Intranasales Vaxzevria enttäuscht in Phase I |
Theo Dingermann |
12.10.2022 12:05 Uhr |
In einer Phase-I-Studie konnte der Coronaimpfstoff Vaxzevria bei nasaler Applikation kaum eine Schleimhaut- und systemische Antikörperantwort induzieren. / Foto: Adobe Stock/Sodel Vladyslav
Große Hoffnungen werden auf intranasale Impfstoffe gesetzt. Nur so glaubt man, einen besseren Infektionsschutz gegen SARS-CoV-2 erzielen zu können. Zwar wurden zwei dieser Impfstoffe aus China und Indien in den betreffenden Ländern zugelassen. Daten zur Wirksamkeit der Impfstoffe sind aber nicht verfügbar. Nun wurden die Ergebnisse einer offenen, teilrandomisierten Phase-I-Studie publiziert, in der vor allem die Verträglichkeit und Immunogenität eines intranasal verabreichten Covid-19-Impfstoffs auf Basis der Adenovirus-Vektortechnologie getestet wurde.
Forschende um Dr. Meera Madhavan vom Jenner Institute an der University of Oxford, Großbritannien, testeten den von ihrer Universität und der Firma Astra-Zeneca gemeinsam entwickelten und zugelassenen Impfstoff Vaxzevria® (ChAdOx1 nCoV-19, AZD1222) erstmalig an Probanden im Rahmen einer Phase-I-Studie mit nasaler Applikation. Das primäre Ziel der Studie war, die Sicherheit der nasalen Verabreichung des Impfstoffs mit der Original-Formulierung zu überprüfen. Als sekundärer Endpunkt sollte auch die Schleimhaut-Antikörperreaktionen gemessen werden.
Das Forscherteam verabreichte Vaxzevria bei 30 gesunden, ungeimpften Erwachsenen mithilfe eines intranasalen, mukosalen Medikamentenzerstäubers in beide Nasenlöcher. Sechs der Probanden erhielten eine Dosis von 5 x 109, zwölf Probanden eine Dosis von 2 x 1010 und zwölf Probanden eine Dosis von 5 x 1010 Viruspartikel. Vierzehn Teilnehmern wurde 28 Tage nach der ersten Dosis eine zweite intranasale Dosis appliziert. Weitere zwölf Probanden erhielten zwischen den Studientagen 22 und 46 zudem eine intramuskuläre mRNA-Impfung gegen SARS-CoV-2.
Zusätzlich wurde das intranasale Vaxzevria auch als Auffrischungsimpfung getestet. Hierfür erhielten sechs Teilnehmer, die zuvor zwei intramuskuläre Dosen von Vaxzevria erhalten hatten (Gruppe 4) und sechs Teilnehmer, die zwei intramuskuläre Dosen des mRNA-Impfstoffs Comirnaty® (Biontech/Pfizer) erhalten hatten (Gruppe 5) eine einzige intranasale Vaxzevria -Dosis von 5 x 1010 Viruspartikel in die Nase.
Die lokalen und systemischen Reaktionen in allen Gruppen waren überwiegend leicht (Grad 1), sowohl nach der ersten als auch nach der zweiten intranasalen Impfung. Gelegentlich wurden mittelschwere Reaktionen (Grad 2) gemeldet. Die häufigsten unerwünschten Reaktionen waren Halsschmerzen (52 Prozent), Nasenausfluss (45 Prozent), Kopfschmerzen (48 Prozent) und Müdigkeit (48 Prozent).
Es gab keinen offensichtlichen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit oder dem Schweregrad der unerwünschten Ereignisse und der Höhe der Dosis, der ersten beziehungsweise zweiten intranasalen Impfung oder der vorherigen Verabreichung von Covid-19-Impfstoffen.
Als sekundärer Endpunkt wurden die Anti-Spike-Antikörperreaktionen der Schleimhäute auf die Impfung bewertet. Hierzu verwendeten die Forschenden die Antikörpertiter in der Nasenschleimhaut-Flüssigkeit. Zusätzlich wurden auch Anti-SARS-CoV-2-Spike-Protein-Antikörper im Serum bestimmt.
Nach einer einmaligen intranasalen Impfung gab es in allen Dosisstufen kaum Hinweise auf mukosale Anti-S-IgA- oder -IgG-Reaktionen. Das stand im Gegensatz zu Proben, die als Vergleich von Personen nach einer SARS-CoV-2-Infektion entnommen worden waren.
Bei vier von 13 Teilnehmern, die eine zweite intranasale Dosis verabreicht bekommen hatten, wurden Antikörper-Reaktionen in der Schleimhaut festgestellt. Die Titer überstiegen nur selten und wenn, dann nur in bescheidenem Maße, die absoluten Medianwerte in den Genesenenproben. Zudem waren bei einer Minderheit der Teilnehmer 28 Tage nach einer ersten oder zweiten intranasalen Impfung Anti-Spike-IgG- und/oder -IgA-Reaktionen im Serum nachweisbar. Diese Reaktionen waren schwächer als bei Teilnehmern, die nach der intranasalen Impfung einen intramuskulären Impfstoff erhalten hatten, was jedoch außerhalb des Studienprotokolls lag. Diese Reaktionen waren auch schwächer als typische Reaktionen auf zwei intramuskuläre Impfungen, entweder in Proben, die 28 Tage nach einer zweiten Dosis Vaxzevria in einer anderen Studie entnommen wurden, oder in Baseline-Proben von Teilnehmern der Gruppen 4 und 5 in der aktuellen Studie, die mindestens 105 Tage vor der Aufnahme in die Studie zweimal mit einer intramuskulären Vakzine geimpft worden waren.
Zwar zeigen die in dieser Arbeit berichteten Ergebnisse ein akzeptables Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil von intranasalem Vaxzevria, aber sehr schwache und inkonsistent gemessene Immunreaktionen – und zwar sowohl systemisch als auch auf den Schleimhäuten. Das ist enttäuschend auch mit Blick auf die guten präklinischen Daten, auf deren Basis dieses Ergebnis nicht zu erwarten war.
Es gibt eine Reihe möglicher Gründe für diese Diskrepanz. Unter anderem ist es möglich, dass der Adenovirus-Vektor eine zu geringe Infektiosität für das menschliche Atemwegsepithel aufweist, was zu einer geringen Produktion des kodierten Antigens führt. Frühere In-vitro-Studien mit ChAdOx1 stützen diese Möglichkeit in gewissem Maße. Andere Studien deuten darauf hin, dass die Immunogenität von Adenovirus-Vektoren, die über die Schleimhäute verabreicht werden, durch die geringe Expression von Wirtsrezeptoren und die Anwesenheit von Abwehrzellen begrenzt sein könnte. Dieses Problem ließe sich gegebenenfalls durch die Entwicklung andere Vektoren überwinden, die sich durch einen breiteren Tropismus auszeichnen. Ferner könnten Adjuvanzien für die Schleimhautimpfstoffe stärkere Immunreaktionen induzieren, wobei derartige Impfstoffe auch mehr unerwünschte Reaktionen provozieren könnten.
Letztlich kommen die Autoren zu dem Schluss, dass eine Weiterentwicklung des hier beschriebenen Ansatzes nicht zu rechtfertigen sei.