Pharmazeutische Zeitung online
Antibiotika für Kinder

Kaum innovative Arzneiformen

Professor Dr. Jörg Breitkreutz, Direktor des Instituts für Pharmazeutik und Biopharmazeutik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, berichtet im Interview mit der PZ von den Herausforderungen bei der Entwicklung von pädiatrischen Formulierungen.
Nicole Schuster
03.09.2023  08:00 Uhr

PZ: Viele Arzneistoffe schmecken bitter. Warum lehnt der Nachwuchs alles, was bitter schmeckt, ab?

Breitkreutz: Kleine Kinder haben eine natürliche Abneigung gegen diese Geschmacksnote. Evolutionär war das ein Vorteil. Viele giftige Naturstoffe wie Alkaloide schmecken bitter. Kinder, die diese Pflanzen nicht gegessen haben, überlebten eher und konnten die Eigenschaft weitervererben. Der Schutzmechanismus hat sogar zwei Stufen. Bitterrezeptoren befinden sich nämlich außer in der Mundschleimhaut auch in der des Magens. Werden doch mal Giftstoffe geschluckt, löst die Reaktion an den Bitterrezeptoren im Magen einen Brechreiz aus. Da sich die Expression von Bitterrezeptoren im Lauf der Zeit verändert, reagieren ältere Kinder und Erwachsene weniger empfindlich auf Bitterstoffe.

PZ: Wie kann man einen unangenehmen Antibiotika-Geschmack kaschieren?

Breitkreutz: Das Geschmacksempfinden im Mund lässt sich oft durch große Mengen süßer Substanzen, klassisch Saccharose oder Glucose, verändern. Bei bitteren Substanzen funktioniert das jedoch nur bedingt. Dann bleibt noch das Problem, dass bei einer Interaktion mit den Bitterrezeptoren im Magen-Darm-Trakt das Kind die Medizin wieder erbrechen würde.

Um den Brecheffekt zu umgehen, würde es auch reichen, wenn das Kind die bittere Arznei zusammen mit viel Nahrung aufnimmt. Das verdünnt die Konzentration an Bitterstoffen. In der Praxis funktioniert das allerdings meist nicht, da kranke Kinder in der Regel wenig Appetit haben.

PZ: Und welche technologischen Möglichkeiten stehen zur Verfügung?

Breitkreutz: Zielführender ist es, Wirkstoffpartikel mit einem indifferenten Film zu überziehen. Mikropellets im Saft dürfen allerdings nicht zerkaut werden, sondern müssen im Ganzen geschluckt werden. Auf diesem Prinzip beruhen zum Beispiel einige Trockensäfte mit Makroliden. Andere Maskierungsmöglichkeiten, zum Beispiel die molekulare Bindung an Ionenaustauscher oder Komplexbildner (Cyclodextrine) oder die Gabe eines pharmakologischen Bitterrezeptorblockers, kommen bei kleinen Kindern wegen der unklaren toxikologischen Auswirkungen und zugleich den erforderlichen großen Einnahmemengen – klassische Antibiotika wie Penicilline oder Cephalosporine sind hoch dosiert – nicht zum Einsatz.

PZ: Lohnt es sich angesichts des Kostendrucks im Gesundheitssystem noch, an innovativen Arzneiformen zu forschen?

Breitkreutz: Die Motivation der Hersteller, speziell an Arzneiformen für Kinder zu forschen, ist zurückgegangen. Das PUMA-Programm (Paediatric use marketing authorisation) der Europäischen Union hat bislang nur zu sechs Zulassungen geführt. Möglicherweise machen es die aktuellen Maßnahmen des Bundesgesundheitsministeriums wieder attraktiver, Arzneimittel für Kinder zu entwickeln und zu produzieren. Wenn weniger Kostendruck herrscht, sind Hersteller innovationsfreudiger. Das sehen wir am Beispiel der Orphan Drugs.

PZ: Können sich neue Arzneiformen überhaupt im Markt behaupten?

Breitkreutz: Leider mussten in der Vergangenheit bereits Innovationen vom Markt genommen werden, da ein Zusatznutzen nicht anerkannt wurde und die Produkte dadurch unwirtschaftlich wurden. Ein Beispiel ist Clarosip, ein Trinkhalm mit geschmacksneutralen Clarithromycin-Pellets. Das Applikationssystem enthielt in drei Stärken eine Einmaldosis Clarithromycin und war anwenderfreundlich für Kinder.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa