Jeder Zweite erhält potenziell ungeeignete Medikamente |
Brigitte M. Gensthaler |
07.09.2023 13:30 Uhr |
Jeder zweite Senior bekam 2022 ein potenziell ungeeignetes Medikament verordnet. Ob dieses tatsächlich ungeeignet ist, muss im Einzelfall bewertet werden. / Foto: ABDA
Im Januar 2023 wurde die aktualisierte Priscus-2.0-Liste von potenziell ungeeigneten Arzneimitteln (PIM) für ältere Menschen ab 65 Jahren veröffentlicht. Die Autoren stufen darin 187 Arzneistoffe als PIM ein – mehr als doppelt so viele wie in der alten Version. Anhand dieser Liste und auf Grundlage der alters- und geschlechtsadjustiert hochgerechneten Arzneiverordnungen für über-65-jährige GKV-Versicherte im Jahr 2022 ermittelte das WIdO, dass immerhin 12,3 Prozent aller an Senioren verordneten Tagesdosen potenziell ungeeignet sind. Das betrifft 8,3 Millionen Patienten. Mit 50,3 Prozent sei damit mehr als jede zweite ältere GKV-versicherte Person betroffen, schreibt das WIdO heute in einer Pressemeldung. Bei Frauen liege der PIM-Anteil deutlich höher als bei Männern.
Erfreulich sei jedoch, so WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder, dass der Verordnungsanteil der PIM bei älteren Menschen in der vergangenen Dekade zurückgegangen ist: von 14,6 Prozent im Jahr 2013 auf 12,3 Prozent.
»Die Arzneimittelversorgung der Über-65-Jährigen ist geprägt durch die steigende Zahl der Erkrankungen im Alter und die Behandlung mehrerer, parallel vorliegender Krankheiten«, sagt Schröder. Somit nehme die Polymedikation mit dem Alter deutlich zu. 43 Prozent bekämen mehr als fünf verschiedene Wirkstoffe gleichzeitig. Damit steigt ihr Risiko für unerwünschte Arzneimittelereignisse. Müdigkeit, Blutdruckabfall oder Sehstörungen können bekanntlich zu Stürzen oder kognitiven Einbußen führen und mitunter lebensbedrohlich sein.
Mehr als die Hälfte der PIM-Verordnungen bezieht sich laut Analyse auf Protonenpumpeninhibitoren (PPI-Dauertherapie länger als acht Wochen). Ebenfalls häufig verordnete PIM sind einige Analgetika, Antidepressiva und Medikamente bei Blasen- und Prostatabeschwerden.
Die Analyse zeigt auch regionale Unterschiede im Verordnungsverhalten. »Die Spannbreite liegt bei 6,6 Prozentpunkten und gibt einen Hinweis darauf, dass in vielen KV-Regionen noch Verbesserungspotenzial besteht«, so Schröder. Er spricht von einem »Umsetzungsproblem«. Das WIdO hat eine kompakte Zusammenfassung der Priscus-Wirkstoffe als Arbeitshilfe für Ärzte erstellt, die als kostenloser Download bereitsteht. Die vierseitige Übersicht eignet sich selbstverständlich auch als Tischvorlage für die Apotheke.