Kein Vorteil bei chirurgischer Endokarditis-Behandlung |
Theo Dingermann |
23.03.2022 16:00 Uhr |
Bei einer Herzoperation zur Behandlung einer infektiösen Endokarditis scheint eine Hämoadsorption keinen klinisch relevanten Nutzen zu haben. / Foto: Adobe Stock/Santiago Nunez
Durch die massive Ausschüttung von Zytokinen im Rahmen eines »Zytokinsturms« können Patienten in eine lebensbedrohliche Situation geraten. Dies kann beispielsweise bei der Behandlung einer Sepsis, bei schweren Covid-19-Verläufen und auch bei einer operativen Intervention zur Behandlung einer Endokarditis eintreten. Um die Entzündungsmediatoren durch einen Filterungsprozess ähnlich wie bei der Dialyse aus dem Blut zu entfernen, wird in der Intensivmedizin immer wieder die Hämoadsorption eingesetzt. Ziel ist es, die Immunreaktion des Körpers, die Gewebe und Organe schädigt, besser zu kontrollieren.
In einer kontrollierten Multicenterstudie, der sogenannten REMOVE-Studie, die kürzlich in »Circulation« publiziert wurde, untersuchten Privatdozent Dr. Mahmoud Diab von der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Jena und Kollegen nun den Nutzen einer Hämoadsorption während einer Herzoperation, die aufgrund einer infektiösen Endokarditis erforderlich war. Die Studie sollte erstmals nicht nur untersuchen, inwieweit die Hämoadsorption Entzündungsmediatoren im Blut reduzieren kann, sondern auch, welche klinischen Auswirkungen dies mit sich bringt. Dadurch sollte die Evidenzlücke hinsichtlich des klinischen Nutzens dieser Intervention geschlossen werden.
Das Team nahm insgesamt 282 Patienten in 14 herzchirurgischen Zentren in Deutschland auf, die wegen einer Endokarditis operiert wurden. Diese wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhielt die Hämoadsorption während der Operation, die andere Gruppe diente als Kontrollgruppe. Zwar wurde auch die Zytokinkonzentration im Blut vor, während und nach der Operation gemessen, das Hauptaugenmerk der Forscher lag jedoch auf dem Grad der Organschädigung nach der Operation. In der Studie wurde ein Score-System verwendet, um die Funktion von sechs Organen zu bewerten. Darüber hinaus wurden Daten zur 30-Tage-Sterblichkeit und die Dauer der mechanischen Beatmung, der Blutdruckunterstützung und der Nierenersatztherapie erhoben.
Es konnte keine Verringerung der postoperativen Organdysfunktion durch eine intraoperative Hämoadsorption nachgewiesen werden. Zwar wurde die Konzentration der Plasmazytokine durch die Hämoadsorption reduziert, es resultierten daraus jedoch keine Unterschiede in einem der klinisch relevanten Endpunkte.
Die Hämoadsorption brachte weder bezüglich der Schwere des Organversagens noch bezüglich der Sterblichkeit oder der notwendigen Unterstützungsverfahren einen Vorteil. Häufige Komplikationen wie Blutungen oder akutes Nierenversagen traten in beiden Gruppen gleichermaßen auf. Etwa ein Fünftel der Studienpatienten in beiden Gruppen verstarb innerhalb eines Monats.
»Obwohl die Hämoadsorption die Plasmazytokine am Ende der Operation verringerte, gab es keinen Unterschied bei einem der klinisch relevanten Endpunkte«, äußert sich Erstautor Diab in einer Pressemitteilung der Universität Jena. Die Ergebnisse stellen daher einen direkten Zusammenhang zwischen der Senkung der Plasmazytokinwerte und der Vermeidung von Organschäden infrage.
»Die Durchführung von vergleichenden Multicenterstudien mit einem so umfassenden Protokoll stellt einen enormen Koordinationsaufwand dar. In der Herzchirurgie sind solche Studien noch recht selten«, betont Professor Dr. Torsten Doenst, Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Jena und Seniorautor der Studie. »Aber erst diese klinischen Studien ermöglichen es uns, den Patienten Therapien zukommen zu lassen, die nachweislich helfen. Wir sind stolz, dass wir mit REMOVE einen Beitrag zur evidenzbasierten Herzchirurgie leisten konnten.«
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