Indikationserweiterung für Odevixibat empfohlen |
Brigitte M. Gensthaler |
30.07.2024 17:00 Uhr |
Wenn fürchterlicher Juckreiz Kinder nicht schlafen lässt, steckt in seltenen Fällen eine Lebererkrankung mit Gallenstau dahinter. Dies kann eine Manifestation des Alagille-Syndroms sein. / Foto: Getty Images/LeManna (Symbolbild)
Odevixibat ist unter dem Handelsnamen Bylvay® (Hartkapseln, Albireo) seit September 2021 zugelassen zur Behandlung von Patienten ab sechs Monaten mit progressiver familiärer intrahepatischer Cholestase (PFIC). Nun empfiehlt der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine Indikationserweiterung für die Behandlung des cholestatischen Juckreizes bei Patienten ab sechs Monaten mit Alagille-Syndrom (ALGS). Die Zulassung sollte »unter besonderen Umständen« erfolgen, das heißt, dass der Hersteller jährlich neue Daten vorlegen muss.
Die Hartkapseln mit 200, 400, 600 oder 1200 µg Wirkstoff heißen in dieser Indikation Kayfanda® (Ipsen Pharma). Dagegen wird Maralixibat als orale Lösung angeboten, die per Applikationsspritze verabreicht wird.
Nach eigenen Angaben hatte Ipsen bereits im Juli 2023 ein positives Votum des CHMP für Bylvay® bei ALGS-Patienten bekommen, während der EMA-Ausschuss für seltene Erkrankungen (COMP) im Oktober negativ für das Orphan Drug urteilte. Daraufhin beschloss Ipsen, die Zulassungserweiterung unter einem neuen Handelsnamen erneut zu beantragen. Ipsen hat die Albireo Pharma im März 2023 übernommen.
Das Alagille-Syndrom (ALGS), benannt nach dem französischen Arzt Daniel Alagille, der es 1969 zuerst beschrieb, ist eine seltene lebensverkürzende Erkrankung mit einem breiten Spektrum an Manifestationen. Primär sind Leber und Herz, Nieren und Knochen betroffen. Das Alagille-Syndrom betrifft etwa einen von 70.000 Menschen. Es wird autosomal-dominant vererbt und verläuft individuell sehr unterschiedlich, meist relativ mild. Dann kann es sich zwischen dem vierten und zehnten Lebensjahr von selbst stabilisieren. Bei einem Teil der Kinder kann das Alagille-Syndrom aber auch zu schweren Symptomen und lebensgefährlichen Komplikationen führen.
Sind die Gallenwege bereits bei der Geburt fehlgebildet oder nur in geringer Zahl vorhanden, kann die Galle nicht richtig aus der Leber abfließen und es kommt zum Gallestau (Cholestase) mit starkem Juckreiz. Gallensäuren reichern sich in der Leber an und führen zu Entzündungen und Vernarbungen. Dies kann zu einer Leberzirrhose mit Pfortaderhochdruck führen und letztlich eine Lebertransplantation erfordern. Diese beseitigt den Juckreiz sofort.
Odevixibat hemmt – wie Maralixibat – reversibel und selektiv im distalen Ileum den Gallensäuretransporter IBAT (Ileal Bile Acid Transporter), über den normalerweise ein Großteil der Galle rückresorbiert wird. In der Folge wird die Wiederaufnahme von Gallensäuren gebremst. Diese werden vermehrt fäkal ausgeschieden und ihre Konzentration im Serum sinkt. Der Wirkstoff wird einmal täglich gegeben und kaum resorbiert.
Das Medikament senkt den cholestatisch induzierten Juckreiz sowie damit verbundene Schlafstörungen bei Alagille-Patienten klinisch signifikant. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Diarrhö, Bauchschmerzen, Erbrechen und Anstieg der Leberenzymwerte.
Wirksamkeit und Sicherheit wurden in der im April 2024 im Fachjournal »The Lancet« publizierten Phase-III-Studie ASSERT mit 52 Alagille-Patienten (medianes Alter 5,5 Jahre) überprüft. Sie erhielten für 24 Wochen randomisiert entweder täglich Odevixibat 120 µg/kg oder Placebo. Das Verum konnte den Juckreiz gegenüber Placebo signifikant verbessern (primärer Endpunkt). Mehr als 90 Prozent der Patienten sprachen auf die Medikation an. Zudem nahm die Gallensäure-Konzentration im Serum signifikant ab (sekundärer Endpunkt). Bereits in den Wochen 1 bis 4 verbesserte sich der Schlaf signifikant.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Diarrhö und Fieber. Kein Patient brach die Therapie ab. 96 Prozent setzen die Medikation in der offenen Verlängerungsstudie ASSERT-EXT fort.