Jeder Dritte mit Gesundheitssystem unzufrieden |
Melanie Höhn |
19.03.2025 15:00 Uhr |
All das mache deutlich: Das Gesundheitssystem brauche Reformen – für eine kurzfristige finanzielle Entlastung, aber auch langfristige Strukturreformen für eine bessere Versorgung. 21 Prozent der Befragten sehen grundlegenden und umfassenden Reformbedarf im Gesundheitswesen, 73 Prozent zumindest stellenweisen Reformbedarf.
Beunruhigend ist laut TK-Chef Baas nicht nur eine schlechtere Versorgung, sondern man müsse das Problem auch unter dem Gesichtspunkt der Stabilität einer Demokratie betrachten: »Ein solches Thema kann sehr emotionalisieren, wenn es nicht mehr funktioniert«, sagte er.
Der Politikwissenschaftler und Demokratieforscher Professor Wolfgang Schroeder erklärte, warum das Gesundheitssystem eine hohe Priorität für die Politik haben muss: »Ein funktionierendes Gesundheitssystem ist eine tragende Säule unseres Sozialstaats und damit enorm wichtig für das Vertrauen in die Demokratie. Wer Missstände im Gesundheitswesen zu lange ignoriert, spielt dem Populismus in die Hände.« Für eine stabile Demokratie sei es enorm wichtig, dass alle Menschen gleichermaßen an einer guten Versorgung teilhaben können. Gleichzeitig müssten die Kosten für sie gut tragbar sein. »Die stark steigenden Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung sind daher Grund zur Sorge«, so Schroeder.
»Die Umfrage sollte für die Sollbruchstellen des Systems sensibilisieren«, warnte Schroeder. »Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem für alle ist eine der besten Medikamente im Kampf gegen Populismus und im Kampf gegen die Erosion von Vertrauen.«
Die Ideen der TK, um diese Probleme anzugehen: Eine grundlegende Änderung des Gesundheitssystems. »Unser Ansatz ist das Konzept digital vor ambulant vor stationär«: Damit Patientinnen und Patienten schneller einen Termin bekommen, sei eine digitale Ersteinschätzung sinnvoll, die den Behandlungsbedarf ermittelt und die Betroffenen dahin vermittelt, wo sie am besten behandelt werden – noch bevor ein Arzttermin überhaupt vereinbart wird.
Eine Ersteinschätzung könne gesundheitliche Probleme schnell einordnen und einen geeigneten Behandlungspfad empfehlen. Je nach Situation könne dies eine digitale Selbstversorgung oder ein Termin in einer Haus- oder Facharztpraxis sein. Wer dringend behandelt werden müsse, soll über eine digitale Terminplattform schnell einen Termin bekommen. »Wir müssen Patientinnen und Patienten mehr Orientierung im Gesundheitssystem bieten, damit sie in die Arztpraxen kommen, in denen sie gut versorgt werden können. Eine zielgenauere Versorgung entlastet auch die Ärztinnen und Ärzte«, so der TK-Chef.
Für die Apotheken könne sich Baas durchaus Rollen vorstellen, »die über die heutigen hinausgehen« – konkreter wurde er an dieser Stelle nicht. Er betonte, dass diese Rollen klar definiert sein müssten. Man müsse klar überlegen, wie ein System so aufgestellt werden könne, dass der Patient die beste Versorgung für den ökonomischsten Preis bekommt.
Ein Sofortprogramm bei den GKV-Finanzen mit schnellen Ergebnissen sei zudem nötig, um immer weiter steigende Beiträge zu begrenzen. Ein höherer Herstellerrabatt auf neue Arzneimittel könnte zwei Milliarden Euro pro Jahr bringen. Die ungebremsten Preisentwicklungen bei Pharmazeutika seien auf Dauer nicht finanzierbar: »Ein Spiel, was irgendwann zu Ende ist«.
Wenn der Bund seiner Verpflichtung zur Finanzierung der Beiträge für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger nachkomme, könne dies eine Entlastung von über neun Milliarden Euro jährlich betragen.