Keine Tastuntersuchung mehr zur Früherkennung |
Brigitte M. Gensthaler |
11.04.2025 15:00 Uhr |
Das Prostatakarzinom ist in Deutschland der mit Abstand häufigste bösartige Tumor des Mannes, aber viele Männer spüren nichts davon. In der aktualisierten Leitlinie wird daher ein neues Konzept zur Früherkennung und Risikoeinteilung vorgestellt. / © Adobe Stock/SciePro
Die interdisziplinäre S3-Leitlinie Prostatakarzinom wurde kürzlich als Konsultationsfassung veröffentlicht. Sie enthalte weitreichende Neuerungen, vor allem bei der Früherkennung und Diagnostik sowie für das lokalisierte Prostatakarzinom, meldet die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU), die federführend an der Überarbeitung beteiligt war.
Im komplett überarbeiteten Kapitel zur Früherkennung weisen die Autoren ausdrücklich daraufhin, dass Prostatakrebs durch eine Früherkennung nicht zu verhindern ist, es also keine »Vorsorge« gibt. Vielmehr sollen aggressive Karzinome so früh erkannt und behandelt werden, dass keine Metastasen entstehen, die Erkrankung nicht zum Tod führt und keine stark belastenden Behandlungen wie eine Hormonentzugstherapie nötig sind.
Neu ist vor allem die Empfehlung, dass zur Früherkennung keine digital-rektale Untersuchung erfolgen soll. Wenn Männer (ab 45 Jahren) nach einer Beratung eine Untersuchung wünschen, soll der Arzt ihnen die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigen (PSA) anbieten. Dieser Wert ermögliche eine Risikoabschätzung.
Je nach Höhe des PSA-Werts ergibt sich eine risikoadaptierte Strategie zur Krebsfrüherkennung mit fünfjährlichen Intervallen bei einem PSA-Wert ≤ 1,5 ng/ml, zweijährlichen Intervallen bei PSA 1,5 bis 2,99 ng/ml sowie weiterer Diagnostik bei PSA ≥ 3 ng/ml. Dieser Wert soll innerhalb von drei Monaten kontrolliert werden.
Ist der PSA-Wert dann weiterhin erhöht, folgen eine Untersuchung beim Urologen sowie gegebenenfalls eine Magnetresonanztomografie (MRT) der Prostata. »Bei unauffälligem MRT-Befund soll keine Biopsie durchgeführt werden«, erklärt DGU-Leitlinienkoordinator Professor Dr. Marc-Oliver Grimm. Dadurch würden weniger nicht behandlungsbedürftige Karzinome nachgewiesen.
Die DGU sieht in der Empfehlung einen weiteren Vorteil. Dies sei ein »entscheidender Schritt für die Etablierung eines organisierten risikoadaptierten PSA-basierten Prostatakarzinom-Früherkennungsprogramms als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen«.
Da das PSA-basierte Screening in der Literatur weiterhin umstritten ist, legen die Leitlinienautoren seine Vor- und Nachteile explizit dar. Einerseits würden dadurch die Sterblichkeit am Prostatakarzinom, die Metastasierung und die Häufigkeit von Früherkennungsuntersuchungen reduziert. Andererseits seien die psychologische Belastung der Männer bei früh erkannten, aber nicht lebensbedrohlichen Tumoren, eine mögliche Überdiagnose (bei circa 14 Männern, um einen Todesfall zu vermeiden) und eine Übertherapie von nicht lebensbedrohlichen Tumoren zu beachten. Falsch positive und falsch negative Befunde kämen ebenfalls vor.
Bei Männern mit familiärer Belastung oder genetischen Risikofaktoren gelten spezielle Empfehlungen zur Früherkennung.