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Arzneimittelmissbrauch

Ketamin als Freizeitdroge immer beliebter

Die schon seit Jahrzehnten verfügbare Substanz hat in den vergangenen Jahren nicht nur in Promi-Kreisen, sondern auch in der Clubszene extrem an Beliebtheit gewonnen. Apotheken sollten auf gefälschte Rezepte achten. Die Anwendung sollte grundsätzlich nur in Arztpraxen oder Krankenhäusern erfolgen.
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Datum 12.06.2025  12:00 Uhr

Einer Studie in Berlin zufolge, die 2019 veröffentlicht wurde, war Ketamin schon vor einigen Jahren die am vierthäufigsten genutzte Clubdroge, wie Felix Betzler von der Charité in Berlin sagt. »Seither hat Ketamin noch mal an Popularität gewonnen.« Woran liegt das? Zu den Faktoren zählten leichte Verfügbarkeit, ein vergleichsweise niedriger Preis und der erzielte Effekt, erklärt Betzler, der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist.

Verstärkend wirke, dass Ketamin in der Popkultur thematisiert wird. Im Song »Special K« von Placebo, »Space Kitten« von The Polish Ambassador und »Get Ready for the K-Hole« von Kissy Sell Out zum Beispiel. Hinzu kommt der Promi-Faktor. Elon Musk erklärte, Ketamin helfe dabei, aus dunklen psychischen Löchern herauszukommen. In einem Interview erzählte er 2024, dass er etwa alle zwei Wochen eine kleine Menge Ketamin nehme. Auf einen kritischen Medienbericht hin erklärte er dann kürzlich, die Substanz seither nicht weiter genutzt zu haben.

Tatsächlich wird Ketamin in zahlreichen klinischen Studien auf seine Wirksamkeit bei Depressionen geprüft. Bereits zugelassen ist in der EU und den USA Esketamin als S-Enantiomers des Ketamins zur Notfallbehandlung therapieresistenter Depressionen, verabreicht als Nasenspray (Spravato®) unter ärztlicher Aufsicht. Dass die Substanz als Medikament und damit als sicher wahrgenommen werde, sei ein weiterer Faktor für die verstärkte Popularität, sagt Betzler.

Dürfen Ärzte Ketamin verschreiben und Apotheken es an Patienten abgeben?

Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gibt es keine Einzelfallberichte aus Deutschland zur Anwendung von Arzneimitteln als Freizeitdroge und keine EU-Verfahren zu Ketamin- und Esketamin-haltigen Arzneimitteln. Das berichtete die Behörde bei einer Routinesitzung im März, deren Protokoll vergangene Woche veröffentlicht wurde. Es gebe Medienberichte über Einzelfälle von Missbrauch Ketamin-haltiger Arzneimittel in Zusammenhang mit Verschreibung, Diebstahl, Rezeptdiebstahl und -fälschung.

Der Ketamin-Absatz in deutschen Apotheken lag demnach zwischen 2021 und 2024 schwankend zwischen 360 und 924 Packungen pro Monat. Die Hälfte der Verschreibungen waren Privatrezepte. Das BfArM lässt sich hier im Protokoll nicht auf Spekulationen ein, will aber Apotheken und Arztpraxen sensibilisieren. Die Anwendung soll nur unter ärztlicher Überwachung in Arztpraxen und Krankenhäusern erfolgen. Eine Ketamin-Verordnung und -Abgabe zur Anwendung durch den Patienten selbst ist medizinisch nicht begründet und kann Missbrauch unterstützen. Apotheken sollen bei Verdacht auf Missbrauch Rücksprache mit dem Verschreibenden halten.

Woher kommt Ketamin und welche Effekte hat es?

Der Wirkstoff wird synthetisch hergestellt, erstmals 1962 in den USA bei der Suche nach einem neuen Narkosemittel. Im Vietnamkrieg wurde Ketamin an amerikanischen Soldaten erprobt und etablierte sich danach in der Human- und Tiermedizin. Wegen der psychotropen Nebenwirkungen wie Halluzinationen und Nahtoderfahrungen kommt es heutzutage kaum noch als Narkosemittel zum Einsatz, Rettungskräfte verwenden es aber als Schmerzmittel.

Als Rauschdroge wird Ketamin ebenfalls schon seit Jahrzehnten genutzt. Es wird meist als weißes Pulver geschnupft, wie Betzler erklärt. Die Wirkung hält dann ein bis zwei Stunden an. Als Partydroge wird Ketamin gerade wegen seiner euphorisierenden und dissoziativen Wirkungen genutzt, die bei Narkosemitteln unerwünscht sind.

Die Wahrnehmung der Umgebung, etwa von Farben und Geräuschen, werde bei steigender Dosis massiv verändert, erklärt Ingo Schäfer von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Typisch sei zudem ein Gefühl der Loslösung vom eigenen Körper oder einer Auflösung des Ichs, in starker Ausprägung K-Hole genannt. Auf Betrachter wirke der Zustand häufig wie Bewusstlosigkeit.

Wie schätzen Nutzende die Gefahren ein?

