Jede vierte Frau erlebt Gewalt in der Partnerschaft |
Gewalt in der Partnerschaft kann sich langfristig auf Gesundheit und Wohlbefinden auswirken. / Foto: Getty Images/Yuttana Jaowattana/EyeEm
Etwa jede vierte Frau auf der Welt hat einer Studie zufolge mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt in einer Partnerschaft erfahren. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler nach der Auswertung von Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Betroffen seien auch bereits sehr junge Mädchen und Frauen zwischen 15 und 19 Jahren, berichten die Forscher im Fachmagazin »The Lancet«.
»Es ist von entscheidender Bedeutung und dringend notwendig, Gewalt in der Partnerschaft von vornherein zu verhindern«, sagt Studienleiterin Claudia Garcia-Moreno von der WHO. Regierungen, Gesellschaften und Gemeinschaften müssten aufhorchen, mehr investieren und dringend handeln, um die Gewalt gegen Frauen zu verringern. Das Team um Garcia-Moreno hatte Angaben einer WHO-Datenbank ausgewertet, die auf mehr als 300 Studien und Umfragen aus 161 Ländern und Regionen mit Daten von rund zwei Millionen Frauen zurückgehen. Berücksichtigt wurden Daten von Frauen ab 15 Jahren aus den Jahren 2000 bis 2018. Mit statistischen Methoden ermittelten die Forscher die Verbreitung von Gewalt in verschiedenen Regionen und Altersgruppen.
Weltweit hatten demnach 27 Prozent aller Frauen mindestens einmal seit dem Alter von 15 Jahren körperliche und/oder sexuelle Gewalt in ihrer Partnerschaft erlebt. Allein 2018 waren es rund 492 Millionen Frauen (13 Prozent), die in den vergangenen zwölf Monaten Gewalt erfahren hatten. In der jüngsten Altersgruppe von 15 bis 19 Jahren hatten etwa 24 Prozent der Frauen in ihrem Leben bereits solche Gewalterfahrungen gemacht.
»Die hohe Zahl junger Frauen, die Gewalt in Paarbeziehungen erleben, ist alarmierend, denn die Jugend und das frühe Erwachsenenalter sind wichtige Lebensabschnitte, in denen die Grundlagen für gesunde Beziehungen gelegt werden«, sagt die federführende Wissenschaftlerin Dr. Lynnmarie Sardinha von der WHO. »Die Gewalt, die diese jungen Frauen erleben, hat lang anhaltende Auswirkungen auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden.«
Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Regierungen auf keinem guten Weg sind, das von den Vereinten Nationen formulierte Entwicklungsziel zu erreichen, Gewalt gegen Frauen und Mädchen bis 2030 zu beenden. »Obwohl diese Studie vor der Covid-19-Pandemie durchgeführt wurde, sind die Zahlen alarmierend. Und die Forschung hat gezeigt, dass die Pandemie Probleme, die zu Gewalt in der Partnerschaft führen, wie Isolation, Depressionen und Angstzustände sowie Alkoholkonsum, verschärft und den Zugang zu Hilfsdiensten erschwert hat«, sagt Studienleiterin Garcia-Moreno.
Am weitesten verbreitet ist Gewalt gegen Frauen in der Partnerschaft der Studie zufolge in Ozeanien (49 Prozent), am geringsten in Zentraleuropa (16 Prozent). In ärmeren Ländern ist sie generell häufiger als in reicheren. Für Deutschland sind in der Studie keine Zahlen genannt. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums wird auch hierzulande etwa jede vierte Frau mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder ihren früheren Partner.
Als Schwächen ihrer Studie nennen die Forscher die regional unterschiedliche Verfügbarkeit und Qualität der Daten, Untergruppen wie Menschen mit Behinderungen und ethnische Minderheiten seien nicht voll erfasst. Zudem beruhten viele Daten auf Selbstauskünften, etwa zur Art der Beziehung.
Apotheken können auf das bundesweite Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« hinweisen. Im Jahr 2020 war die ABDA an einer Infokampagne für das Hilfetelefon beteiligt. Unter der Telefonnummer 08000 116 016, per E-Mail und im Sofort- oder Termin-Chat auf hilfetelefon.de erhalten Betroffene rund um die Uhr Unterstützung. Auf Wunsch vermitteln die Beraterinnen betroffene Frauen auch an eine Einrichtung vor Ort weiter. Bei Bedarf kann die Beratung in 17 Fremdsprachen sowie in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache erfolgen.
In der Pandemie wurde außerdem das Codewort »Maske 19« für Frauen und Mädchen etabliert, die wegen häuslicher Gewalt Hilfe in Apotheken suchen wollten. Eine langfristiges Konzept, das auch nach der Pandemie noch Bestand haben soll, stammt von der Apothekerkammer Thüringen. Nennen Betroffene das Codewort »Violind« in teilenehmenden Apotheken, bekommen sie eine Violind-Pflasterbox. Diese dient als Tarnung, um betroffenen Frauen unauffällig Informationen zu häuslicher Gewalt in Form einer »Packungsbeilage« und Telefonnummern von örtlichen Beratungsstellen mitzugeben. Dort wird auch auf die Website Violind.de hingewiesen, auf der die wichtigsten Informationen und Kontaktdaten jederzeit abrufbar sind. Apotheken, die sich an dem Projekt beteiligen wollen, erhalten eine Onlineschulung, die von Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser gehalten wird. Im Oktober und November 2021 fanden solche Schulungen bereits statt. Weitere Schulungen sind für das Frühjahr 2022 geplant.