Tätigkeitsprofile der Apothekenleiter |
30.08.1999 00:00 Uhr |
Wirtschaft & Handel
ARBEITSAUFTEILUNG IN DER
APOTHEKE
Welche Tätigkeiten übernehmen einzelne Personen in der Apotheke? Wieviel Zeit verbringen sie mit diesen Aufgaben und welche Kosten ergeben sich daraus für die einzelnen Bereiche? Dies sind Fragestellungen, mit denen sich eine Untersuchung der Treuhand Hannover in ihrem Mandantenkreis befasst hat.
An der Erhebung haben sich über 1100 pharmazeutische Mitarbeiter (inklusive Inhaber) und Helferinnen/PKA beteiligt. Wie sieht beispielsweise das Tätigkeitsprofil des deutschen Apothekenleiters aus? Welche Schlüsse können daraus gezogen werden? Darum geht es in dieser ersten Folge einer neuen Praxis bezogenen Beitragsreihe. In einer weiteren Veröffentlichung geht es dann um die Tätigkeitsprofile von Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern.
Die Apothekenleiter machten der Treuhand gegenüber Angaben bezüglich des Umfangs einschließlich der Verteilung ihrer Arbeitszeit in den verschiedenen Aufgabenbereichen. Anhand der Daten konnten detaillierte statistische Auswertungen zur Zeitverteilung in der Apotheke vorgenommen werden. Um einen Überblick über die gesamte Arbeitszeitverteilung und -organisation zu gewinnen, ist die Zeiterfassung über eine strukturierte Selbsteinschätzung der Beteiligten mittels eines Fragebogens ein bewährtes Instrument. Die erhobenen Zeitdaten aus den Apotheken wurden zusammen mit den Kostendaten der Mitarbeiter, auf die wir in einem späteren Artikel eingehen werden, ausgewertet.
Durch die Zeiterfassung können zum Beispiel folgende Fragen beantwortet werden: Wie sieht die durchschnittliche Verteilung der Arbeitszeit insgesamt und unterteilt nach Berufsgruppen (Chef, angestellte Approbierte, PTA) aus? - In welchen Bereichen der Apotheke liegen die zeitlichen Schwerpunkte und welche Tätigkeiten spielen (unter zeitlichem Aspekt) eine eher untergeordnete Rolle? - Wo entstehen die Kosten und wie hoch sind sie?
Tabelle 1 führt die wichtigen Kennziffern der teilnehmenden Apotheken auf. Die Kopfzahl gibt die Zahl der Beschäftigten ungeachtet ihrer Wochenarbeitszeit wieder. Bei den Stellen wurden die Mitarbeiter auf Vollzeitstellen umgerechnet. Die Differenz zwischen Mitarbeiteranzahl nach Köpfen und nach Vollzeitstellen gibt einen Anhaltspunkt für den Grad des Einsatzes von Teilzeitarbeit.
Kennzahlen der teilnehmenden Apotheken |
||
Durchschnitt der Apotheken | West | Ost |
Köpfe je Apotheke inklusive Leiter | 6,7 | 7,8 |
Vollzeitstellen je Apotheke inklusive Leiter | 5,4 | 7,0 |
Ø Vertragsarbeitszeit je Mitarbeiter | 27,5 | 32,1 |
Ø Wochenarbeitszeit je Leiter | 47,0 | 47,3 |
Ø Wochenöffnungszeit | 47,1 | 54,6 |
Noch deutlicher spiegelt sich dieser Grad in der zu berechnenden durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit wider. Je höher die Wochenarbeitszeit ist, desto stärker geht der Trend in Richtung Vollzeitbeschäftigung. Im Durchschnitt arbeiten also die Apothekenleiter der untersuchten Apotheken rund 47 Wochenstunden, das sind 124 Prozent von 38 Wochenstunden; die Mitarbeitern arbeiten durchschnittlich 27,5 und im Osten 32,1 Stunden, was 72 beziehungsweise 84 Prozent im Osten entspricht. Im Westen findet sich im Durchschnitt eine volle Abdeckung der Wochenöffnungszeit durch den Leiter. Wie zu erwarten war, zeigen die Apothekenleiter in Ost und West gegenüber der Wochenarbeitszeit der Angestellten ein überdurchschnittliches zeitliches Engagement in ihren Apotheken.
Bei der Erhebung der Zeitdaten wurde ein Tätigkeitenkatalog zugrunde gelegt, der folgende vier Hauptkategorien (Unterpunkte sind nur teilweise wiedergegeben) umfasste:
Abgestellt wurde auf die effektiv geleistete Arbeitszeit unter Berücksichtigung von Urlaub und Krankheit. Im Klartext heißt dies beispielsweise: Eine Vollzeit-Mitarbeiterin steht nicht 52 Wochen lang mit 38 Stunden zur Verfügung, sondern hat auch Anspruch auf Urlaub und kann einmal krank werden. Diese Fehlzeiten werden pauschal mit insgesamt sieben Wochen berücksichtigt. Es ergibt sich so eine tatsächlich geleistete Jahresarbeitszeit von 45 Wochen mal 38 Stunden. Das sind im Jahr 1710 Stunden.
