Kammern sollen bei Notfallversorgung »Sparringspartner« sein |
Cornelia Dölger |
12.06.2024 10:06 Uhr |
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening kritisierte die Reformpläne als »ein Lotteriespiel für die Patienten« und eine »Doppel- und Dreifachstruktur«. / Foto: IMAGO/Jürgen Heinrich
Gestern war Overwiening beim AByou-Talk zu Gast und sprach neben grundsätzlichen Themen wie der digitalen Transformation des Apothekenwesens auch über die aktuelle Politik. Sie berichtete etwa von der Zusage des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), die Skontofrage ans laufende Gesetzgebungsverfahren zum Medizinforschungsgesetz (MFG) anzuhängen – auf diese Weise kann die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) rasch dahingehend geändert werden, dass der Status ante quo wiederhergestellt wird. Änderungsanträge zum MFG gibt es bereits, bislang findet sich darin allerdings nichts zu Skonti. Heute Nachmittag gibt es im Gesundheitsausschuss eine Anhörung zum MFG, an der auch die ABDA teilnimmt.
Aktuell sind auch die Pläne zur Notfallreform. Sie sehen unter anderem die Möglichkeit vor, Versorgungsverträge zwischen öffentlichen Apotheken und Notdienstpraxen zu schließen. »Notdienstpraxisversorgende« Offizinen – eine Wortneuschöpfung aus dem Entwurf – sollen künftig auf dem Gelände der Notdienstpraxen eine Zweitapotheke mit Lagerräumen betreiben.
Den Plänen erteilte Overwiening eine Absage. Das Konzept sei »ein Lotteriespiel für die Patienten« und eine »Doppel- und Dreifachstruktur«. Das sähen auch die Hausärzte so. Die Patienten könnten nicht wissen, welche Apotheke sie im Notfall nun versorge: die »Schmalspurapotheke auf dem Gelände des Notfallzentrums«, die Notdienstapotheke oder die nächstgelegene Apotheke.
Was mit »nächstgelegen« gemeint sei, sei im Übrigen auch nicht geklärt: Per Luftlinie oder eher verkehrstechnisch? Und: Welche von beiden sei zuständig, wenn zwei Apotheken in exakt gleicher Entfernung zum Notfallzentrum lägen? »Das wäre dann schon justiziabel«, so Overwiening. Man werde das »heillose Durcheinander« nicht akzeptieren.
Es könne zudem nicht sein, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) nach den Plänen für die Einteilung der Notdienste und Apotheken verantwortlich sein sollen. »Was ist, wenn die KVen keinen Versorgungsvertrag machen wollen?« Würde das ein Dispensierrecht für die Notfallärztinnen und -ärzte einräumen?
Die Kammern hätten sich hierzu schon früh positioniert und Vorschläge für die Notfallversorgung gemacht, sie seien aber nicht gehört worden. Stattdessen habe eine »versorgungsferne« Kommission getagt, die nicht wisse, was im Notdienst passiere. Overwiening forderte: »Wir wollen hier Sparringspartner sein.« Die Versorgungsverträge müssten mit den Kammern gemacht werden.
In einem Statement bekräftigte die ABDA-Präsidentin ihre Ablehnung heute noch einmal. Sie sieht in den Plänen eine potenzielle Qualitätsreduzierung: »An die Abgabestellen in den Notfallzentren sollen geringere Anforderungen gestellt werden als an richtige Apotheken. Das ist gefährlich. Die vorgesehenen Abgabestellen können nur ein beschränktes Sortiment bereithalten. Das birgt die Gefahr, dass der Patient nur teilweise versorgt wird oder zu ›Notlösungen‹ gegriffen wird.«
Fraglich sei auch, wie solche Abgabestellen organisiert werden sollten. Viele Medikamente müssten dauerhaft gekühlt gelagert werden. Außerdem seien die Apotheken »eine Säule des digitalen EU-Fälschungsschutzsystems«. Solche unerlässlichen Maßnahmen für die sichere Arzneimittelversorgung fielen mit den Plänen weg.
Die Bundesregierung müsse die Erfahrung, die die Apothekerschaft in der Notfallversorgung habe, bei ihren weiteren Überlegungen berücksichtigen, forderte Overwiening. Schließlich sicherten die Apotheken vor Ort jedes Jahr mit mehr als 420.000 Notdiensten die Versorgung der Bevölkerung. Sie bot an: »Wir hätten einige digitale und innovative Versorgungsvorschläge, damit Patientinnen und Patienten auch in Zukunft nachts und am Wochenende schnell und sicher an ihre Arzneimittel kommen.«