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Zeit für Kunden und neue Umsätze

31.05.2004  00:00 Uhr
Kommissioniersysteme

Zeit für Kunden und neue Umsätze

von Karin Weisgerber, Berlin

Der Verkaufsraum ist voll mit wartenden Kunden, ein Apotheker steht hinter dem HV-Tisch und berät – eine ganz alltägliche Situation in den meisten deutschen Apotheken: „Wenn dann ein Kunde hereinkommt, die wartenden Menschen und die einzelne Bedienung an der Kasse sieht, ist das abschreckend genug und er geht wieder.“

Eine Erfahrung, die Apotheker Dr. Detlef Glaß, Inhaber der Prenz'l Apotheke Berlin, dazu bewogen hat, sich diesem Problem anlässlich der Neugründung der Nordring-Apotheke durch seine Frau Julia Glaß ernsthaft anzunehmen.

Den zur Verfügung stehenden Raum optimal ausnutzen und dabei gleichzeitig die Arbeitsprozesse der Warenbewirtschaftung (Wareneingang, Lagerhaltung und Warenausgang) zu verbessern waren nur zwei gute Gründe für die Investition in ein automatisches Kommissioniersystem für die neue Apotheke. „Letztendlich ist es eine Investition in die Zukunft, die es mir ermöglicht, eine geringere Kapitalbindung zu realisieren, da ich das Warenlager viel schlanker halten kann“, so Glaß. Zudem spielen für ihn die Sicherheit und die Warenbestandspflege eine große Rolle. Durch die automatisch gesteuerte Ein- und Auslagerung sei der Warenbestand stets korrekt und aktuell. Dadurch würden die richtigen Artikel in der optimalen Menge nachbestellt.

Zeit für Beratung

Glaß hat die Investition in seinen Kommissionierautomaten des Herstellers Rowa bislang nicht bereut. Durch den Einsatz des Systems stehe mehr Raum für die Warenpräsentationsfläche in der Offizin zur Verfügung, da der Automat die Medikamente platzsparender einlagere, als dies mit Schubauszügen möglich sei. Darüber hinaus könnten die Mitarbeiter wesentlich effektiver eingesetzt und die Kunden sorgfältiger beraten werden.

Die Prenz’l Apotheke liegt schräg gegenüber der neu eröffneten Nordring-Apotheke und ist noch nicht mit einem automatischen Lagersystem ausgestattet. Dadurch hat Glass inzwischen einen sehr guten Vergleich. Und er hat festgestellt, dass der Automat in der neuen Apotheke klare Vorteile hat: Er bietet eine schnelle Übersicht über die aktuellen und korrekten Lagerbestände, ermöglicht eine geringere Kapitalbindung durch Reduzierung des Warenlagers bei gleicher Lieferfähigkeit, eine geringe Personalbindung durch die schnelle automatische Einlagerung, ein schnelles Reagieren auf Verordnungsänderungen sowie eine schnelle Warenlagerbereinigung.

Das normale Tagesgeschäft in der in der Nordring Apotheke: Früh morgens liefert der Pharmagroßhändler rund 30 bis 40 Kisten mit Arzneimitteln an. Ein Lehrling oder ein Schüler entnehmen die Packungen aus der Kiste, scannen den Barcode (PZN) und legen das Medikament auf das Förderband. Den Automaten kann man nicht hintergehen: Durch die automatische Vermessung und den Vergleich mit den bereits gespeicherten Maßen wird überprüft, ob die richtige Packung eingelagert wurde. Damit ist ein fehlerhafter Warenzugang nahezu ausgeschlossen. Direkt nach dem Vermessen steht die Packung zum Verkauf zur Verfügung und kann wieder ausgelagert werden.

Bei konventioneller Warenbewirtschaftung werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei besonders umfangreichen Wareneingängen für Stunden vom Verkaufs- und Beratungsgespräch mit den Kunden „fern gehalten“. Früher gab es deshalb selten Warenlieferungen im Umfang von 30 Kisten. Dies hätte das Personal in der Apotheke überfordert. Daher wurden mehrmals täglich kleinere Mengen bestellt und einsortiert.

„Die Eindeckungszeit mit Automat liegt bei uns bei sieben Tagen, ohne Automat bei immerhin normal 20 Tagen. Das ist eine enorme Kapitalbindung, um die Lieferfähigkeit zu gewährleisten und ökonomisch arbeiten zu können“, so Glaß.

Er ergänzt, dass die Warenlagertiefe nicht mehr so hoch ist. Bei einer Eindeckungszeit von sieben Tagen liege sie nicht mehr zwischen 10 und 20 Packungen des gleichen Artikels, sondern deutlich darunter. Und trotzdem sei die Lieferfähigkeit optimal. „In einer Apotheke ohne Kommissionierautomat ist dies schon relevant, da der Wareneingang sehr aufwändig ist: Waren annehmen, in die Schubsäule einräumen und im System einbuchen – erst dann stehen sie für den Abverkauf zur Verfügung.“

