Den Homecare-Boom nutzen |
31.10.2005 00:00 Uhr |
Homecare, die ambulante Versorgung von Patienten, wird auf Grund der alternden Gesellschaft und angesichts des medizinisch-technischen Fortschritts an Bedeutung gewinnen. Der Homecare-Markt wächst und ist hart umkämpft. Auch Apotheken können sich als Dienstleister etablieren.
Langzeit- und Intensivpflege, High-Tech-Homecare wie Heimdialyse und betreute Wohngemeinschaften für Senioren: Viele unterschiedliche Versorgungsformen können unter dem Begriff Homecare zusammengefasst werden. Alle Konzepte leisten eine Versorgung der Patienten mit erklärungsbedürftigen Hilfsmitteln, Medizinprodukten, Verband- und Arzneimitteln in deren häuslichem Umfeld. Dienstleistungen, die in den deutschen Apotheken täglicher Standard sind.
Während Pflegedienstmitarbeiter oft geschult werden müssen, um die Patienten zu Hause genauso gut versorgen zu können wie im Krankenhaus, ist beim Apothekenpersonal das nötige Fachwissen vorhanden. Um parenterale Ernährung oder Infusions- und Schmerztherapie umzusetzen, müssen Apotheken aber immer auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft bleiben. Fort- und Weiterbildung sind essenziell. Moderne Wundversorgung oder Stoma- und Inkontinenzversorgung sind ebenfalls typische Homecare-Dienstleistungen.
Heute leiden bereits mehr als fünf Millionen Deutsche unter Harn- oder Stuhlinkontinenz. Die Prävalenz dafür steigt mit zunehmendem Alter. Sind heute mehr als zwei Millionen der über 60-Jährigen inkontinent, so werden bis 2040 bereits 3,2 Millionen betroffen sein. Für die Apotheken wird wichtig sein, sich mit den entsprechenden Hilfsmitteln, ihrer Erstattung sowie den rechtlichen Grundlagen auszukennen.
Die Bedeutung von Homecare wird deutlich zunehmen. Während heute rund drei Millionen Deutsche über 80 Jahre alt sind, werden es im Jahr 2050 knapp zehn Millionen sein. Die Zahl derer, die eine Langzeitpflege gemäß Sozialgesetzbuch (SGB) XI benötigen, wird steigen. Waren es 2004 mehr als zwei Millionen Pflegebedürftige, also etwa jeder 40. Bundesbürger, so werden es laut Pflegestatistik im Jahr 2030 doppelt so viele sein. Homecare wird auch deshalb an Bedeutung gewinnen, weil sich durch DRGs (Diagnosis Related Groups, diagnosebezogene Fallgruppen) die Liegezeiten im Krankenhaus verkürzen.
Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung für häusliche Krankenpflege je Mitglied stiegen im ersten Halbjahr 2005 im Vergleich zum Vorjahr um 8,3 Prozent, während die Ausgaben für Leistungen insgesamt um 3,6 Prozent stiegen. Hält dieser Trend auch im zweiten Halbjahr an, so werden je GKV-Mitglied 2,90 Euro mehr ausgegeben wie als im Vorjahr. Bei rund 50 Millionen GKV-Versicherten sind das umgerechnet mehr als 145 Millionen Euro.
Apotheker mit Lotsenfunktion
Der Wachstumsmarkt Homecare lässt noch einige Fragen offen. Zum Beispiel die unklaren politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die ungeklärte Finanzierung oder die Frage, wer als Lotse des Patienten im häuslichen Umfeld am besten geeignet ist. Derzeit übernehmen diese Aufgabe meist private Anbieter sozialer Dienste. Wie profitabel dieses Geschäft ist, lässt sich daran erkennen, dass zwischen 2001 und 2003 rund 6 Prozent mehr Vollzeitstellen in Pflegediensten geschaffen wurden. Derzeit sind bereits mehr als 250.000 Menschen in der ambulanten Pflege tätig. Das Angebot der Homecare-Unternehmer beginnt mit Entlassung des Patienten aus der Klinik. Ihre Dienstleistungen reichen von Koordinierung der Leistungserbringer über Versorgung der Patienten und Einweisung in die Produkte bis hin zur Therapiekontrolle. »Das Anforderungsprofil an den Lotsen ist gestiegen, da er nicht nur Pflegefachkraft sein muss, sondern auch Managementfunktionen übernehmen muss«, so Andreas Rudolph, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) auf einer MedInform-Veranstaltung zum Thema Homecare. Die Vergütung erfolge allerdings ausschließlich über den Produktpreis. Die Dienstleistung werde nicht extra vergütet.
Daher seien Vertragspreise und Festbeträge von besonderer Bedeutung. Die Krankenkassen sind sich darin einig, dass Homecare zukünftig eine stärkere Rolle spielen werde, die Dienstleistungen aber weiterhin aus dem Produktpreis heraus bezahlt werden sollen.
Auf der Basis von Hausapothekenmodellen können sich auch Apotheken als Dienstleister ins Spiel bringen. Via Lieferservice werden Patienten bis an das häusliche Krankenbett bedarfsgerecht zum Beispiel mit Arzneimitteln oder Medizinprodukten wie Hilfsmittel, In-vitro-Diagnostika oder Verbandmittel versorgt. Zudem beinhalten die Konzepte die Überprüfung der Arzneimittelvorräte und die Information und Einweisung der Patienten in Medizinprodukte. Weiterer Vorteil der Hausapotheke ist die flächendeckende Präsenz. Auch der direkte Patientenkontakt und die fachliche Abstimmung mit dem Hausarzt sind Pluspunkte. Fühlt sich der Apotheker als Case-Manager für den Patienten verantwortlich, könnten zusätzliche Kosten eingespart werden.
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