Nachforderungen zum Kindergeld |
06.06.2005 00:00 Uhr |
Viele Eltern volljähriger Kinder, die sich in einer Ausbildung befinden, kommen nicht in den Genuss des Kindergeldes oder des Kinderfreibetrages. Der Grund: Die Einkünfte des Kindes liegen über dem gesetzlichen Grenzbetrag. Dies kann sich nun ändern.
Hintergrund für die Änderung: Das Bundesverfassungsgericht hat eine wichtige Entscheidung zur Ermittlung des Grenzbetrages gefällt. Unterhaltspflichtige Eltern erhalten Kindergeld und verschiedene Freibeträge. Für volljährige Kinder gibt es die Vergünstigungen nur, wenn sie arbeitslos sind, sich in einer Berufsausbildung befinden, auf einen Ausbildungsplatz warten oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr absolvieren. Außerdem dürfen die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes einen bestimmten Betrag nicht überschreiten, den so genannten Grenzbetrag (2004 und 2005 bis 7680 Euro). Zwar werden von den Ausbildungsvergütungen des Kindes die Werbungskosten, wie zum Beispiel die Entfernungspauschale für den Weg zur Ausbildungsstätte, abgezogen. Doch sobald die Einkünfte, zu denen selbstverständlich auch andere Einkünfte wie solche aus Kapitalvermögen rechnen, auch nur 1 Euro über der Grenze liegen, gibt es keinerlei Vergünstigungen mehr für die Eltern. Von der Gewährung des Kindergeldes beziehungsweise Kinderfreibetrages hängen auch weitere Vergünstigungen ab.
Eltern können zum Beispiel dann einen Ausbildungsfreibetrag erhalten, wenn das Kind auswärtig untergebracht ist. Und bei der Eigenheimzulage gibt es eine Zulage von aktuell immerhin 800 Euro pro Kind und Jahr.
Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichtes hat mit einem Urteil aus 2003 einen Vorstoß gewagt und entschieden: Nicht nur Werbungskosten dürfen zur Ermittlung des Grenzbetrages der Kindeseinkünfte abgezogen werden, sondern auch Sonderausgaben (zum Beispiel Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge) und außergewöhnliche Belastungen (zum Beispiel Krankheitskosten). Die niedersächsischen Richter trafen jedoch nicht auf die Zustimmung des Bundesfinanzhofes. Der sah das ganz anders. Ein anderes Verfahren - auch aus Niedersachsen, aber vom 5. Senat - wurde jedoch bis zum Bundesverfassungsgericht gebracht. In der dazu kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die positive Auffassung des 7. Senats des FG Niedersachsen bestätigt und damit vielen Eltern die Chance eröffnet, doch noch Kindergeld und weitere Vergünstigungen zu erhalten.
Bislang keine Abzüge
Bisher haben Finanzämter und Familienkassen die vom Kind geleisteten Sozialversicherungsbeiträge bei der Ermittlung des Grenzbetrages nicht abgezogen. Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass es gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt, wenn bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrages für den Kindergeld-Anspruch auf das Bruttoeinkommen des Kindes abgestellt wird.
Auch die Finanzverwaltung hat schon auf dieses Urteil reagiert und in einer Pressemitteilung vom 19. Mai 2005 verkündet, dass der Beschluss des Verfassungsgerichtes in allen noch offenen Fällen anzuwenden ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat nur zur Abzugsfähigkeit der Sozialversicherungsbeiträge bei der Ermittlung des Grenzbetrages Stellung genommen. Damit ist das Gericht leider nicht so weit gegangen wie der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichtes. Ob auch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung oder außergewöhnliche Belastungen, wie zum Beispiel Krankheitskosten, abgezogen werden dürfen, bleibt daher offen. Diese Fragen muss nun die Finanzverwaltung klären. Es bleibt also spannend, wie die Finanzverwaltung mit diesem Urteil letztlich umgeht.
Geltendmachung
In welchen Fällen kann nachträglich noch was geltend gemacht werden? Sind Steuerbescheid und Kindergeldbescheid noch offen, können Sie nun nachträglich die Vergünstigungen beantragen, wenn Ihr Kind nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen unter den Grenzbetrag rutscht. Offen sind Bescheide immer dann, wenn die Rechtsbehelfsfrist noch nicht abgelaufen ist oder sonstige Änderungsmöglichkeiten bestehen. Sind die Bescheide nicht mehr offen, profitieren Sie erst in Zukunft von dem positiven Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.
Haben Sie gar keinen Bescheid erhalten, weil Sie beispielsweise gar kein Kindergeld beantragt haben, können Sie das jetzt nachholen. Denn Sie können bis zu vier Jahre rückwirkend Kindergeld beantragen. Hier lauern viele verfahrensrechtliche Fallstricke, die der steuerrechtliche Laie gar nicht überblicken kann. In jedem Fall lohnt sich der Weg zu einem Steuerberater Ihres Vertrauens. Er wird für Sie jeden möglichen Weg aufzeigen, nachträglich noch an Vergünstigungen zu gelangen.
Anschrift des Verfassers
Dipl.-Kfm. Dr. Klaus-Martin Prang, Steuerberater
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