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Kunden das Spiegelbild zeigen

13.09.1999  00:00 Uhr

-Wirtschaft & HandelGovi-VerlagKOMUNIZIEREN ÜBER KOMMUNIKATION (6)

Kunden das Spiegelbild zeigen

von Annelie Gläßer, Haselbach

Im Verlaufe eines Kundengesprächs bekommen die Apothekenmitarbeiter mitunter entrüstete oder befremdliche Äußerungen zu hören, und sie fragen sich verwundert, warum der Kunde in dieser Form reagiert. Beispiele: "Bemühen Sie sich nicht, es hat sowieso alles keinen Zweck mehr!", "Hoffentlich kann ich mich auf Sie verlassen!", "Ich hätte gewünscht, dass Sie mir weiterhelfen können, aber leider...", "Was, so teuer ist das bei Ihnen?". Meist lassen solche Äußerungen darauf schließen, dass der Kunde etwas Unverdautes mit sich herum trägt.

Jeder weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell er auf Grund von Sorgen, Problemen oder Widersprüchen seine Gelassenheit verlieren und unbeherrscht reagieren kann. Die erste Reaktion auf solche "Seelennotstandsäußerungen" ist meist, das Gesagte geflissentlich zu überhören oder mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Doch damit ist keiner Seite geholfen. Der Kunde hat weiterhin ein ungelöstes Problem und in der Apotheke herrscht Betroffenheit und Verärgerung über das eigene unbeherrschte Reagieren.

Erfolgversprechender ist es, dem Kunden einen Spiegel vor das Gesicht zu halten, der ihm offenbart: "So bist Du im Moment!", "Das fühlst Du!", "Das geht in Dir vor!" Ein Beispiel soll das Arbeiten mit Du-Aussagen oder emotionalen Rückmeldungen im Kundengespräch veranschaulichen:

Spiegeln mit der Du-Aussage

Angenommen, eine Kundin erwidert auf die Beratungsbemühungen in der Apotheke mit: "Ach, hören Sie schon auf, das hat ja sowieso keinen Sinn!" Dahinter könnten sich Gefühle, wie Enttäuschung, Verärgerung, Misstrauen, Verzweiflung, Resignation, Hilflosigkeit oder Rechthaberei verbergen. Mit Du-Aussagenkönnen diese Gefühlsbereiche wie folgt angesprochen werden:

O "Frau Müller, Sie sind enttäuscht, dass Ihnen bisher noch nicht geholfen werden konnte. Sie bezweifeln, in mir den richtigen Ansprechpartner gefunden zu haben oder ob mein Vorschlag das Richtige für Sie ist." Anvisiert werden so die Gefühle der Enttäuschung oder des Misstrauens.

O "Frau Müller, Sie glauben, wir denken vordergründig an unseren Umsatz und befürchten, wir wollen Ihnen nur etwas Teures aufschwatzen." Damit werden die Gefühle der Verärgerung und des Misstrauens angesprochen.

O "Frau Müller, Sie haben die Hoffnung auf Besserung Ihres Zustandes aufgegeben. Sie wollen nicht, dass wir mit unseren Ratschlägen wieder Illusionen bei Ihnen wecken. Sie möchten lieber Ihre Ruhe haben." Damit werden die Gefühle der Verzweiflung, Resignation und Hilflosigkeit angesprochen.

O "Frau Müller, Sie misstrauen unseren Empfehlungen. Sie haben in der Vergangenheit schon vieles ausprobiert und finden, unsere Vorschläge stehen im Widerspruch zu Ihren Erfahrungen." Angesprochen werden so die Gefühle der Rechthaberei, des Misstrauens und der Verunsicherung.

Tipps und Tricks für das Beratungsgespräch

Mit den folgenden Tipps und Tricks können Du-Aussagen erfolgreich angewendet werden:

Die Aussagen sollten möglichst ruhig, gelassen und frei von eigenen Emotionen vorgetragen werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Sobald auch nur die leisesten negativen Emotionen im Ton oder in den mimisch-gestischen Äußerungen mitschwingen, ist das Anliegen, den Kunden zum Offenbaren seiner Gefühlswelt zu veranlassen, gefährdet. Spürt er Kritik an seinem Verhalten, beginnt er sich umgehend abzuschotten oder zu opponieren.

Du-Aussagen sollten möglichst mit der Nennung des Kundennamens eingeleitet werden.

Anstelle der Frageform sollte lieber die Aussageform gewählt werden. Damit wird der Kunde weniger bedrängt und ihm die Freiheit gelassen, zu reagieren, wenn es ihm behagt. Handelt es sich um einen sehr sensiblen oder problematischen Kunden, dann empfiehlt sich eine Gesprächseinleitung mit der Bemerkung: "Wenn ich Sie richtig verstanden habe...". Anschließend können in Kurzsätzen all jene Befindlichkeiten oder Gefühlslagen angeführt werden, die aus der Bemerkung des Kunden heraus zu hören waren. Es ist also durchaus möglich, mehrere Du-Aussagen hintereinander vorzutragen und dabei sowohl negative als auch positive Emotionen, Stimmungen und Beweggründe anzusprechen.

Ist die Gefühlslage des Kunden nur schwerlich richtig zu erfassen, sollten bei einem Aneinanderreihen mehrerer Du-Aussagen kleine Pausen eingelegt werden, um dem Kunden emotionale Rückmeldungen zu ermöglichen.

Treffen die Du-Aussagen nicht den Seelenzustand des Kunden, dann wird dies in der Regel verziehen, weil Gefühle ohnehin nicht einheitlich, sondern sehr subjektiv definiert sind. Außerdem ist die signalisierte Aufmerksamkeit dem Kunden meist wichtiger, als die Treffsicherheit des Inhalts. Hier wiegt der Fakt "man beschäftigt sich mit mir" schwerer und erzeugt Entgegenkommen.

Bei Fehleinschätzungen fühlt sich der Kunde meist genötigt, richtigzustellen – vorausgesetzt, ihm wird die entsprechende Zeit dafür gelassen.

Du-Aussagen sollten niemals in der Absicht formuliert werden, dem Kunden Überlegenheit zu demonstrieren oder ihn vorzuführen. Er muss vielmehr den Eindruck gewinnen, ihm werden in einer wohlwollenden und entspannten Atmosphäre Zuwendung und Information angeboten.

Gerade in kritisch Situationen sollte alles unternommen werden, um mit dem Kunden im Gespräch zu bleiben, denn im miteinander reden liegt eine gute Chance, festgefahrene Situationen wieder zu entspannen und konsensfähig zu bleiben.

Anschrift der Verfasserin:
Dr. Annelie Gläßer
Dorfstraße 2
09509 Haselbach
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