| Alexandra Amanatidou |
| 22.12.2025 16:20 Uhr |
Die Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) der Europäischen Union sieht eine vierte Klärstufe zur Entfernung von Mikroschadstoffen und schwer abbaubaren Substanzen vor. / © Adobe Stock/Kletr
Forscher der Universität York in Großbritannien analysierten im Jahr 2019 Proben aus Flüssen in 72 Ländern und stellten fest, dass sich in 65 Prozent davon Antibiotika befanden. Laut den Vereinten Nationen gelangen tatsächlich Arzneimittelrückstände in Flüsse, Seen und Grundwasserleiter. Zu den Quellen für ihre Freisetzung gehören direkte Emissionen aus der Arzneimittelherstellung sowie die Entsorgung ungenutzter und abgelaufener Arzneimittel. Diese Rückstände können laut den Vereinten Nationen zur Förderung von Antibiotikaresistenzen sowie zu toxischen Auswirkungen auf Ökosysteme und die öffentliche Gesundheit führen.
Die Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) der Europäischen Union sieht deshalb eine vierte Klärstufe zur Entfernung von Mikroschadstoffen und schwer abbaubaren Substanzen vor.
Die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht muss spätestens bis zum 31. Juli 2027 erfolgen. Das Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN) bezeichnet sie als einen »Meilenstein für den Gewässerschutz und eine deutliche Verbesserung für den Schutz von Mensch und Natur.« Für die Umsetzung steht das Ministerium »im Austausch mit den anderen Ressorts der Bundesregierung, den Ländern sowie Verbänden und beteiligt sich im Rahmen des Pharmadialogs«, wie das BMUKN auf Anfrage der PZ mitteilte.
Denn die Richtlinie besagt, dass sich die Pharma- und Kosmetikhersteller gemäß dem Verursacherprinzip zu mindestens 80 Prozent an den Kosten der neuen Klärstufe beteiligen sollen. Der Widerstand der Pharmaunternehmen gegen die geänderte Richtlinie ist bereits seit Monaten groß. Sie warnen vor Arzneimittelengpässen und einer Schwächung des Standorts Deutschland, zuletzt in einem Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Das Umweltministerium versichert jedoch, dass bei der Umsetzung der Richtlinie eine wichtige Rolle darin besteht, »die Arzneimittelversorgung in Deutschland sicherzustellen und mögliche Wettbewerbsnachteile für die deutsche Pharmaindustrie auszuschließen«. Hierzu stimmt sich das BMUKN auch eng mit der EU-Kommission und anderen Mitgliedstaaten ab.
Gleichzeitig versucht die Bundesregierung, die Pharmaindustrie als Leitwirtschaft in der Bundesrepublik zu stärken. So trafen sich Mitte November bei Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) Vertreter von Unternehmen und Verbänden sowie mehrerer Bundesministerien, darunter auch das Umweltministerium, um eine neue Pharma- und Medizintechnik-Strategie anzustoßen.
»Das BMUKN hat sich bereits an den Vorüberlegungen zum weiteren Prozess beteiligt und wird dies auch bei den kommenden Schritten, etwa durch die Beteiligung an Arbeitsgruppen, tun«, so das BMUKN zur PZ. Insgesamt gibt es sechs Arbeitsgruppen, die Empfehlungen für die Bundesregierung erarbeiten werden. Deren Themen sind: Versorgung und patentfreie Arzneimittel, EU-Nutzenbewertung, Medizintechnik, Biotechnologie, Preisbildung und Erstattung sowie Digitalisierung, Forschung und Künstliche Intelligenz (KI). Dem Thema widmete sich die PZ in der Podcast-Folge »Der Pharma- und Medizintechnik-Dialog«.
Wie genau die Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie aussehen soll, steht noch nicht fest. »Die Kosten für die Entfernung schwer abbaubarer Substanzen auf die Bürgerinnen und Bürger umzulegen, ist eine einfache, aber ungerechte Lösung«, sagte Jutta Paulus, EU-Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, auf Anfrage der PZ. Eine einseitige Belastung heimischer Hersteller sei überdies ausgeschlossen, da die Kostenbeteiligung für alle Inverkehrbringer gelte und sich an den Tagesdosen und der Charakteristik der Wirkstoffe bemesse. »Derzeit gibt es weder legislative noch finanzielle Anreize, weniger umweltschädliche Wirkstoffe auf den Markt zu bringen, die Rechnung sollen jetzt unsere Kommunen bezahlen«, so die Politikerin.