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Nur ein Hauch von Sozialismus

28.04.2003  00:00 Uhr
Gehe-Konzern

Nur ein Hauch von Sozialismus

von Thomas Bellartz, Stuttgart

Alles läuft nach Plan für den Stuttgarter Gehe-Konzern. Und in wenigen Tagen ist auch die Umbenennung der Gruppe über die Bühne. Bei der Hauptversammlung der Gehe AG in Stuttgart staunte deren Vorstandsvorsitzender Dr. Fritz Oesterle nicht schlecht über die Zustimmung der Aktionäre „mit einer fast schon sozialistischen Mehrheit von 99,98 Prozent“.

Im Gespräch mit der PZ skizzierte Oesterle nach der Hauptversammlung, wie man sich die Zukunft des Unternehmens vorstellt. „Unsere Zahlen des Jahres 2002 waren in der Tat sehr gut. Damit haben wir die Messlatte für die Zukunft natürlich sehr hoch gehängt“, sagte Oesterle. Allerdings „wären nicht wir“, wenn man sich nicht vorgenommen hätte, die Messlatte erneut und deutlich zu überspringen.

Damit dies auch im bestehenden Geschäft und „trotz staatlicher Eingriffe“ gelinge, will die Gehe AG auf der Kostenseite deutlich reagieren. Für die deutsche Großhandelstochter des von Großaktionär Haniel mit 60 Prozent mehrheitlich dominierten Konzerns lässt Oesterle an der Kostenoptimierung keinen Zweifel: „Ich will nicht verschweigen, dass es - etwa in Deutschland - auch auf der Leistungsseite, und damit meine ich vor allem die Rabattentwicklung im Großhandel, so nicht weitergehen kann, wie dies in den letzten Monaten der Fall war.“

Neuer Name

Die Hauptversammlung beschloss am 24. April in Stuttgart die Änderung des Firmennamens. Aus der Gehe AG wird damit die Celesio AG. Man habe sich zu diesem Schritt „ungeachtet emotionaler Wehmut“ aus praktischen und sachlichen Gründen entschlossen. Oesterle: „Der Name Gehe steht für den deutschen Pharmagroßhandel. Dies hat in der Vergangenheit häufig zu Verwechslungen, teilweise absichtlich, zwischen dem geführt, was der Konzern im internationalen Umfeld tut, und was der deutsche Pharmahandel nicht tut.“ Es habe auch zu „völlig falschen insbesondere politischen Vorstellungen“ darüber geführt, was im deutschen Pharmagroßhandel verdient werde.

Einen Seitenhieb konnte sich der Jurist nicht ersparen: „Nachdem die derzeitige Politik schon nicht in der Lage ist, Umsatz, Marge, Rohertrag und Ergebnis auseinander zu halten, werden wir ihr mit einer klaren namensmäßigen Unterscheidung jedenfalls dabei helfen, das Konzernergebnis nicht mit dem Ergebnis unseres deutschen Großhandelsgeschäftes zu verwechseln.“

Eine Anekdote hat den Ausschlag gegeben, die lange währende Idee der Namensänderung umzusetzen. Bei einer Veranstaltung „im genossenschaftlichen“ Umfeld habe sich Oesterle einer Gruppe von Apothekern als „Chef von Gehe" vorgestellt. Daraufhin habe er sich anhören müssen, „dass ich ja derjenige sei, der der Apothekerschaft mit seinen guten Ergebnissen das Beitragssatzsicherungsgesetz eingebrockt habe. Ich lasse mich ja gerne für Dinge schlagen, für die ich verantwortlich bin, aber mit Sicherheit nicht für die Unseligkeit eines Beitragssatzsicherungsgesetzes“, so der Konzernchef.

Rat für Ministerin

Oesterle rät Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt einen Blick in andere Länder zu wagen: „Würde sie über die deutschen Grenzen hinausschauen, könnte sie als Erstes lernen, dass eine Politik ohne Rücksicht auf die Praxis, ohne Rückkopplung mit den Marktbeteiligten und gegen alle Marktbeteiligten von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.“ Wer sich „nur von einem Gesundheitsökonomen Sozialromantisches einsagen“ lasse, werde auch in Zukunft Gesundheitspolitik an der Praxis und an praktischen Notwendigkeiten vorbei betreiben.

Quer durch Europa beobachte man derzeit ein zum Teil deutlich verlangsamtes Wachstum der Pharmamärkte. Das sei aber nichts Besonderes. Solche zyklischen Entwicklungen sähe Gehe seit vielen Jahren im Markt. Oesterle: „Solche Schwankungen ändern nichts daran, dass - über längere Perioden betrachtet - der Pharmamarkt ein stetig wachsender Markt ist.“ Zyklen verlangsamten Wachstums seien aber immer immer Anlass dafür gewesen „unsere Effizienz und damit unsere Kosten- und Leistungssituation auf den Prüfstand zu stellen, ohne dadurch die Qualität unserer Leistung zu beeinträchtigen“. Top

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