Drastische Einbrüche bei Phytopharmaka |
24.05.2004 00:00 Uhr |
Die ersten Umsatzzahlen seit der Gesundheitsreform haben die schlimmsten Erwartungen der Phytopharmaka-Hersteller bestätigt. Absatzeinbrüche um bis zu 20 Prozent bedeuten für viele der Mittelständer eine existentielle Bedrohung. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz kritisierten die Unternehmen die Ausgrenzung pflanzlicher Arzneimittel und forderten eine Stärkung der Phytotherapie.
Im ersten Quartal hat sich laut IMS Health der Markt für nicht verschreibunspflichtige Arzneimittel nach Wert und Menge um etwa 12 Prozent verringert. Besonders betroffen sind pflanzliche Arzneimittel, bei denen ein Absatzrückgang von 18 Prozent zu verzeichnen ist. Die Zahl der verkauften Packungen sank von 45,2 Millionen auf 36,9 Millionen Stück. Besonders hart betroffen sind dabei pflanzliche Halsschmerzmittel (minus 37 Prozent), Cholagoga und Gallentherapeutika (minus 28 Prozent) sowie die systemischen Vasoprotektoren (minus 21 Prozent). Doch auch bei den Präparaten gegen Prostataerkrankungen sowie bei den Antidepressiva, bei denen der verschreibungsfreie Markt fast ausschließlich durch Phytopharmaka abgedeckt wird, sind Absatzeinbußen von 34 beziehungsweise 31 Prozent zu verzeichnen. Laut IMS ist in diesen beiden Indikationsgruppen die Zahl der Verordnungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um bis zu 88 Prozent eingebrochen. Die Steigerung der Absätze im Rahmen der Selbstmedikation sowie in der privaten Krankenversicherung (PKV) konnte diese Einbrüche nur unzureichend kompensieren.
Substitution noch nicht abschätzbar
Inwieweit der Wegfall der verschreibungsfreien Arzneimittel, insbesondere der Phytopharmaka, durch die Verordnung entsprechender rezeptpflichtiger Präparate substituiert wurde, lässt sich laut Jürgen Petersen von IMS bislang nicht abschätzen. Ende Mai sollen erste Auswertungen von Patientendatenbanken hier für mehr Klarheit sorgen.
Dr. Bernd Eberwein von der Kooperation Phytopharmaka, einem Zusammenschluss verschiedener Pharmaverbände, kritisierte die im GMG getroffenen Regelungen. Die Verschreibungspflicht sei als Kriterium für die Erstattungsfähigkeit völlig sachfremd und daher ungeeignet. Eberwein mahnte die Bevorzugung der rezeptpflichtigen Arzneimittel mit einem regelmäßig weitaus höheren Risiko an. Seiner Meinung ist die Ausnahmeliste zu eng gefasst. Lediglich vier Präparate seien bei extrem eingeschränkten Indikationen erstattungsfähig.
Der Vorsitzende der Gesellschaft für Phytotherapie, Professor Dr. Dr. h. c. mult. Fritz . Kemper, sprach von einer politischen Missachtung des Willens der Verbraucher. Sei Jahrzehnten steige die Akzeptanz der Phytotherapie in allen Gesellschaftsschichten. Als medizinische Vorteile nannte er die bessere Compliance sowie die Möglichkeit zur abgestuften Behandlung.
Die Pharmahersteller fordern die Aufnahme weiterer pflanzlicher Arzneimittel in die Ausnahmeliste sowie eine stärkere Beratung und Empfehlung der Phytopharmaka durch die Ärzte. Von den Politikern erwarten sie pragmatische Zulassungsregelungen und Rahmenbedingungen, die wissenschaftliche Studien zur Phytotherapie auch in Zukunft finanzierbar machen.
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