Geringe Kapitalbindung

Für Glaß steckt in der optimalen Warenlagerpflege bares Geld. „Man muss sich mit den Abläufen intensiver auseinander setzen und dann wird schnell ersichtlich, wie man noch effizienter arbeiten und Geld sparen kann. Wir können mit dem Kommissioniersystem zum Beispiel ‚Ladenhüter’ effizient ausschleusen und so eine permanente Warenlagerpflege garantieren. Über unser Warenwirtschaftssystem von Stahl identifizieren wir die Artikel, die in den letzten vier bis fünf Monaten kaum umgeschlagen wurden, und lassen sie durch den Automaten, inklusive Retourenbeleg für den Pharmagroßhandel, auslagern. Es müssen also keine Standortkärtchen mehr entfernt und keine Waren mehr in den Schubsäulen umsortiert werden.“

Berücksichtigt man den enormen zeitlichen und personellen Aufwand, so werden mit dem Automatisierungssystem neue Potenziale freigesetzt: „Für mich ist es wichtiger, meine Mitarbeiter im Kundengespräch zu sehen als beim Ein- oder Ausräumen von Waren. Dies wirkt sich auch positiv auf die Motivation meiner Mitarbeiter aus.“

Doppelte Sicherheit

„Besonders wichtig ist auch die doppelte Sicherheit durch Warenwirtschaftssystem und Automat, denn beide Systeme checken permanent meinen Lagerbestand“, erläuterte Glaß weiter. Die Ist- und Sollbestände werden ständig miteinander abgeglichen und bei Bedarf korrigiert. So sei gewährleistet, dass die Bestände immer korrekt sind.

Der Vorteil eines Automaten macht sich bei der Fehlerquote bemerkbar. Was dort eingescannt und eingelagert wurde, ist auch im Bestand. Jeder Artikel, der zum Abverkauf abgerufen und ausgegeben wird, wird aus dem Bestand im Automaten ausgebucht. Alle Rückläufer müssen erneut eingescannt und eingelagert werden. Der Abgleich zwischen dem Automaten und dem Warenwirtschaftssystem kann jederzeit schnell und einfach erfolgen.

Wirtschaftlichkeit

Die vielen Vorteile eines Kommissioniersystems stehen einer hohen Investition in diese Technik gegenüber. Die Anlage der Firma Rowa in der Nordring Apotheke hat rund 120.000 Euro gekostet – plus Kosten für zusätzliche Software zur Anbindung an das Warenwirtschaftssystem Infopharm, plus laufende Kosten für den Wartungsvertrag.

Die Rechnung geht nach Glaß’ Auskunft trotzdem auf: „Durch den Automaten spare ich Mietkosten in der teuren 1A-Lage, da ich den Automat im hinteren Bereich der Apotheke aufstellen kann und bei gleichzeitig höherer Lagerkapazität weniger Platz benötige als mit herkömmlichen Schubauszügen.“ Der eingesetzte Automat ist 1,30 Meter breit, 7,90 Meter lang, 3 Meter hoch und hat eine Lagerkapazität von rund 14 000 Packungen, die normalerweise in 30 Schubsäulen verstaut werden müssten. Das schafft Platz für eine freizügige Raumgestaltung im Frei- und Sichtwahlbereich.“

Andererseits sind für Glaß auch die Einsparungen im Bereich Warenlager und Personal nicht zu vernachlässigen: Die geringere Kapitalbindung durch eine gesenkte Warenlagertiefe bei gleich guter Lieferfähigkeit und der effektivere Einsatz von Helferinnen und Helfern im Bereich Warenlagerpflege rechne sich. Ein wesentlicher Aspekt für den Apotheker ist aber auch die Motivationssteigerung bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, deren Tätigkeit „dadurch aufgewertet wird, dass sie weniger Routinearbeiten ausführen müssen und sich stattdessen intensiv um die Beratung der Kunden kümmern können“.

Raumsparwunder

Der Automat ist optimal in die Nordring Apotheke integriert. Mit seiner Grundfläche von nur zehn Quadratmetern steht er im hinteren Teil der Apotheke. Die Waren werden über das Warenwirtschaftssystem angefordert und über Förderbänder innerhalb kürzester Zeit an die entsprechenden Kassenplätze in der Offizin transportiert. Das gewünschte Medikament landet in einem Fach in der Sichtwahl, sodass die Mitarbeiter es mit einem Griff nach hinten entnehmen können, ohne dem Kunden „den Rücken zu kehren.“

Für die Nordring-Apotheke war die Entscheidung für ein Kommissioniersystem genau das Richtige. Apotheker Glass rät, sich mit dem Thema Prozess- und Warenlageroptimierung intensiver zu befassen, denn im Warenlager liege „viel totes Kapital“. Des Weiteren solle auch hinterfragt werden, welche Zielsetzung man mit der Anschaffung eines Automaten verfolge: „Was versprechen Sie sich vom Automat? Wie wollen Sie ihn einsetzen?“

„Meine Beweggründe für einen Automaten waren die, dass sich unser Personal um die wesentlichen Dinge in der Apotheke kümmern soll, und zwar um den Kundenkontakt und die unmittelbare Abgabe der Arzneimittel. Denn in diesem Bereich wird Umsatz generiert. Alle anderen Arbeiten sind auf ein Minimum zu reduzieren. Genau hier kann man sich durch innovative Technologien wie zum Beispiel eine gute Apothekensoftware und einen Automaten unterstützen lassen. Erst dann kommen die zuvor genannten Vorteile richtig zum Tragen.“ Top

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