Kleine Änderungen, große Effekte |
| Laura Rudolph |
| 17.04.2025 07:00 Uhr |
Zwei Einnahmezeitpunkte ändern – das reichte aus, um die Nachtruhe einer Hypertonie-Patientin aus einem Fallbeispiel wiederherzustellen. Außerdem konnten zwei Medikamente abgesetzt werden. / © ABDA
In dem anonymisierten Fall ging es um die 60-jährige Frau W., die bereits seit mehreren Jahren Stammpatientin in der Apotheke war, in der Finke arbeitet. Man kenne sie eigentlich als fröhliche und aufgeweckte Person, erzählte der Apotheker, doch in letzter Zeit leide sie unter starkem Harndrang und häufigem Wasserlassen, auch nachts. Dies raube ihr die Nachtruhe.
»Es stand auch der Verdacht einer Blasenentzündung im Raum, aber Antibiotika hatten der Patientin nach eigenen Angaben in der Vergangenheit nichts gebracht«, sagte Finke. Nun wollte sie ihre Medikation in der Apotheke analysieren lassen.
| Arzneistoff | morgens | mittags | abends | zur Nacht | ||
|---|---|---|---|---|---|---|
| Metoprololsuccinat 95 mg | 1 | - | - | - | ||
| Irbesartan 300 mg | 0,5 | - | 0,5 | - | ||
| L-Thyroxin 75 µg | 1 | - | - | - | ||
| Sitagliptin/Metformin 50 mg/1000 mg | - | 1 | - | - | ||
| Lercanidipin 20 mg | - | - | 1 (ca. 16 Uhr) | |||
| Indapamid 1,5 mg retard | - | - | 1 (ca. 16 Uhr) | - | ||
| Moxonidin 0,4 mg | - | - | - | 1 (bei Bedarf) | ||
| ASS 100 mg | 1 (alle 2 bis 3 Tage) | - | - | - | ||
| Citalopram 20 mg | - | - | 1 | - | ||
| Diphenhydramin 50 mg | - | - | - | 1 (bei Bedarf) | ||
Zum Beratungsgespräch brachte Frau W. – die Bluthochdruck, eine Schilddrüsenunterfunktion, Typ-2-Diabetes und seit einigen Monaten eine depressive Verstimmung hatte – neben ihrem Medikationsplan einige Werte mit:
Im Urin wurden bei ihr keine Erythrozyten oder Nitrit nachgewiesen, die Konzentration der Leukozyten betrug 21/mm3. Außerdem legte die Patientin folgende Laborwerte vor:
Nach einer Begutachtung des Medikationsplans wunderten sich viele Teilnehmer, dass Indapamid und Lercanidipin am Abend eingenommen wurden. »Auch die 16-Uhr-Zeitangabe ist etwas irreführend. Warum das so ist, schauen wir uns gleich an«, sagte Finke. Durch den diuretischen Effekt könnte Indapamid für den nächtlichen Harndrang verantwortlich sein. Auch zwei halbe Tabletten Irbesartan statt einer ganzen wurde kritisiert, ebenfalls die zu niedrige Metformin-Dosis und die Deklaration von Moxonidin als Bedarfsmedikation.
Außerdem könne die Kombination aus Citalopram und Diphenhydramin das Risiko für eine QT-Zeit-Verlängerung erhöhen. Die Apotheker stellten ebenso die Sinnhaftigkeit infrage, ASS nur alle zwei bis drei Tage einzunehmen.
Im Gespräch mit Frau W. habe sich herausgestellt, dass sie Probleme habe, die Irbesartan-Tablette zu teilen und sie deshalb manchmal auch ganz weglasse. »Mit Blick auf die Halbwertszeit würde es Sinn ergeben, einfach eine ganze Tablette am Morgen zu nehmen«, sagte der Referent. Dies würde die Compliance erhöhen und zudem einen Einnahmezeitpunkt sparen.
Was hatte es mit der Einnahme von Indapamid und Lercanidipin um 16 Uhr auf sich? Der Arzt habe die Patientin eine Uhrzeit wählen lassen, zu der sie einer regelmäßigen Tätigkeit nachgehe – als Erinnerungsstütze für die Einnahme. Frau W. entschied sich für die tägliche Kaffeezeit. »Dann verriet sie mir im Gespräch: ›Ich trinke gar nicht jeden Nachmittag Kaffee oder Tee, deswegen vergesse ich das auch manchmal.‹«
»Da die Patientin so sprunghaft mit der Einnahme ihrer Antihypertensiva ist, ist auch ihr Blutdruck nicht gut eingestellt. Da hat man ihr empfohlen, abends bei Bedarf eine Moxonidin zu nehmen. Das ist natürlich kompletter Käse. Sie wissen hier alle, dass Moxonidin kein Bedarfsmedikament ist«, stellte der Referent klar. Die ASS solle Frau W. nach Anweisung des Arztes nur alle zwei bis drei Tage nehmen, da sie sonst leicht blaue Flecken bekomme. »Sie wissen, das ist auch nicht gut geeignet«, sagte Finke. Womöglich sei eine tägliche Einnahme von ASS 75 mg sinnvoller.
Nach dem Gespräch mit dem verordnenden Arzt wurden die Einnahmezeitpunkte von Irbesartan und Lercanidipin auf den Morgen gelegt, »bei Lercanidipin eine Viertelstunde vor dem Frühstück, damit die Bioverfügbarkeit ausreichend hoch ist«, erklärte Finke. Dadurch musste die Patientin nachts nicht mehr zur Toilette und Diphenhydramin konnte abgesetzt werden. Moxonidin wurde ebenfalls gestrichen.
»Bei uns in der Apotheke laufen die Fäden zusammen. Wir sehen die Verschreibungen der verschiedenen Ärzte zusammenfließen und wir können unterstützend helfen, mit einfachen Maßnahmen einen großen Mehrwert schaffen und Lebensqualität wiederherstellen«, sagte der Referent abschließend.