Subkutan geprägt |
22.04.2002 00:00 Uhr |
Hexal
Die Hexal AG bekam im Nachhall zur Einführung von Aut idem eine kritische Presse, in den USA steht ein Börsengang an. Die PZ sprach mit Unternehmensgründer und Vorstand Dr. Thomas Strüngmann sowie mit dem Leiter Produktmanagement Wolfgang Spaeth.
PZ: Seit Ende vergangener Woche läuft bundesweit die "Initiative Pro Apotheke". Wie groß ist die Gefahr durch die Einführung des Versandhandels?
Strüngmann: Der Versandhandel ist wohl nicht mehr abzuwenden. Man darf gespannt sein, inwiefern durch ihn die Türen geöffnet werden für eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes. Die Preisspannenverordnung und das bis heute gut funktionierende System der flächendeckenden Arzneimittelversorgung wird langfristig in Frage gestellt. Das ist die eigentliche Gefahr, die vom Versandhandel ausgeht.
PZ: Wie ist zurzeit das Verhältnis der Hexal zu den Apotheken, zu Ihren Kunden?
Spaeth: Wir haben als Unternehmen über die Jahre ein sehr partnerschaftliches Verhältnis aufgebaut. Das liegt auch daran, dass unsere Philosophie über das Angebot reiner Konditionen hinaus geht. Wir wollen den Vertriebskanal Apotheke erhalten und unterstützen. Das machen wir kontinuierlich durch Marken oder Produkte wie Lorano oder Cetirizin Hexal, die sehr stark beim Endverbraucher beworben werden.
Mit Produkten wie Ket oder milbiol versuchen wir, das Geschäft vom Drogeriemarkt in die Apotheke zurück zu bringen.
PZ: Was leisten Sie denn mehr als andere?
Spaeth: Wir bieten ein Plus an Service, ein ganzheitliches Konzept. Wir streichen die Kompetenz des Apothekers heraus. Dafür haben wir eine Reihe an Angeboten, zum Beispiel die Seminare der Hexal-Trainingsakademie für Apotheker und Apothekenteams in Magdeburg. Hinzu kommen die Abendseminare für Apotheker mit dem Motivationstrainer Emanuel Winkelhofer und, ab Mai, die bekannten Ravati-Repetitorkurse für Pharmaziestudentinnen und Studenten.
Davon einmal ganz abgesehen sind wir bei Hexal von Apothekerinnen und Apothekern sozusagen subkutan geprägt: Schließlich sind alleine in Holzkirchen rund 100 Pharmazeuten beschäftigt.
PZ: Bekommen Sie vom Außendienst ein Feedback bezüglich der derzeitigen Befindlichkeit Ihrer Kunden?
Spaeth: Viele Apotheker machen sich Sorgen über ihre Zukunft. Hinsichtlich der Diskussionen über Generika hat sich die Sichtweise gewandelt. Heute geht es nicht mehr um "pro oder kontra Generika", sondern mit welchem Unternehmen arbeite ich in diesem Bereich zusammen.
PZ: Dem Apotheker fällt der Überblick bei den Generika nicht leicht.
Spaeth: Das ist sicherlich ein Problem für die einzelne Apotheke. Der Markt ist groß und unübersichtlich, es gibt eine Vielzahl von Präparaten. Aber das ist so in der Marktwirtschaft, die ja auf der anderen Seite auch Vorteile mit sich bringt.
PZ: Man hat den Eindruck, dass die großen Konzerne durch ihre Töchter den Markt künstlich aufblähen.
Strüngmann: Das ist ein guter Punkt. Allerdings kann ich für die Hexal-Gruppe feststellen, dass die Tochterunternehmen OncoHexal oder Neuro Hexal oder auch die Biocur nicht dazu gegründet wurden, um den Markt aufzublähen. Vielmehr werden spezifische Therapiegebiete oder Produktgruppen so individueller und kompetenter bearbeitet.
Phyto-Präparate, in der Biocur zum Beispiel, erfordern ein anderes Know-how als die onkologischen Produkte der Oncohexal.
PZ: Ist die Zukunft der Generikahersteller so rosig, wie gemeinhin berichtet wird?
Strüngmann: Natürlich sagt man in den Ländern, in denen der Kostendruck sehr hoch ist, der generischen Industrie eine gute Zukunft voraus. In den USA findet allerdings schon eine Konsolidierung statt und wir erwarten diese Konsolidierung auch verstärkt in Europa. Die Kosten beispielsweise für die Zulassungen steigen immens. Für eine nationale Zulassung lohnt sich der ganze Apparat häufig kaum noch.
PZ: Hexal hatte bei Aut idem zuletzt nicht die beste Presse. Warum?
