Intelligentes Insulin gegen Spitzen und Täler |
Sven Siebenand |
22.10.2024 16:00 Uhr |
Blutzuckerspitzen und -täler sind bei Diabetes keine Seltenheit. Das Smartinsulin NNC2215 soll nur dann wirken, wenn der Zucker zu hoch ist und damit Unterzuckerungen vermeiden. Tierversuche waren vielversprechend. / © Adobe Stock/Firn
Im Fachjournal »Nature« hat ein Team um Thomas Hoeg-Jensen vom dänischen Pharmaunternehmen Novo Nordisk das neue Insulin, seine Funktionsweise und erste Daten hochrangig publiziert. Die Forschenden haben NNC2215 sozusagen mit einem Schalter entwickelt, der in Abhängigkeit vom Glucosespiegel im Blut die Aktivität ein- und ausknipst. Dieser besteht aus zwei Teilen: einerseits hängt an der Position B29 ein Makrozyklus, andererseits wurde an Stelle 1 der B-Kette von Insulin ein Glucosid angehängt. Das führt zu Folgendem: Ist der Blutzucker tief, bindet das Glucosid an den Ring und hält das Insulin in einem geschlossenen, inaktiven Zustand. Steigt der Blutzuckerspiegel an, verdrängt die Blutglucose das Glucosid und verändert die Form des Insulins, sodass es aktiviert wird und der Blutzucker anschließend gesenkt werden kann.
Zunächst zeigten Laborexperimente, dass die Insulinrezeptor-Affinität von NNC2215 bei einem Anstieg der Glucosekonzentration von 54 auf 360 mg/dl um das 3,2-fache anstieg, was bestätigte, dass das neue Insulin auf Veränderungen des Blutzuckerspiegels reagiert.
Die Forscher testeten NNC2215 anschließend an Schweinen und Ratten. Die Tiere erhielten Glucose-Infusionen, um einen Diabetes zu imitieren. Das Smartinsulin senkte den Blutzuckerspiegel genauso gut wie Humaninsulin, wenn es den Tieren injiziert wurde. Zudem zeigte sich, dass es einen Blutzuckerabfall verhindern konnte, der bei mit einem Zuviel an Humaninsulin unweigerlich eingetreten wäre.
Bei Nature News macht Novo Nordisk darauf aufmerksam, dass es sich bislang um Proof-of-Principle-Arbeiten mit NNC2215 handle und dass weitere Forschung zur Optimierung des Moleküls laufe. Bis also klinische Studien starten, wird es wohl noch einige Zeit dauern und die eine oder andere Frage wird noch zu klären sein, etwa jene zum Wirkbereich. Denn in der veröffentlichten Arbeit wurde die Aktivität von NNC2215 in einem sehr breiten Bereich des Blutzuckerspiegels untersucht. Künftige Untersuchungen sollten auch zeigen, dass das Smartinsulin in einem engeren Korridor unterscheiden kann, ob es aktiv oder inaktiv sein soll.