Wirtschaft & Handel
Wenn uns ein Kunde nach einem
Blutdruckmeßgerät fragt, suchen wir das in unseren
Augen am besten geeignete Produkt heraus und erläutern
kurz seine Funktion und Vorteile. Am liebsten sähen wir
eine begeisterte Zustimmung des Kunden. Er bedankt sich
für die tolle Auswahl und Beratung, bezahlt und geht.
Wer fürchtet sich nicht vor einem Nein, das nicht nur
dem Artikel, sondern auch unserer Person zu gelten
scheint. Die Angst vor Widerstand, vor der öffentlichen
Verweigerung, hält manchen Apotheker davon ab, von sich
aus Angebote zu machen.
Ein Nein möchte der Apotheker vermeiden. Dabei
sollte er einen Kundeneinwand nicht überbewerten. Die
meisten Menschen können sich nur schlecht entscheiden.
Ein neues und zugleich teures Kosmetikprodukt oder ein
medizinisches Meßgerät kauft man nicht täglich.
Verkaufstrainer betonen immer wieder, wie wichtig ein
Einwand vor dem Kauf ist. Er offenbart, daß mehrere
Herzen in jeder Brust wohnen. Der Kunde möchte etwas
haben und dabei sparsam sein. Der Artikel gefällt ihm,
aber vielleicht gibt es ihn anderswo 20 Prozent billiger.
Einwände entkräften
Einwände, die dem Kunden erst zu Hause
einfallen, können vom Verkäufer nicht mehr entkräftet
werden. Unbewußte Einwände führen häufig zu einer
Zurückstellung des Kaufwunsches. Einwände sollten
möglichst noch im Geschäft vom Personal provoziert und
überzeugend ausgeräumt werden. Das Gefühl, sich für
das Richtige entschieden zu haben, und die Bereitschaft,
die Entscheidung vor sich selbst und anderen später zu
verteidigen, wächst dann deutlich. Auch eine ausgewogene
Argumentation kann dazu beitragen, beim Kunden ein
unbestimmtes Gefühl der Ablehnung gar nicht erst
aufkommen zu lassen. Nicht etwas ausreden, sondern
darüber reden - das sollte die Devise sein.
Bevor der Verkäufer zu argumentieren beginnt,
muß er sicher wissen, daß es sich nicht um einen
Vorwand des Kunden handelt. Ein Vorwand ist, im Gegensatz
zum Einwänden ein Scheingrund, der angeblich gegen den
Kauf spricht. Er ist vorgeschoben, damit der Kunde seine
wahren Beweggründe nicht artikulieren muß. Ein Vorwand
ist deshalb durch keine noch so guten Gründe zu
entkräften. Ebenso unangebracht ist es, den Kunden wegen
eines Vorwands bloßzustellen. Wird der Vorwand
zerstört, fühlt sich der schon auf Rückzug befindliche
Kunde hilflos und flieht endgültig, indem er attackiert.
Was hat der Verkäufer davon, einen Unschlüssigen verbal
zu besiegen, ihn aber als Kunden zu verlieren? Ihm muß
daran gelegen sein, den wahren Grund der Ablehnung
kennenzulernen, eventuell das Sortiment, den Preis oder
den Service besser auf seine Kunden abzustellen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einem Vorwand
geschickt auszuweichen. Nur theoretisch geeignet ist die
"Ja-aber-Methode". Der Verkäufer gesteht dem
Kunden seine Gründe zu, er hält aber seine eigene
Anschauung dagegen. Doch fühlt sich kaum jemand
verstanden, wenn der andere mit "ja" und dann
sofort mit "aber" antwortet. "Angenommen,
der Preis läge um zehn Mark niedriger, würden Sie dann
kaufen?" oder: "Angenommen, die Anzeige des
Meßwerts wäre größer und besser lesbar?" Mit
diesen Fragestellungen vergrößert sich die Chance, vom
Kunden den wahren Einwand zu erfahren. Der Preis wird
gern zum Vorwand genommen, tatsächlich hat den Kunden
das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht überzeugt. Der
Verkäufer hat also den Nutzen nicht ausreichend
präsentiert, oder das Produkt genügt den gewünschten
Merkmalen nicht vollständig.
Folgende Formulierungen können ebenfalls helfen,
Vorwände von Einwänden zu unterscheiden: "Wenn
dieses Problem nicht wäre, dann ...", "Gesetzt
den Fall, das wäre so und so...".
Ist der entscheidende Einwand gefunden, sollte der
Verkäufer weder widersprechen noch bewerten, belehren
oder rechtfertigen. Es kommt vielmehr auf die Fähigkeit
an, auf den Kunden und dessen Bedürfnisse einzugehen,
zuzuhören, zu antworten und zu informieren. Antworten,
die dem Kunden Verständnis zeigen, können andere
Sichtweisen öffnen. Er gibt eher seine Wünsche kund,
wenn der Verkäufer die emotionale Ebene anspricht. Dies
kann mit Formulierungen wie "Sie sind unschlüssig/
besorgt/ skeptisch/ verunsichert", "Sie haben
Zweifel/ ein schlechtes Gefühl" oder "das
beschäftigt/ ärgert/ belastet Sie" geschehen.
Ausgenutzt?
Eine Apotheke hat, wie jedes Fachgeschäft,
immer das Risiko, daß ein Kunde Informationen sucht,
ohne an einen Kauf zu denken. Er verschafft sich
kostenlos Informationen, verläßt das Geschäft unter
einem Vorwand und versucht, das Produkt in einem anderen
Geschäft billiger einzukaufen. Das ist nicht nur
ärgerlich, sondern auch für jedes Fachgeschäft teuer.
Doch wie davor schützen? Der Apotheker kann nicht in
jedem Kunden einen Schmarotzer sehen, der die kostenlose
Beratung ausnutzt. Das würde sich nicht positiv auf das
Verkäuferverhalten auswirken und keine Mark an Umsatz
mehr erwirtschaften. Betrachten wir derartige
Verhaltensweisen - wenn ihnen schon nicht beizukommen ist
- als Vertrauensbeweis. Echte Abhilfe kann nur ein
apothekenexklusives Sortiment schaffen und das Vertrauen
auf Kollegen, die ihre Zukunft in der Beratung sehen.
PZ-Artikel von Thomas Wurm, Passau
© 1997 GOVI-Verlag
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