Späth: Leider hat die Presse den Sachverhalt unvollständig oder falsch dargestellt. Die 2 Cent/500 Euro Aktion hat aufgezeigt, wie anfällig die neue Regelung ist.
Wir müssen abwarten, wie sich die Aut-idem-Regelung in der Praxis erweist. Der Teufel steckt wie so oft im Detail, zum Beispiel in der Vergleichbarkeit der Produkte.
PZ: Müssen Sie Kosten reduzieren, um im Wettbewerb zu bestehen?
Strüngmann: Wir arbeiten ständig daran, noch kosteneffizienter zu werden, um uns dem zunehmenden Wettbewerb stellen zu können. Abstriche hinsichtlich Qualität und Service stehen aber nicht zur Diskussion.
PZ: Welche Auswirkungen hat die Globalisierung auf den Generikamarkt?
Strüngmann: Hexal ist heute in über 40 Ländern zum Teil auch mit eigenen Produktionsstätten präsent. Die Konzentration schreitet - wie bei den forschenden Firmen - auch bei den Generika voran.
PZ: Generikahersteller werden von den forschenden Unternehmen argwöhnisch beäugt.
Späth: Generika werden heute allgemein im Wettbewerb als Teil des Pharmamarktes akzeptiert. Auch forschende Unternehmen haben Generika-Töchter.
Wir als Hexal sind kein Gegenpol und schon gar nicht ein Kontrapunkt zur forschenden Industrie. Hexal unterhält einige Kooperationen mit der forschenden Industrie, von Co-Marketing bis hin zur Entwicklung neuer Präparate.
PZ: Wie verstehen Sie sich?
Strüngmann: Hexal ist ein forschendes Generikaunternehmen und das ist kein Widerspruch. In den vergangenen Jahren haben wir rund 15 Prozent des weltweiten Umsatzes für Forschung und Entwicklung aufgewendet. Viele Präparate, die Hexal in der Vergangenheit auf den Markt gebracht hat, oder zukünftig auf den Markt bringen wird, sind mit einem Plus ausgestattet, sei es hinsichtlich neuer und besserer Darreichungsformen, moderner Galenik oder einfach therapeutisch zweckmäßiger Dosisstärken.
PZ: Sehen Sie in Innovationen das Rezept für die Generika-Industrie?
Strüngmann: Ja, für Hexal unbedingt. Wir wollen uns nicht auf das reine Nachahmen beschränken. Neue und oder verbesserte Formulierungen, die sich dann auch noch mit den Therapiekosten der gängigen Formulierungen messen können, sind unsere Chance.
Nehmen Sie beispielsweise die erfolgreichen Patch-Entwicklungen und -technologien von Hexal oder die Entwicklungsprojekte mit Implantaten, bei denen wir bereits sehr weit fortgeschritten sind und die einen großen therapeutischen Vorteil versprechen. Oder betrachten Sie unser Engagement in der Gen- und Biotechnologie: Hier arbeitet Hexal an zukunftsträchtigen Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern in den USA beziehungsweise entwickelt biotechnologische Arzneimittel aus gentechnologisch hergestellten Proteinen in innovativen Darreichungsformen.
Unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung übernimmt übrigens neben der Entwicklung für die Hexal-Gruppe auch große internationale Entwicklungsaufträge für Dritte. Denn auch für Partnerunternehmen liegt die strategische Bedeutung der modernen Arzneiformen auf der Hand.
Das alles zusammengenommen sind wesentliche Unterschiede zu vielen anderen Generikaherstellern.
PZ: In den USA streben Sie an die Börse. Wie laufen die Vorbereitungen?
Strüngmann: Unsere ehemalige amerikanische Tochtergesellschaft wird Mitte Mai an die Börse gehen. Notiert wird das Unternehmen an der Nasdaq. Das ist für uns eine Premiere und beschäftigt alle Beteiligten enorm.
PZ: Was erhoffen Sie sich davon?
Strüngmann: Wir werden Erfahrungen sammeln. Die amerikanische Kultur ist da eine ganz andere als hier zu Lande. Ein Unternehmen braucht in den USA die Publizität, und die erfolgt über die Notierung. Für uns ist das ein erster Schritt, das hat sich angeboten. In den USA ist der Börsengang noch mehr ein Mittel, um gute Mitarbeiter zu bekommen, um Kunden zu gewinnen.
PZ: Ein Blick in die Zukunft - hält Hexal den Wachstumskurs?
Strüngmann: Wir sind optimistisch, auch wenn die
Rahmenbedingungen unsicher sind. Im Ausland hoffen wir, unsere positive
Dynamik beizubehalten; in Deutschland erwarten wir vielversprechende
Produkte aus unserer Pipeline, die uns - neben unseren generischen
Produkten - positiv in die Zukunft blicken lassen.
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