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Diabetes im Alter

Individuelle Therapie ist ein Muss

Multimorbide Patienten mit Diabetes brauchen ein individuell abgestimmtes Therapiemanagement. Nur das verhilft ihnen zu mehr Lebensqualität und Autonomie. Apotheker gehören zu den ersten Ansprechpersonen.
Christopher Waxenegger
14.05.2020  11:00 Uhr

Medikamentöse Therapie

Grundsätzlich unterscheiden sich die Zielwerte von fitten älteren Personen nicht von jenen der jüngeren Generation. Dies ist bei multimorbiden Patienten anders, da Begleiterkrankungen sowie die Lebenserwartung mitberücksichtigt werden (Tabelle 1).

Patientengruppe Begründung HbA1c (%) Nüchtern-Blutglucose (mg/dl) Systolischer Blutdruck (mmHg)
funktionell unabhängig: wenig Begleiterkrankungen, keine kognitiven Einschränkungen Lebenserwartung über 15 Jahre, Vorteile einer intensiven Therapie können erlebt werden 6,5 bis 7,5 100 bis 130 über 80 Jahre: unter 150, bis 80 Jahre: unter 140
funktionell leicht abhängig: sehr alte, multimorbide oder kognitiv leicht eingeschränkte Patienten Lebenserwartung unter 15 Jahre, besondere Beachtung des erhöhten Hypoglykämie- und Sturzrisikos bis 8,0 100 bis 150 unter 150
funktionell stark abhängig: pflegeabhängige oder kognitiv stark eingeschränkte Patienten oder Situation am Lebensende begrenzte Lebenserwartung bis 8,5 100 bis 180 individuelle Therapieentscheidung
Tabelle 1: Zielkorridore für die Therapie älterer Menschen mit Diabetes (8)

Außerdem gilt es, unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu vermeiden, um die dauerhafte Adhärenz zur Therapie nicht zu gefährden.

Der Wirkstoff der ersten Wahl ist auch bei geriatrischen Patienten Metformin. Er hat ein gutes Nutzen-Risiko-Profil hinsichtlich Hypoglykämien, allerdings ist auf eine unerwünschte Gewichtsabnahme zu achten. Metformin ist bei einer GFR (glomeruläre Filtrationsrate) unter 30 ml/min kontraindiziert und darf bei Werten bis 44 ml/min nur in halber Dosierung gegeben werden (maximale Tagesdosis 1000 mg, aufgeteilt in zwei bis drei Einzelgaben). Eine seltene, aber potenziell tödliche Nebenwirkung ist die Laktatazidose, die hauptsächlich bei schlechter Nierenfunktion beobachtet wird (Tabelle 2).

Wirkstoffe Unerwünschte Wirkung
Metformin Gewichtsverlust, Durchfall, Laktatazidose
SGLT-2-Hemmer Exsikkose, Gewichtsverlust, Harnwegsinfekte
GLP-1-Rezeptoragonisten Gewichtsverlust, Übelkeit
DPP4-Hemmer Übelkeit, Gewichtsverlust
Sulfonylharnstoffe Hypoglykämie, auch prolongiert
Glinide postprandiale Hypoglykämie
Pioglitazon Ödeme, Frakturrisiko
Insuline Hypoglykämie
Tabelle 2: Unerwünschte Wirkungen von Antidiabetika bei geriatrischen Patienten

Zweite Wahl sind SGLT-2-Hemmer und GLP-1-Rezeptoragonisten mit nachgewiesenem kardiovaskulären Benefit. SGLT-2-Hemmer (Gliflozine) wie Dapagliflozin, Empagliflozin und Ertugliflozin (alle auch in Kombination mit DPP4-Hemmern) wirken am proximalen Tubulus der Niere und blockieren dort den Natrium-abhängigen Glucose-Kotransporter 2, ein Carrierprotein, das Glucose und Natrium aus dem Harn rückresorbiert. Daher hängt ihre Wirkung von der Nierenfunktion ab. Sie sind peroral bioverfügbar und haben ein niedriges Hypoglykämie-Risiko. Zu beachten sind Nebenwirkungen wie Dehydratation und Exsikkose sowie gehäuft auftretende Harnwegsinfekte. SGLT-2-Hemmer dürfen bei einer GFR unter 60 ml/min nicht neu verordnet werden und sind bei einer GFR unter 30 ml/min kontraindiziert.

GLP-1-Agonisten (Inkretin-Mimetika) wie Exenatid, Liraglutid, Dulaglutid oder Semaglutid ahmen die Wirkung des körpereigenen Glucagon-like-Peptides (GLP) nach und führen so zu einer Blutzuckersenkung mit niedrigem Hypoglykämie-Risiko. Von Nachteil ist, dass sie subkutan gespritzt werden müssen. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat Anfang April die Zulassung für eine Semaglutid-Tablette erteilt, die laut Herstellerangaben aber erst in der zweiten Jahreshälfte eingeführt werden soll. Speziell der mögliche Gewichtsverlust und gastrointestinale Nebenwirkungen sind zu berücksichtigen (Tabelle 2). Die Anwendung ist bei einer GFR unter 30 ml/min kontraindiziert.

DPP4-Hemmer (Gliptine) wie Linagliptin, Sitagliptin, Vildagliptin, Alogliptin und Saxagliptin (letzteres kontraindiziert bei Herzinsuffizienz) können vor allem bei höhergradiger Niereninsuffizienz anstelle von Gliflozinen und Inkretin-Mimetika verwendet werden. Mit Ausnahme von Linagliptin, das unabhängig von der Nierenleistung gegeben werden kann, ist eine Dosisanpassung erst bei einer GFR unter 50 ml/min notwendig. Alle Gliptine sind gewichtsneutral und führen selten zu Unterzuckerungen.

Nur fernere Wahl sind Pioglitazon, Sulfonylharnstoffe, Glinide und Acarbose. Diese Arzneistoffe kommen bei Unverträglichkeit beziehungsweise Kontraindikation der bereits genannten Stoffgruppen in Betracht oder wenn damit keine adäquate Blutzuckereinstellung erreicht wird.

Insuline stellen meist den letzten Schritt in der medikamentösen Behandlungskaskade dar. Das liegt nicht zuletzt an den nötigen umfangreichen Schulungen zur sicheren Handhabung und Anwendung sowie einem hohen Hypoglykämie-Risiko. Zudem wird die Insulintherapie oft schlecht angenommen (9). In den vergangenen Jahren etablierte sich die Basalinsulin-unterstützte orale Therapie (BOT) als einfachere Option. Studien untermauern den Vorteil der neuen Basalinsuline der zweiten Generation (Insulin glargin U300, Insulin degludec) bei älteren Menschen. Diese verursachen aufgrund des gleichmäßigeren Wirkprofils und der langen Halbwertszeit signifikant weniger Hypoglykämien als Insulin glargin U100, Insulin detemir und NPH-Insulin (10, 11). Das variable Injektionsintervall von ±3 bis ±8 Stunden und die Reduktion der Injektionshäufigkeit (einmal täglich) sind zusätzliche Vorteile.

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