Jeder sechste Pharmazie-Beschäftigte arbeitet noch mit 67 |
Präsentierten die Ergebnisse des TK-Gesundheitsreports (von links): TK-Unternehmenssprecherin Inga Laboga, TK-Vorstandschef Jens Baas, Fabian Krapf (IFBG), Klaus-Peter Mikulla (Netzwerk »Changemaker 50+«) und Thomas Grobe (aQua-Institut). / Foto: PZ/Anne Orth
Laut Statistischem Bundesamt ist fast ein Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland zwischen 55 und 64 Jahren alt. Wenn die Generation der »Babyboomer« in den nächsten Jahren in Rente geht, wird dies den Fachkräftemangel weiter verschärfen. Da Nachwuchs knapp ist, ist es für Unternehmen wichtig, auch ältere Beschäftigte im Job zu halten. In ihrem aktuellen Gesundheitsreport ging die TK daher der Frage nach, was die Generation 50+ im Job hält. Die Ergebnisse stellten Experten heute in Berlin vor.
»Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist es für Arbeitgeber unerlässlich, die Generation 50+ noch stärker in den Fokus zu rücken«, sagte Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. Ältere Beschäftigte seien eine wertvolle Ressource für die Unternehmen. »Sie verfügen über großes Erfahrungswissen, sind gut vernetzt und haben sich in der Regel über Jahre an ihrem Arbeitsplatz bewährt«, betonte Baas.
Doch wie können Unternehmen Beschäftigte über 50 im Job halten? Versuchen sie dies überhaupt? Wie ist die Situation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und welche Erwartungen haben sie an ihren Arbeitsplatz? Diesen Fragen gingen Wissenschaftler in zwei Studien im Auftrag der TK nach.
Eine Befragung des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) von mehr als 300 Betrieben zeigte, dass es den meisten wichtig ist, ältere Beschäftigte im Unternehmen zu halten. So gaben gut drei Viertel (77 Prozent) der befragten Personalverantwortlichen sowie Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer an, dass die Bindung von älteren Beschäftigten in den nächsten drei Jahren eine große Bedeutung für ihre Unternehmen haben werde. Bei 46 Prozent der Unternehmen geht in den nächsten fünf Jahren mehr als ein Viertel der Belegschaft in den Ruhestand.
Doch was wollen die Beschäftigten 50+ selbst? Was motiviert sie, bis zum regulären Rentenalter oder länger zu arbeiten? Dazu befragte das IFBG mehr als 1.000 Erwerbstätige ab 50 Jahren. Neben einem höheren Gehalt (66,5 Prozent) ist älteren Arbeitnehmern demnach vor allem wichtig, dass sie ihre Arbeitszeit an individuelle Bedürfnisse anpassen können (73,7 Prozent). Ein Großteil (70 Prozent) wünscht sich zudem Unterstützung, wenn es darum geht, den Renteneintritt individuell zu gestalten.
Dabei zeigte sich jedoch auch, dass hierbei Wunsch und Wirklichkeit noch weit auseinander liegen. So bietet nur etwas mehr als die Hälfte der für den Report befragten Arbeitgeber bereits flexiblere Arbeitszeiten an (57 Prozent). Ähnlich ist es bei den Angeboten zur individuellen Gestaltung des Übergangs in den Ruhestand. Das setzt nach eigenen Angaben nicht einmal die Hälfte der befragten Arbeitgeber um (48,8 Prozent). Lediglich bei der Möglichkeit, zwischen Teilzeit und Vollzeit zu wechseln, sowie bei gesundheitsförderlichen Maßnahmen stimmen Wunsch und Angebot überein.
Laut Fabian Krapf, Geschäftsführer des IFBG, hat die Bindung von Mitarbeitern an ihren Arbeitgeber den größten Einfluss darauf, wann sie in den Ruhestand gehen wollen. Erst danach folgen der Grad der Flexibilisierung und Selbstbestimmung. So zeige die Studie »einen deutlichen Zusammenhang zwischen positiver Unternehmenskultur und dem Wunsch der Beschäftigten, später in den Ruhestand zu gehen«, erklärte Krapf. »Wer mehr Wertschätzung, Selbstbestimmung und Flexibilität am Arbeitsplatz erlebt, der arbeitet auch länger. Beschäftigte, für die jeder Tag ein Spießrutenlauf ist, werden dies hingegen nicht tun.«
Daher sei es wichtig, genau an diesen Stellschrauben anzusetzen. »Ältere Beschäftigte verfügen über unfassbar viel Erfahrungswissen«, sagte Krapf. Sinnvoll sei es daher, ihre Bedürfnisse zu ermitteln sowie Begegnungen und Lernräume zu schaffen, empfiehlt der IFBG-Geschäftsführer.
Wie lange Arbeitnehmer im Job bleiben, hängt auch von der Betriebsgröße, der Branche und der Gesundheit ab – das zeigt der zweite Teil des Reports. Dafür wertete das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua-Institut) die Abrechnungsdaten von mehr als 420.000 bei der TK versicherten Berufstätigen aus den Geburtsjahrgängen 1948 bis 1956 aus.
Dabei zeigte sich, dass kleinere Betriebe im Schnitt mehr Beschäftigte bis zum Rentenalter an sich binden können als große Unternehmen. Während in Firmen mit bis zu vier Beschäftigten 17,2 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch mit 67 noch berufstätig sind, trifft das bei Unternehmen mit 400 und mehr Beschäftigten nur auf 6,4 Prozent zu. »In kleinen Betrieben bekommen die Arbeitnehmer vermittelt, dass von ihnen etwas abhängt. Das führt zu mehr Verantwortlichkeit«, nennt Thomas Grobe vom aQua-Institut einen möglichen Grund dafür.
Das trifft auch auf den Bereich Pharmazie zu. So ergab die Auswertung, dass dort – also unter anderem auch in öffentlichen Apotheken – 18,7 Prozent der Beschäftigten mit 67 Jahren noch berufstätig sind. In den Berufsgruppen Human- und Zahnmedizin ist es sogar mehr als jeder dritte Beschäftigte (38,3 Prozent).
Darüber hinaus zeigt sich Grobe zufolge ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Fehlzeiten der Beschäftigten in jüngeren Jahren und dem längeren Arbeiten über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus. »Von den Beschäftigten, die im Jahr 2012 im Vorfeld des Beobachtungszeitraums keinen einzigen Tag arbeitsunfähig gemeldet waren, waren 14,1 Prozent mit 67 Jahren, also nach ihrem regulären Renteneintritt, immer noch berufstätig. Von den Beschäftigten, die 43 Tage oder mehr krankgeschrieben waren, waren es nur 7,1 Prozent.«
Die Sicht eines älteren Arbeitnehmers schilderte Klaus-Peter Mikulla. Der 64-Jährige ist bei der Beiersdorf AG tätig und gründete dort vor drei Jahren das Netzwerk »Changemaker 50+«. Ziel sei es, für die Belange älterer Arbeitnehmer zu sensibilisieren. Neben einem monatlichen »Coffee-Break« mit Impulsvorträgen und Diskussionen stellt das Netzwerk jährlich eine größere Veranstaltung auf die Beine und hat ein eigenes Lernprogramm aufgebaut. »Wertschätzung und Vertrauen sind wichtig, beides motiviert und gibt Sicherheit«, betonte Mikulla. Das Vertrauen müsse allerdings wechselseitig sein. Mikulla appellierte zugleich an die Beschäftigten, eigenverantwortlich zu handeln und beispielsweise Angebote zur Betrieblichen Gesundheitsförderung wahrzunehmen.