Keine Sozialabgaben für Vertretungsapotheker |
Ev Tebroke |
07.09.2020 15:00 Uhr |
Vertretungsapotheker springen bei unterschiedlichen Arbeitgebern ein und gelten nach einem aktuellen Urteil als Selbstständige. / Foto: Colourbox
Sind Vertretungsapotheker freie Mitarbeiter? Oder sind sie als Beschäftigte in einem befristeten Angestelltenverhältnis anzusehen und damit sozialversicherungspflichtig? Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hat hier jetzt ein Grundsatzurteil gesprochen. Damit gibt es nun seit 60 Jahren erstmals wieder eine klare Entscheidung in dieser Frage. Zuletzt hatte das Bundessozialgericht (BSG) am 27. Mai 1959 darüber befunden, dass Vertretungen von Ärzten als selbstständig anzusehen sind (3 RK 18/55).
Diesmal ging es konkret um eine Klage gegen die Zahlung von Sozialabgaben für eine Vertretung in der Apotheke durch eine Kollegin: Apothekerin Claudia Witte, Inhaberin einer Apotheke im westfälischen Oerlinghausen, hatte 2009 nach Übernahme der Offizin zeitweise eine Urlaubsvertretung engagiert. Im Jahr 2014 erhielt Witte dann Post von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Diese forderte die Nachzahlung der Sozialabgaben für die Vertretungen sowie Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 1200 Euro. Denn aus Sicht der DRV handelt es sich bei Vertretungsapothekern um Angestellte mit befristetem Arbeitsverhältnis. Witte sah dies nicht ein und klagte vor dem Sozialgericht Detmold – jedoch ohne Erfolg: Das Sozialgericht entsprach der Rechtsauffassung der Rentenversicherung und verpflichtete die Apothekeninhaberin mit dem Urteil vom 23. November 2017 zur Zahlung der Sozialabgaben für ihre Vertretungen.
Witte legte Berufung ein. Und diesmal war sie erfolgreich: Das Landessozialgericht NRW wertet den Sachverhalt eindeutig zu ihren Gunsten. Demnach sind Vertretungsapotheker als selbstständig anzusehen, weil nicht weisungsgebunden. Auch verhandeln sie ihr Honorar bei jedem Arbeitgeber erneut und individuell. Damit sind sie laut LSG nicht sozialversicherungspflichtig. Das Urteil in der Sache erging bereits am 10. Juni 2020. Heute gab das Gericht die Urteilsgründe bekannt.
Dort heißt es: Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setze eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vor diesem Hintergrund ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Apothekenvertretung selbstständig tätig war. »Ein für die Statusfeststellung bedeutsames Weisungsrecht der Klägerin liegt nicht vor«, so die Argumentation des LSG. Die Vertretung habe ihre Tätigkeit »vielmehr im Wesentlichen frei gestalten« können. Dem stünden die sich für die Apothekenvertretung gesetzlich ergebenden Bindungen nicht entgegen.
Apothekerin Witte freut sich nach eigenen Angaben sehr über diese Klarstellung. »Ich bin sehr froh, dass es nun Rechtssicherheit gibt«, sagte sie gegenüber der PZ. Sie hoffe, dass dies nun auch anderen Kollegen weiterhilft.