis zu ein Drittel der Patienten entwickelt eine chronische Pankreatitis (CP).
Die Ätiologie der Pankreatitis ist multifaktoriell. Auf Bevölkerungsebene ist Tabakrauchen laut Beyer der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung gutartiger wie bösartiger Bauchspeicheldrüsenerkrankungen. Je nach Erkrankung sei das Risiko gegenüber Nichtrauchern etwa verdoppelt, erhöhe sich aber drastisch, wenn weitere Risikofaktoren wie regelmäßiger Alkoholkonsum hinzukommen. »Das Risiko für die Entwicklung einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung nach erstmaliger akuter Episode bei Menschen, die weiter rauchen und trinken, liegt mehr als fünfmal höher als bei denen, die den schädlichen Konsum einstellen.«
Ein weiterer wichtiger Risikofaktor für eine akute Pankreatitis sind Gallensteine. Sie können in den gemeinsamen Ausführungsgang von Galle und Pankreas wandern und dabei vorübergehend die Pankreassekretion blockieren.
Bei akuten und chronischen Formen spielen auch metabolische Erkrankungen wie Fettstoffwechselstörungen, zum Beispiel Hypertriglyzeridämie, oder eine Nebenschilddrüsenüberfunktion sowie anatomische Fehlbildungen eine Rolle. Auch eine genetische Disposition kann vorliegen (8, 11). Bei der Pharmakotherapie ist daran zu denken, dass einige Arzneistoffe pankreastoxisch wirken können (Tabelle 2). Bei vorbelasteten Patienten sollte möglichst immer auf Alternativen ausgewichen werden (8).
Arzneimittelgruppen und Wirkorte | Wirkstoffe |
---|---|
kardiovaskulär wirksame Substanzen | Alpha-MethyldopaEnalapril, LosartanHydrochlorothiazid, FurosemidBezafibratPravastatin, SimvastatinAmiodaron |
gastrointestinal wirksame Substanzen | Mesalazin/OlsalazinCimetidinOmeprazol |
Antidiabetika | Inkretin-Mimetika (GLP1-Rezeptoragonisten)* |
Hormone und hormonell wirksame Stoffe | Carbimazol EstrogeneClomiphenDexamethason, Hydrocortison |
Psychopharmaka und Antikonvulsiva | PyritinolValproinsäure, Carbamazepin |
Antiphlogistika | Naproxen, Diclofenac |
Retinoide | systemische Retinoide |
Antiinfektiva und antiparasitäre Mittel | IsoniazidMetronidazolErythromycinSulfmethoxazol/Trimethoprim TetracyclineLamivudin, Pentamidin |
antineoplastische und immunmodulierende Stoffe | CisplatinAzathioprinCytarabinIfosfamid6-Mercaptopurin |
sonstige | Opioide, Cannabis |
*) In der S3-Leitlinie Pankreatitis vom September 2021 erklären die Autoren, dass »keine ausreichende Evidenz für ein erhöhtes Pankreatitis-Risiko durch Einnahme der GLP1-Agonisten Exenatid und Liraglutid« existiere. Berichte von Pankreatitiden nach Markteinführung der Substanzen führten jedoch dazu, dass die Nebenwirkung »Pankreatitis« in die Produktinformationen aufgenommen wurde.
Auch bei Pankreatitiden ist eine frühzeitige Diagnose wichtig. Die Symptome sind bei allen Pankreaserkrankungen jedoch unspezifisch und können lediglich Hinweise geben.
Heftige Bauchschmerzen, die gürtelförmig in den Rücken ausstrahlen, Durchfälle und Übelkeit können eine akute Pankreatitis anzeigen. / Foto: Adobe Stock/zinkevych
Warnzeichen können zum Beispiel starke Bauchschmerzen sein, die gürtelförmig in den Rücken ausstrahlen. »Die Schmerzen sind häufig so schlimm, dass sich Patienten deswegen beim Arzt oder im Krankenhaus vorstellen. Hier sollten diese Symptome gleich an eine Pankreatitis denken lassen beziehungsweise sollten die Ärzte diese unbedingt ausschließen können«, berichtet Beyer. Weitere häufige Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, fettige Durchfälle, Diabetes mellitus sowie Beschwerden, die einer Gelbsucht ähneln. Bei der akuten Form können die Enzymwerte (Lipase oder Amylase) im Blut bis auf das Dreifache ansteigen. Bildgebende Verfahren liefern weitere Hinweise und können etwaige Nekrosen sowie deren Ausmaß sichtbar machen.
