Intervallfasten ohne zusätzlichen Nutzen |
Theo Dingermann |
25.04.2022 18:00 Uhr |
Der Effekt einer gewichtsreduzierenden Diät liegt offenbar bei der Kalorienrestriktion. Eine zeitliche Begrenzung der Nahrungsaufnahme bringt kaum zusätzlichen Nutzen, könnte aber das Fasten erleichtern. / Foto: Adobe Stock/juliamikhaylova
Zweifelsfrei ist eine reduzierte Kalorienaufnahme die effektivste Methode, um Gewicht zu reduzieren. Aber die Akzeptanz für eine solche Maßnahme ist meist gering. Daher wird nach Erleichterungen gesucht. Eine Maßnahme, die bei konsequenter Anwendung durchaus erfolgreich ist, ist das Intervallfasten, bei dem Essensphasen mit Fastenphasen abwechseln. Hier dominiert weniger die Frage, wie viel man isst, sondern wann man isst.
In einer chinesischen Studie, die in »New England Journal of Medicine« publiziert wurde, untersuchten Dr. Deying Liu und Kollegen vom Department of Endocrinology and Metabolism und vom Department of Nutrition des Nanfang Hospitals der Southern Medical University in Guangzhou, China, ob bei konsequenter Kalorienreduktion ein Intervallfastenschema einen zusätzlichen Nutzen bringt. Das Ergebnis mag überraschen, denn die Antwort war nein.
Die Studie lief über zwölf Monate. Es waren 139 Patienten zwischen 18 und 75 Jahren mit einem Body-Mass-Index (BMI) zwischen 28 und 45 in zwei Gruppen randomisiert worden. Allen Probanden wurde eine kalorienreduzierte Diät verordnet. Frauen durften pro Tag zwischen 1200 bis 1500 kcal zu sich nehmen, Männern zwischen 1500 und 1800 kcal pro Tag . Eine der beiden Gruppen hatte zusätzlich ein Zeitfenster zu beachten. Die Probanden dieser Gruppe sollten nur in der Zeit zwischen 8:00 und 16:00 Uhr essen.
Als primärer Endpunkt der Studie wurde der Unterschied des Körpergewichts der Probanden zum Ende der Studie verglichen mit dem Ausgangswert definiert. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Veränderungen des Taillenumfangs, des BMI, des Körperfettanteils und definierter Stoffwechselrisikofaktoren.
Die verordnete Diät setzte sich so zusammen, dass 40 bis 55 Prozent der Kalorien von Kohlenhydraten, 15 bis 20 Prozent von Eiweiß und 20 bis 30 Prozent von Fett beigesteuert wurden. Mit Studienbeginn wurde die tägliche Kalorienzufuhr der Teilnehmer auf etwa 75 Prozent verglichen zu den Essgewohnheiten vor der Studie eingestellt. Die Probanden erhielten für die Dauer der Studie eine intensive, individuelle Betreuung und Ernährungsberatung.
Von den eingeschlossenen 139 Teilnehmern schlossen immerhin 118 (84,9 Prozent) die anspruchsvolle Studie ab. Der mittlere Gewichtsverlust gegenüber dem Ausgangswert betrug nach zwölf Monaten 8,0 kg in der Gruppe mit dem Intervall-Ernährungsschema und 6,3 kg in der Gruppe ohne zeitlich eingeschränkte Kalorienzufuhr. Die Gewichtsveränderungen waren in den beiden Gruppen bei der Zwölf-Monats-Bewertung nicht signifikant unterschiedlich (Nettodifferenz, -1,8 kg; P=0,11).
Die Ergebnisse der Analysen von Taillenumfang, BMI, Körperfett, Magermasse, Blutdruck und metabolischen Risikofaktoren entsprachen ebenfalls den Ergebnissen des primären Endpunkts. Darüber hinaus gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich der Anzahl der unerwünschten Ereignisse.
Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass auch bei einer zeitlich eingeschränkten Nahrungsaufnahme die Einschränkung der Kalorienzufuhr den Haupteffekt einer Diät verursacht. Dennoch deuten die Ergebnisse zumindest an, dass sich eine zeitlich eingeschränkte Nahrungsaufnahme durchaus als eine alternative Option für ein Gewichtsmanagement eignen kann. So vermuten die Autoren, dass die zeitliche Begrenzung der täglichen Nahrungsaufnahme hilfreich ist, sich konsequent an die Vorgaben der Diät halten zu können.
In einem Gasteditorial zu dem Artikel schreiben Dr. Blandine Laferrère und Dr. Satchidananda Panda vom Diabetes Research Center des Columbia University Irving Medical Centers in New York und vom Salk Institute for Biological Studies, La Jolla, dass Gewichtsabnahme durch Kalorienrestriktion zwar der empfohlene Ansatz zur Behandlung von Fettleibigkeit sei, aber dieser Ansatz ressourcenintensiv und auf Dauer nur schwer aufrechtzuerhalten sei. Dagegen sei ein Ernährungsregime, bei dem die tägliche Kalorienzufuhr auf einen konstanten Zeitraum von weniger als zehn Stunden beschränkt wird, eine potenziell kostengünstige und nachhaltige Option, selbst dann, wenn Ernährungsgewohnheiten nicht geändert oder die Kalorienzahl reduziert werde.
Einen Vorteil eines Intervall-Essregimes sehen die Editorialistinnen darin, dass eine zeitlich eingeschränkte Nahrungsaufnahme den zirkadianen Rhythmus aufrecht erhält und den Stoffwechsel durch Verlängerung des täglichen Fastens verbessert, was wiederum zelluläre Signalwege aktiviert, die für die Vermittlung der Vorteile der Kalorienrestriktion verantwortlich gemacht werden. Für diese Annahme gebe es zumindest gute Date aus Tierexperimenten, so die Kommentatorinnen.
Zudem erscheint die Übertragbarkeit dieser Studie auf breitere Bevölkerungsgruppen sehr fraglich. Ob ein solches Regime auch ohne die strenge Anleitung und Überwachung durch das Studienpersonal möglich wäre, kann bezweifelt werden. Dennoch ist die Studie zur evidenzgestützten Kosten-Nutzen-Analyse wichtig für die Bewertung der Skalierbarkeit einer Lebensstilintervention.
So liefert die Studie trotz der Einschränkungen einen wichtigen Maßstab für eine Lebensstilintervention, die Qualität, Quantität und Zeitpunkt der Ernährung kombiniert.