Abbildung 1: Zeitverteilung gesamt pro Jahr und Apotheke - West; herausgezogenes Segment L = Anteil der Apothekenleiterin, des Apothekenleiters
Abbildung 2: Zeitverteilung gesamt pro
Jahr und Apotheke - Ost;
herausgezogenes Segment L = Anteil der Apothekenleiterin/ des Apothekenleiters
Abbildung 1 und 2 zeigen die prozentuale Zeitverteilung der gesamten Arbeitszeit aller Mitarbeiter und der Leitung pro Apotheke in den vier Haupttätigkeitsblöcken, also dem Tätigkeitsprofil der Durchschnittsapotheke. Insgesamt werden durchschnittlich 9189 (West) und 11994 (Ost) Stunden je Apotheke und Jahr gearbeitet.
Überraschend ist: Von der Gesamtarbeitszeit entfallen zwischen 43,6 und 46,5 Prozent auf den Verkauf. In umsatzstarken Apotheken ist dieser Anteil etwas höher. Anders ausgedrückt: Der Wertschöpfungsquelle der Apotheke, dem Kunden, kommt weniger als die Hälfte der Zeit zu Gute. Es folgen Einkauf/Warenwirtschaft, sonstige Tätigkeiten und Rezeptur/Defektur.
Die Chefin/der Chef beteiligt sich je nach Apothekengröße zeitlich zu rund 20 bis 30 Prozent am Verkauf. In der Rezeptur und im Einkauf liegt der Anteil unter 10 Prozent. Am höchsten, nämlich 50 Prozent, ist der Leiteranteil bei sonstigen Tätigkeiten. Ursächlich dafür sind die Bürotätigkeiten, die "Chefsache" sind.
Abbildung 3: Zeitverteilung pro Jahr und Apotheke - Leiter/in West
Abbildung 4: Zeitverteilung pro Jahr und Apotheke - Leiter/in Ost
Das Zeitprofil der Apothekenleiter (siehe Abbildungen 3 und 4) setzt sich vor allem in puncto Rezeptur und sonstigen Tätigkeiten stark von der Gesamtverteilung aller Beschäftigten ab. Wer die Arbeitsabläufe in der öffentlichen Apotheke kennt, weiß: Aussagen über die optimale Aufteilung der Arbeitszeit für Apothekenchefs oder Mitarbeiter können nicht allgemein getroffen werden. Die individuellen Gegebenheiten, Erfordernisse und die Organisationsstruktur sind in Apotheken zu unterschiedlich. Auch lassen sich keine Korrelationen bestimmter Zeitprofile mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen bilden. Eine bestimmte Zeitverteilung ist nicht unbedingt das Kennzeichen für einen umsatz-, ertragsstarken oder ertragsschwachen Betrieb.
Auffällig beim Leiterprofil ist der hohe Anteil an sonstigen Tätigkeiten. Darunter fallen überwiegend Bürotätigkeiten und dies noch mehr in den neuen Bundesländern, was auch auf die mit der größeren Mitarbeiterzahl verbundene Aufgabenfülle zurückzuführen sein kann. Der Anteil in Einkauf und Warenwirtschaft ist bedingt durch das Engagement der Apothekenleiter im Direktbezugsgeschäft (vor allem Vertretergespräche). Hier sollte sich jede Apothekenleiterin/jeder Apothekenleiter einmal fragen, ob noch ein Rationalisierungspotential besteht und Tätigkeiten an Mitarbeiter delegiert oder aber professionelle externe Dienstleister (Buchführung, Dekoration) vergeben werden können. Kritisch sollten besonders die kundenfernen Tätigkeiten betrachtet werden. Sie sind für den Apothekenbetrieb zwar wichtig, sollten aber zugunsten der Verkaufs- und Beratungstätigkeiten minimiert werden.
Viele Routinetätigkeiten im Büro, wie etwa das Führen des Kassenbuches, das Schreiben von Rechnungen oder Überweisungen, könnten durchaus von einer zuverlässigen PKA oder einer anderen Mitarbeiterin übernommen werden. Der Aufwand für die Einarbeitung mag zwar erheblich sein, die Entlastung später wiegt dies aber wieder auf. Schließlich wirkt sich die Übertragung von verantwortungsvollen Aufgaben positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit aus.
Gleiches gilt für den Direktbezug. Nicht mit jedem Firmenvertreter muß die Apothekenleitung persönlich verhandeln. Unter bestimmten Vorgaben, wie Höchstbestellmenge, Mindestrabatt etcetera kann eine Mitarbeiterin diese Aufgabe übernehmen (siehe hierzu PZ 41/97). Gerade für die klassischen Führungsaufgaben (Mitarbeitergespräche), für die der Leiter oft meint, viel zu wenig Zeit zu haben, lassen sich auf diese Art und Weise Zeitfenster gewinnen. Unser Rat ist: Delegieren, denn jede Minute, die dem Kunden mehr gewidmet werden kann, trägt nachhaltigen Kundenbindung bei sichert die wirtschaftliche Existenz der Apotheke und ihrer Mitarbeiter.
Fazit: Der Personaleinsatz ist qualitativ und quantitativ durch zu organisieren. Dabei dürfen die individuellen Apothekenbedürfnisse nicht außer acht gelassen werden. Das sollte Ziel jeder Apotheke sein (siehe auch PZ 39/1998).
Anschrift der Verfasserinnen:
Ursula Hasan-Boehme, Dipl.-Volkswirtin, Steuerberaterin
Dr. Jutta Degenhardt, Apothekerin
Treuhand Hannover GmbH Steuerberatungsgesellschaft
Hildesheimer Str. 271, 30519 Hannover
© 1999 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de