Die Diagnose einer akuten Pankreatitis stellen Ärzte in der Regel dann, wenn mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt sind: typische Abdominalschmerzen, Erhöhung der Serum-Lipase sowie charakteristische bildmorphologische Befunde (8, 10, 11).
Es gibt keine Blutwerte, die auf eine chronische Entzündung hinweisen. Die Bedeutung von bildgebenden Verfahren ist umso größer. Spätfolgen und Komplikationen wie endokrine oder exokrine Funktionsstörungen lassen sich allerdings mit Markern, zu denen Blutzucker und HbA1c sowie Elastase im Stuhl zählen, nachweisen (11).
Eine Pankreastransplantation ist eine seltene Therapiemaßnahme bei Menschen mit Typ-1-Diabetes und noch seltener bei Menschen mit schweren Organverletzungen im Bauchraum. 2021 gab es in Deutschland 65 Operationen. Bei Diabetespatienten transplantieren Ärzte meistens das Pankreas zusammen mit einer Niere.
Bei einer Pankreastransplantation handelt es sich in der Regel nicht um einen lebensrettenden Eingriff. Die Maßnahme verbessert vielmehr die Lebensqualität der Betroffenen und soll durch eine wiedererlangte körpereigene Insulinproduktion Folgeschäden des Diabetes vermeiden. Eine alleinige Übertragung von Inselzellen ist nur bei einer kleinen und sehr speziellen Gruppe von Patienten mit Typ-1-Diabetes indiziert. Bislang findet die Therapie nur selten und überwiegend im Rahmen von Forschungsprojekten statt.
Literatur: 22, 23
Eine kausale Heilung gibt es nicht. Die Behandlung dient der Symptombekämpfung und soll Folgeschäden vermeiden oder reduzieren.
Bei der AP stehen Analgesie, der Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten sowie die Abwendung eines (Multi-)Organversagens im Fokus. Die kontrollierte Volumentherapie beginnt unmittelbar nach Diagnosestellung, in der Regel initial mit Ringer-Laktat-Lösung. Sie ist wichtig, um Flüssigkeitsverluste, zum Beispiel infolge von paralytischem Ileus oder Erbrechen, beziehungsweise eine reduzierte Flüssigkeitsaufnahme auszugleichen.
Bei starken Schmerzen ist laut Pankreatitis-Leitlinie eine Therapie mit Opioiden angezeigt. Opioide können allerdings den paralytischen Ileus verstärken. Da diese Nebenwirkung bei Buprenorphin und Pethidin nicht so stark ausgeprägt ist, sollten diese bevorzugt eingesetzt werden. Für Patienten auf der Intensivstation ist die Periduralanästhesie eine Option (8).
Bei schwerem akuten Verlauf können die Bauchspeicheldrüse und benachbarte Organe im Bauchraum nekrotisieren. Unbehandelt können die Organe versagen. Bei bakteriell infizierten Nekrosen ist eine schnelle und zielgerichtete Antibiose erforderlich, um eine Sepsis zu verhindern (8, 11). Eine generelle antibiotische Prophylaxe empfehlen die Leitlinienautoren allerdings nicht. Es gebe Hinweise, dass Probiotika infektiöse Komplikationen vermeiden könnten, allerdings sei die Datenlage noch sehr dünn (8).
Die rezidivierenden Entzündungsschübe bei der chronischen Form führen dazu, dass das Pankreasparenchym allmählich durch fibrotisches Bindegewebe ersetzt wird. Ein fortschreitender Verlust der exokrinen und endokrinen Funktionen ist die Folge, was Diabetes mellitus und Verdauungsstörungen auslöst.
Charakteristische Komplikationen sind Pseudozysten, Pankreasgangstenosen, Kompression der Gallenwege, Mangelernährung oder ein Schmerzsyndrom. Das Risiko für zerebrovaskuläre Erkrankungen, Nieren- oder Lungenerkrankungen sowie Magen- und Duodenalulzera steigt. Die CP erhöht zudem das Risiko für ein Pankreaskarzinom um das 16-Fache, bei Rauchern sogar um das 25-Fache. Lebensqualität und Lebenserwartung sinken deutlich (8, 10, 11–13).
Die Langerhans-Inseln (rot und gelb gefärbte Zellen) sind die Hormonproduzenten der Bauchspeicheldrüse. / Foto: Getty Images/Steve Gschmeissner
Die Behandlung akuter Schübe gleicht der Therapie der AP. Zur Analgesie ist eine Schmerztherapie nach dem WHO-Stufenschema indiziert. Bei ausbleibendem Erfolg oder Komplikationen kann eine endoskopische oder chirurgische Intervention erforderlich sein.
