Kassen begrüßen G-BA-Pläne, Industrie schlägt Alarm |
Melanie Höhn |
16.06.2025 13:02 Uhr |
Pläne des G-BA sehen eine Erweiterung dieser Austauschliste für Biosimilars vor. / © Adobe Stock/GoldPumaze
Seit dem 15. März 2024 sind Apotheken verpflichtet, bestimmte biotechnologisch hergestellte Arzneimittel gegen kostengünstigere Biosimilars auszutauschen. Grundlage dafür ist eine Substitutionsliste des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die aktuell sechs Wirkstoffe umfasst. Pläne des G-BA sehen eine Erweiterung dieser Austauschliste vor. Inzwischen hat der G-BA das Stellungnahmeverfahren zur automatischen Substitution von Biopharmazeutika eingeleitet.
Dies sorgt in der Branche für Unruhe. Die Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars, der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI), Pharma Deutschland, die forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), Pro Generika und BIO Deutschland warnen vor der Ausweitung der Substitutionsliste. »Durch die Möglichkeit, patentfreie Biopharmazeutika wie Generika untereinander auszutauschen, erhalten gesetzliche Krankenkassen die Option, exklusive Rabattverträge mit einzelnen Herstellern abzuschließen«, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung. Dies führe zu einem extremen Preisdruck auf die betroffenen Unternehmen.
Die Pharma- und Biotechverbände warnen seit Jahren vor diesen Folgen. »Eine kurzfristige Fokussierung auf den niedrigsten Preis gefährdet die Versorgung schwerkranker Patientinnen und Patienten und schwächt zugleich den Pharma- und Biotech-Standort Deutschland«, hieß es weiter. Durch den Kostendruck werde die Abwanderung von Produktionsstätten ins außereuropäische Ausland verstärkt, was mit einem Verlust an technologischer Souveränität bei den hochkomplexen Herstellungsprozessen von Biopharmazeutika einhergehe.
»Der Wunsch nach weiteren Einsparungen ignoriert die bestehende Realität: Der Biosimilar-Markt ist bereits heute hochkompetitiv, und die meisten Präparate erzielen hohe Verordnungsquoten. Zusätzlich sorgen bewährte Einsparinstrumente – wie Open-House-Rabattverträge, Herstellerzwangsrabatte, die Hilfstaxe und Festbeträge – bereits für substanzielle Einsparungen bei den Krankenkassen«, erklärten die Verbände.
Ein zusätzlicher Preisdruck durch exklusive Verträge setze Hersteller unter großen wirtschaftlichen Druck und erhöht das Risiko von Lieferengpässen – was im Generikamarkt »bereits Realität« sei. Zudem erschwere der Austausch in der Apotheke die Rückverfolgbarkeit bei Nebenwirkungen und führe zu Verunsicherung bei Patientinnen und Patienten, insbesondere wenn sich Applikationshilfen oder Darreichungsformen ändern.
Der AOK-Bundesverband hingegen begrüßt die Einleitung des Stellungnahmeverfahrens für die Substitution weiterer Biosimilars durch den G-BA. »Dass die gesetzlichen Regelungen zur Substitution weiterer Biosimilars nun endlich umgesetzt werden, ist angesichts der Entwicklung der Arzneimittelausgaben in der GKV, die sich auf Rekordniveau bewegen, wichtig und richtig«, erklärte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, in einer Pressemeldung. Durch den direkten Wettbewerb infolge der Austauschbarkeit werde die Versorgung der Versicherten künftig günstiger und die Solidargemeinschaft der GKV finanziell weniger belastet. »Außerdem wird die Versorgung sicherer, denn Apotheken können dann unbürokratisch und aufwandsarm die entsprechenden wirkstoffanalogen Arzneimittel abgeben und ohne erneuten Arztkontakt flexibel austauschen«, so Reimann.
Dass ein Austausch von Biosimilars medizinisch möglich und sicher ist, sei bereits vor Jahren von den europäischen Zulassungsbehörden festgestellt, erklärte sie weiter. »Entsprechend hat auch die bereits vor über einem Jahr in Kraft getretene Austauschbarkeit von Biosimilars in parenteralen Zubereitungen sehr gut funktioniert und nicht zu Problemen geführt.«
Einige EU-Länder seien Deutschland bei der Versorgungssteuerung hin zu kostengünstigen Nachahmer-Präparaten weit voraus. Durch das eingeleitete Verfahren des G-BA könne diese Praxis »hoffentlich auch bei uns bald eine breite Anwendung finden«, sagte Reimann. Angesichts der schwierigen Haushaltslage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müssten jetzt alle vorhandenen Wirtschaftlichkeitsreserven genutzt werden. Reimann: »Experten schätzen, dass in Deutschland Einsparungen von bis zu einer Milliarde Euro möglich sind. Kostengünstigere biologische Nachfolgepräparate sollten daher künftig im Sinne der Kostendämpfung einen großen Stellenwert in der Versorgung der Versicherten haben.«