Die Nutzenden halten Ketamin oft für harmloser als es ist, meinen die Experten. Grund sei die etablierte medizinische Nutzung. »Immer wenn eine Substanz auch zu therapeutischen Zwecken verwendet wird, kann das das Problembewusstsein vermindern«, sagt Betzler. Auch Schäfer ist überzeugt: »Es besteht die Gefahr der Verharmlosung durch den therapeutischen Einsatz.«

In einer britischen Studie gab ein großer Teil der Konsumenten mit einer sogenannten Ketamin-Konsumstörung an, sich der Suchtgefahr erst bewusst geworden zu sein, als ihr Ketamin-Konsum bereits außer Kontrolle geraten war. Viele erklärten, dass die zunehmende Erprobung als therapeutisches Mittel womöglich das Missbrauchspotenzial verschleiert habe, wie es kürzlich im Fachjournal »Addiction« hieß.

Wie groß ist das Suchtpotenzial von Ketamin tatsächlich?

Das bei weitem häufigste Konsummuster sei, Ketamin gelegentlich in der Freizeit oder bei Partys zu nehmen, sagt Schäfer, Direktor des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg. Anders als etwa bei Heroin oder Fetanyl entstehe durch Ketamin keine körperliche Abhängigkeit.

Psychisch allerdings könne das Verlangen immens sein, immer wieder zu konsumieren. »Oft geht es darum, belastenden Gefühlen zu entkommen.« Gerade weil die Substanz auch im Rahmen begleiteter Therapien verwendet werde, nutzten sie viele Menschen als Selbstmedikation bei psychischen Problemen, sagt auch Betzler. »Das schleicht sich immer mehr in den Alltag ein, weil es zum Beispiel Ängste nimmt. Häufig entsteht so eine Abhängigkeit.«

Schäfer rät Menschen, die Ketamin therapeutisch testen möchten, sich unbedingt in eine Sprechstunde zu begeben und nicht selbst herumzuprobieren. »Selber zu experimentieren, ist bei Psychedelika nie eine gute Idee.«

Was sind die akuten Gefahren bei Ketamin-Anwendung?

Im Rauschzustand könne die Droge zu impulsiverem Verhalten führen. Urteilsvermögen und Selbstkontrolle werden vermindert, die Risikobereitschaft erhöht – mit aggressiven Auseinandersetzungen oder Unfällen als mögliche Folgen. Gerade bei Mischkonsum mit anderen Drogen sind über den Einfluss auf das Atemzentrum lebensbedrohliche Zustände wie Atemstillstand oder Bewusstlosigkeit möglich.

Zur akuten Gefahr kann auch die zeitweise stark eingeschränkte Bewegungsfähigkeit werden. »Man kann bis zu sechs Stunden lang weitgehend bewegungsunfähig sein«, erklärt Schäfer. Badewanne und Ketamin-Konsum seien deshalb keine gute Kombi: Der aus der Serie »Friends« bekannte US-Schauspieler Matthew Perry hatte bei seinem einsamen Tod im Whirlpool im Oktober 2023 eine hohe Ketamin-Konzentration im Blut.

Welche Folgen hat langfristiger Ketamin-Konsum?

Ketamin-Abhängigkeit ist mit einem hohen Maß an körperlichen Gesundheitsproblemen und psychischen Folgen verbunden, wie das Team um Celia Morgan von der Universität Exeter in »Addiction« erläutert. Die einbezogenen 274 Menschen hatten demnach im Mittel zwei Gramm Ketamin pro Tag konsumiert. Bei 60 Prozent traten Blasen- oder Nasenprobleme auf. Ähnlich viele berichteten über Bauchkrämpfe. die die Betroffenen häufig dazu veranlassten, erneut zur Droge zu greifen, um die Schmerzen zu lindern.

Typisch für anhaltenden Ketamin-Missbrauch ist demnach die sogenannte Ketamin-Blase: Die Substanz zerstört die Blasenwand, was zu Inkontinenz und im Extremfall dazu führen kann, dass die Blase entfernt und der Urin in Beuteln aufgefangen werden muss. Eine Ketamin-Blase könne schon nach wenigen Wochen starken Konsums entstehen, sagt Betzler.

Längerfristig drohten zudem erhebliche kognitive Beeinträchtigungen wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, ergänzt Schäfer. Vor allem bei Menschen mit entsprechender Veranlagung könnten zudem depressive Symptome verstärkt oder Psychosen ausgelöst werden.

Was weiß man über Ketamin-Konsum bei Jugendlichen?

»Ketamin ist keine harmlose Droge«, betont Schäfer. »Auch Langzeitkonsum allein zum Freizeitvergnügen ist schon hochriskant.« Das gelte noch einmal stärker für junge Menschen, bei denen die Hirnreifung noch nicht abgeschlossen sei.

Mehr Aufklärung ist nötig – auch, weil die Zahl junger Konsumenten wohl zunimmt: Nach seinem Eindruck verjünge sich der Nutzerkreis seit einiger Zeit, sagt Betzler. Früher sei Ketamin vorwiegend ab etwa Mitte 20 konsumiert worden, wie seine Studie zeigte. Heute sei das vermutlich oft weitaus früher der Fall. Belastbare aktuelle Zahlen dazu gebe es bisher nicht.

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