Eine Mangelernährung kann nicht nur auf fehlende Verdauungsenzyme zurückgehen, sondern auch daran liegen, dass schmerzgeplagte Patienten oft weniger Nahrung aufnehmen. Auch fortgesetzter Alkoholkonsum sowie ein möglicherweise erhöhter Grundumsatz kommen laut Leitlinie als Ursache infrage. Damit sich der Ernährungszustand nicht weiter verschlechtert, ist eine Ernährungsberatung durch eine spezialisierte Fachkraft angezeigt.
Neoplasien des Pankreas sind besonders gefürchtet. Etwa 5 Prozent aller Tumoren der Bauchspeicheldrüse sind neuroendokrin, also aus hormonbildenden Zellen entstanden. Etwa zwei Drittel davon sind funktionell aktiv und produzieren die entsprechenden Hormone. Der häufigste hormonaktive Tumor des Pankreas ist das Insulinom (Tabelle 3).
Art des neuroendokrinen Tumors | Symptome | Mögliche therapeutische Interventionen | Kommentar |
---|---|---|---|
Insulinom, ausgehend von den Betazellen, Insulin produzierend | wiederkehrende Unterzuckerungen, oft mit neurologischen und psychiatrischen Symptomen | Therapie mit Somatostatin-Analoga (SSA), zum Beispiel Lanreotid und Ocreotid-LARzielgerichtete Therapie, zum Beispiel mit Everolimus (mTOR-Inhibitor) und Sunitinib (Tyrosinkinase-Inhibitor)bei rezidivierenden Hypoglykämien Diazoxid zur Symptomkontrolle, zusätzlich ein Diuretikum, um der sonst massiven Flüssigkeitsretention vorzubeugen | Inzidenz etwa 0,1 bis 0,4/100.000/Jahroft schwer therapierbar |
Glukagonom, ausgehend von den α-Inselzellen, Glukagon produzierend | hyperglykämische Stoffwechsellage sowie Gewichtsverlust als Folge des katabolen Stoffwechselsnekrolytisches migratorisches ErythemPellagra durch Nikotinsäuremangel | supportive Maßnahmen zur Kontrolle der diabetogenen Stoffwechsellage und der Malnutrition (zum Beispiel Substitution von Zink, Aminosäuren, essenziellen Fettsäuren) Antibiotika bei HautinfektionenSSA zur Symptomkontrolle | sehr selten |
Gastrinom, Gastrin produzierend | Ulzerationen des Magens, Duodenums und Jejunums, Diarrhö, Steatorrhö, Refluxbeschwerden | Therapie der ersten Wahl: Protonenpumpenhemmer H2-Blocker: ebenfalls effektiv, müssen aber in bis zu 10-fach erhöhter Dosierung und alle 4 bis 6 Stunden verabreicht werdenSSA zur Symptomkontrolle | Inzidenz etwa 1 bis 5/1 Million/JahrUrsache des Zollinger-Ellison-Syndroms |
Vipom (Verner-Morrison-Syndrom), vasoaktives intestinales Peptid (VIP) produzierend | Symptomenkomplex aus wässrigen Diarrhöen, Hypokaliämie und Achlorhydrie | Korrektur der Flüssigkeits- und ElektrolytdefiziteSSA zur Symptomkontrolle | sehr seltenauch als VIPom- oder WDHA-Syndrom bezeichnet |
Die verschiedenen neuroendokrinen Tumoren machen sich mit charakteristischen Symptomen bemerkbar, die von den im Überschuss produzierten pankreatischen Hormonen abhängen, und haben oft eine deutlich bessere Prognose als Tumoren des exokrinen Teils des Pankreas (Kasten). Therapeutisch ist bei allen funktionell aktiven, lokal fortgeschrittenen und/oder metastasierten neuroendokrinen Neoplasien zu prüfen, ob eine chirurgische und/oder lokal ablative, eine nuklearmedizinische und/oder chemotherapeutische Therapie günstig auf das Hypersekretionssyndrom wirkt. Weitere Behandlungsansätze sind in der Tabelle 3 aufgeführt (14, 15).
Foto: Adobe Stock/Jo Panuwat D
Das Pankreaskarzinom zählt weltweit zu den Tumoren mit der schlechtesten Prognose. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt bei nur etwa 9 Prozent. Die Krebserkrankung ist so gefährlich, weil sie lange Zeit asymptomatisch verläuft. Erst im fortgeschrittenen Stadium können sich unspezifische Beschwerden wie Rücken- und Oberbauchschmerzen, Verdauungsstörungen, Übelkeit, Appetit- und Gewichtsverlust oder ein Ikterus einstellen. Oft erfolgt die Diagnose erst, wenn bereits Metastasen vorhanden sind. Eine kurative chirurgische Therapie ist meist nicht mehr möglich.
Mögliche Optionen sind die Chemo-, Strahlen- oder Radiochemotherapie. Häufig angewendet wird das FOLFIRINOX-Schema mit den Wirkstoffen Folinsäure (Leucovorin), 5-Fluorouracil, Irinotecan und Oxaliplatin oder auch Gemcitabin plus nab-Paclitaxel (Albumin-gebundenes Paclitaxel).
Auch mit einer Immuntherapie lassen sich viele Tumoren behandeln. Beim duktalen Adenokarzinom der Bauchspeicheldrüse (PDAC) könnte eine Kombinationstherapie die Erfolgsaussichten verbessern, denn oft erkennen T-Zellen die Tumorzellen nicht oder kommen nicht an sie heran. Wissenschaftler vom Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) haben den Tyrosinkinase-Inhibitor Nintedanib und den MEK-Inhibitor Trametinib im Tiermodell kombiniert. Im Duo waren die Wirkstoffe in der Lage, die T-Zellen zur Infiltration anzuregen. Eine Anti-PD-L1-Immuntherapie konnte nun besser greifen.
Auch mit mRNA könnte möglicherweise eine Therapie zur Verfügung stehen. Die Firma Biontech präsentierte auf dem diesjährigen Meeting der ASCO (American Society for Clinical Oncology) erste Daten einer laufenden Phase-I-Studie mit dem mRNA-Impfstoff Autogene Cevumeran (BNT122, RO7198457). Dabei handelt es sich um eine individualisierte Neoantigen-spezifische Immuntherapie (iNeST). Neoantigene werden von Krebszellen produziert und unterscheiden sich von den Proteinen gesunder Zellen. Der Impfstoff Autogene Cevumeran kodiert für 20 Neoantigene. Er wird in der Studie in Kombination mit dem Anti-PD-L1-Immun-Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab und Chemotherapie bei Patienten mit chirurgisch entferntem PDAC geprüft. Die vorläufigen Ergebnisse deuten auf eine signifikante Korrelation zwischen der durch den Impfstoff ausgelösten Immunantwort und einem verzögerten Wiederauftreten des Tumors hin. Dabei erwies sich die Therapie als gut verträglich.
Literatur: 17–21
Ein häufigeres, aber recht unbekanntes Phänomen des Pankreas sind zystische Neoplasmen (pancreatic cystic neoplasms, PCN). Schätzungen zufolge sind 2 bis 45 Prozent der Allgemeinbevölkerung davon betroffen (16). Sie bereiten klinisch oft wenig Probleme. »Der Großteil der zystischen Läsionen im Pankreas sind kleine Zufallsbefunde, die keinerlei Einfluss auf die Lebensqualität oder Lebenserwartung der Betroffenen haben«, erklärt der Experte. Allerdings bestehe bei einem geringen Prozentsatz ein Entartungsrisiko. »Daher empfehlen wir bei neu diagnostizierten Läsionen eine Beratung beim Facharzt. Dieser führt eine Nutzen-Risiko-Abwägung durch und empfiehlt Maßnahmen wie eine weitere Diagnostik, Kontrollen oder auch eine Therapie.« Aufklärung, eine korrekte Diagnose und ein individuell abgestimmtes Therapiekonzept könne die Betroffenen beruhigen. Alle Interventionen an der Bauchspeicheldrüse sollten in erfahrenen Zentren erfolgen, sagt Beyer. »Zertifizierte Kliniken wie das LMU Klinikum in München bieten hierfür Spezialsprechstunden und interdisziplinäre Boards an, in denen Patientenfälle von Experten diskutiert und bewertet werden.«
Nicole Schuster studierte zwei Semester Medizin, dann Pharmazie und Germanistik in Bonn und später in Düsseldorf. Während ihres Studiums machte sie Praktika bei verschiedenen wissenschaftlichen Verlagen. Nach dem Zweiten Staatsexamen und der Approbation 2010 absolvierte Schuster ein Aufbaustudium in Geschichte der Pharmazie in Marburg und wurde 2016 mit ihrer Dissertation »Traditionelle pflanzliche Febrifuga als moderne Phytopharmaka« zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Die PZ-Leser kennen Schuster als Autorin zahlreicher Fachbeiträge.