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Gewichtsreduktion

Keine Diät ohne Muskelverlust

Das Fett muss weg, doch die Muskelmasse soll bleiben – aus optischen und gesundheitlichen Gründen. Doch so funktioniert Gewichtsreduktion nicht. Wie lässt sich die Körperzusammensetzung verbessern?
Christina Hohmann-Jeddi
02.06.2025  18:00 Uhr

Die Therapie der Adipositas hat sich seit der Einführung der Inkretinmimetika stark gewandelt. Zukünftig werden neben dem reinen Gewichtsverlust auch die Fettverteilung und die Körperzusammensetzung eine wichtige Rolle spielen. Denn: »Für die metabolische Gesundheit eines Menschen ist die Fettverteilung im Körper wichtiger als die Fettmenge«, machte Professor Dr. Matthias Blüher von der Universität Leipzig bei einem INdustriesymposium im Rahmen des Diabeteskongresses deutlich, der Ende Mai in Berlin stattfand.

Das sehe man zum Beispiel am Zusammenhang zwischen Body-Mass-Index (BM)I und Insulinsensitivität. Generell hätten Menschen mit niedrigem BMI eine gute Insulinsensitivität, während diese bei steigendem BMI abnehme. Es gebe aber Ausreißer. So wiesen Menschen mit Lipodystrophie bei normalem BMI zum Teil eine extreme Insulinresistenz, Fettleber und Hypertriglyceridämie auf. Der Grund: Sie haben kaum Unterhautfettgewebe und speichern überschüssige Nahrungsenergie als viszerales Fett.

Dagegen hätten manche Menschen mit einem BMI von fast 50, die in seine Sprechstunde kommen, eine erhaltene Insulinsensitivität, weil sie die Nahrungsenergie dort abspeicherten, »wo es sicher ist«, berichtete der Direktor des Helmholtz-Instituts für Metabolismus-, Adipositas- und Gefäßforschung (HI-MAG). Dies sei subkutan an der Hüfte, am Gesäß oder an den Oberschenkeln.

Was macht den Unterschied aus? Unterhautfettgewebe ist metabolisch unproblematisch. Das Fettgewebe um die Organe, das viszerale Fett, produziert dagegen entzündungsfördernde Stoffe und Hormone, die den Stoffwechsel stören und schließlich zu Krankheiten führen können. Hinzu komme, dass Menschen mit metabolisch gesunder Adipositas häufiger auch eine erhaltene Muskelmasse und eine gute Fitness hätten, so Blüher.

Neue Definition berücksichtigt Krankheitslast und Fettverteilung

Bei einem hohen BMI müsse daher stärker differenziert werden. Eine neue Definition der Adipositas, die jetzt von einer Expertenkommission im Fachjournal »The Lancet« vorgeschlagen wurde, berücksichtige dies. So solle in die Diagnose Adipositas zusätzlich zum BMI mindestens ein weiterer Faktor eingehen, der die Fettverteilung abschätzt (siehe Kasten), sowie die Krankheitslast.

Von einer Gewichtsreduktion profitierten alle mit überschüssigem Bauchfett. Unberücksichtigt bleibe bei der Gewichtsreduktion aber die Körperzusammensetzung, so Blüher. Für den Gesundheitszustand wäre eine Abnahme der Fettmasse und ein Erhalt der Muskelmasse und des Grundumsatzes wünschenswert. Das gelinge aber nicht mit einer einfachen Therapie, sondern nur mit Kombinationen.

Hälfte des verlorenen Gewichts: Muskeln und Bindegewebe

Mit entsprechenden multimodalen Programmen könnten Patienten gut abnehmen. Ein Problem bestehe aber nach der Interventionsphase, wie der Adipositasforscher anhand einer Studie zeigte, die Teilnehmende der Fernsehshow »The Biggest Loser« über sechs Jahre beobachtete. Diese hatten zwar in der Sendung im Durchschnitt 58 kg abgenommen, in den Folgejahren aber mehrheitlich wieder bis zum Ausgangsgewicht zugelegt – obwohl sie die Kalorienaufnahme noch weiter reduziert hatten. Der Grund: Durch die Intervention war der Grundumsatz deutlich gesunken (»Obesity« 2016, DOI: 10.1002/oby.21538).

