Ketamin als Freizeitdroge immer beliebter |
Der Wirkstoff wird synthetisch hergestellt, erstmals 1962 in den USA bei der Suche nach einem neuen Narkosemittel. Im Vietnamkrieg wurde Ketamin an amerikanischen Soldaten erprobt und etablierte sich danach in der Human- und Tiermedizin. Wegen der psychotropen Nebenwirkungen wie Halluzinationen und Nahtoderfahrungen kommt es heutzutage kaum noch als Narkosemittel zum Einsatz, Rettungskräfte verwenden es aber als Schmerzmittel.
Als Rauschdroge wird Ketamin ebenfalls schon seit Jahrzehnten genutzt. Es wird meist als weißes Pulver geschnupft, wie Betzler erklärt. Die Wirkung hält dann ein bis zwei Stunden an. Als Partydroge wird Ketamin gerade wegen seiner euphorisierenden und dissoziativen Wirkungen genutzt, die bei Narkosemitteln unerwünscht sind.
Die Wahrnehmung der Umgebung, etwa von Farben und Geräuschen, werde bei steigender Dosis massiv verändert, erklärt Ingo Schäfer von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Typisch sei zudem ein Gefühl der Loslösung vom eigenen Körper oder einer Auflösung des Ichs, in starker Ausprägung K-Hole genannt. Auf Betrachter wirke der Zustand häufig wie Bewusstlosigkeit.
Die Nutzenden halten Ketamin oft für harmloser als es ist, meinen die Experten. Grund sei die etablierte medizinische Nutzung. »Immer wenn eine Substanz auch zu therapeutischen Zwecken verwendet wird, kann das das Problembewusstsein vermindern«, sagt Betzler. Auch Schäfer ist überzeugt: »Es besteht die Gefahr der Verharmlosung durch den therapeutischen Einsatz.«
In einer britischen Studie gab ein großer Teil der Konsumenten mit einer sogenannten Ketamin-Konsumstörung an, sich der Suchtgefahr erst bewusst geworden zu sein, als ihr Ketamin-Konsum bereits außer Kontrolle geraten war. Viele erklärten, dass die zunehmende Erprobung als therapeutisches Mittel womöglich das Missbrauchspotenzial verschleiert habe, wie es kürzlich im Fachjournal »Addiction« hieß.
Das bei weitem häufigste Konsummuster sei, Ketamin gelegentlich in der Freizeit oder bei Partys zu nehmen, sagt Schäfer, Direktor des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg. Anders als etwa bei Heroin oder Fetanyl entstehe durch Ketamin keine körperliche Abhängigkeit.
Psychisch allerdings könne das Verlangen immens sein, immer wieder zu konsumieren. »Oft geht es darum, belastenden Gefühlen zu entkommen.« Gerade weil die Substanz auch im Rahmen begleiteter Therapien verwendet werde, nutzten sie viele Menschen als Selbstmedikation bei psychischen Problemen, sagt auch Betzler. »Das schleicht sich immer mehr in den Alltag ein, weil es zum Beispiel Ängste nimmt. Häufig entsteht so eine Abhängigkeit.«
Schäfer rät Menschen, die Ketamin therapeutisch testen möchten, sich unbedingt in eine Sprechstunde zu begeben und nicht selbst herumzuprobieren. »Selber zu experimentieren, ist bei Psychedelika nie eine gute Idee.«