Der Körper reagiere sehr schnell mit metabolischen Veränderungen auf hypokalorische Diät, so Blüher. »Das Hauptproblem bei gewichtsreduzierenden Maßnahmen ist, dass die Körperzusammensetzung nicht so beeinflusst werden kann, dass die Muskelmasse erhalten bleibt.« Mit der Muskelmasse sinke der Grundumsatz. In einer Untersuchung aus Großbritannien war bei verschiedenen Formen von Intervallfasten fast die Hälfte des abgenommenen Gewichts Magermasse, also Muskel- und Bindegewebe. Eine einfache hypokalorische Diät ohne größere Pausen schnitt etwas besser ab.

Bei einer Therapie mit Inkretinmimetika liege der Muskelmasseverlust auf dem gleichen Niveau wie bei einer Ernährungsumstellung – etwa ein Viertel bis die Hälfte der Gewichtsreduktion gehe auf verlorene Muskelmasse zurück. Blüher zitierte eine Untersuchung, in der die Gewichtsreduktion unter Tirzepatid zu etwa 75 Prozent auf verlorene Fettmasse und zu 25 Prozent auf verlorene Magermasse zurückging (»Diabetes, Obesity and Metabolism« 2025, DOI: 10.1111/dom.16275).

Mit Sport und Protein Muskel erhalten

Verhindern lasse sich ein Muskelmasseverlust bei einer Gewichtsreduktion mit einem begleitenden Sportprogramm. Er stellte eine Vergleichsstudie vor, bei der Probanden entweder durch ein Sportprogramm, den GLP-1-Rezeptoragonisten Liraglutid oder eine Kombination aus beidem abnehmen sollten (»New England Journal of Medicine« 2021, DOI: 10.1056/NEJMoa2028198). In der Sportgruppe fiel die Gewichtsreduktion zwar geringer aus als in den anderen beiden Gruppen, dafür wurde die Körperzusammensetzung positiv verändert. Der stärkste Fettmasseverlust war unter Liraglutid plus Sport zu beobachten, wobei in dieser Gruppe die Muskelmasse gut erhalten werden konnte.

Bei einem Bewegungsprogramm unter gewichtsreduzierender Therapie sollten Ausdauer und Koordination trainiert werden, sagte Blüher. Laut Leitlinie sollten es mindestens fünfmal pro Woche eine Stunde Bewegung sein. Außerdem ist auf den Proteingehalt der Nahrung zu achten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Proteinzufuhr von 0,8 g/kg Körpergewicht für Erwachsene. Wer Diät macht, könnte von einer erhöhten Proteinaufnahme profitieren. Dies legt eine Studie aus den USA nahe, in der die Probanden unter einer hypokalorischen Diät unabhängig vom Proteinanteil der Nahrung gleich viel Körpergewicht verloren. Der Anteil des Gewichtsverlusts, der auf die Verringerung der fettfreien Masse zurückging, war aber bei Probanden, die mehr als die empfohlenen 0,8 g/kg Protein zu sich nahmen, geringer.

Pharmakologie statt Sport

Es seien auch Substanzen in der Entwicklung, die den Muskel stimulieren und dem Muskelabbau entgegenwirken sollen, berichtete Blüher. Der Antikörper Bimagrumab (BYM338) werde bereits in einer Phase-II-Studie getestet. Der von Novartis entwickelte Antikörper blockiert den Activin Typ II-Rezeptor (ActRII) aus der Familie der TGF-β-Rezeptoren. Die Blockade des Rezeptors stimuliert das Wachstum der Skelettmuskulatur und scheint zudem den Verlust von Fettgewebe zu fördern und die Insulinresistenz zu verbessern.

In einer ersten Untersuchung mit adipösen Typ-2-Diabetikern sank die Körperfettmasse unter Bimagrumab im Vergleich zum Ausgangswert um 20,5 Prozent; Körpergewicht und Taillenumfang reduzierten sich, während die fettfreie Körpermasse anstieg. »Der Antikörper erfüllt die Erwartungen.« Auch andere Firmen arbeiten an Wirkstoffen, die den Muskelabbau reduzieren sollen und sich als mögliche Kombinationspartner für Inkretine wie Tirzepatid oder Semaglutid eignen

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