Generationenvertrag mit Grenzen |
06.06.2005 00:00 Uhr |
Denn die so genannte »Sandwich-Generation« sehe sich erheblichen Belastungen ausgesetzt, weil sie in der Regel für die eigenen Kinder zahlen und sich zunehmend auch um die eigene Altersvorsorge kümmern müsse.
Der Erste Senat schränkte damit Regressforderungen der Sozialämter deutlich ein, die häufig die Heimkosten vorstrecken und sich dann bei den Nachkommen schadlos halten wollen. Das Karlsruher Gericht gab damit der Beschwerde einer 66-jährigen Frau gegen eine Forderung des Bochumer Sozialamts statt, das für die Heimunterbringung ihrer inzwischen gestorbenen Mutter knapp 63 000 Euro gezahlt hatte (Aktenzeichen: 1 BvR 1508/96 vom 7. Juni 2005).
Nach den Worten des Gerichts ist der so genannte Elternunterhalt nachrangig gegenüber der Pflicht, für die eigenen Kinder und die Altersabsicherung zu sorgen. Der Senat verwies auf die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Kinder für ihre Eltern nur dann Unterhalt zahlen müssen, wenn sie dadurch keine spürbare und dauerhafte Senkung ihres bisherigen Lebensstandards erleiden. Der Gesetzgeber habe »relativ schwache Rechtsposition« des Elternunterhalts auch durch die Einführung der »Riesterrente« verdeutlicht, weil dadurch vom Einzelnen ein noch größeres Maß an privater Altersvorsorge erwartet werde.
Das Urteil stieß überwiegend auf Zustimmung. Werner Hesse vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sagte im Sender MDR INFO, die mittlere Generation sei nur begrenzt für den Unterhalt der Eltern leistungsfähig, zumal sie bereits über Steuern, Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung für die ältere Generation zahle. Nach Ansicht der Seniorenunion der CDU dient das Urteil der Generationengerechtigkeit.
Jörn Hauß, Anwalt der Beschwerdeführerin, erwartet, dass der Elternunterhalt durch das Urteil noch weiter zurückgedrängt werde. Kritik kam dagegen von der betroffenen Stadt Bochum: »Die Sozialhilfeträger können nicht die Vergreisung der Gesellschaft finanzieren«, sagte deren Rechtsdezernent Hanspeter Kirsch.
In dem Bochumer Fall hatte sich das Sozialamt mit einem Trick beholfen: Sie stundete der Frau die Regressforderung als zinsloses Darlehen und ließ sich dafür eine Grundschuld auf ihren Eigentumsanteil an einer Immobilie eintragen. Nach dem Tod der Tochter, so der Plan, wollte das Amt das Haus »versilbern« und sich so Heimkosten zurückholen. Das Landgericht Duisburg bestätigte diese Konstruktion.
Nach Ansicht der Karlsruher Richter entbehrt diese bundesweit einzigartige Vorgehensweise jeder Rechtsgrundlage. Denn zu Lebzeiten ihrer Mutter war die Tochter mangels ausreichendem Einkommen nicht unterhaltspflichtig; auch der Hausverkauf war ihr nicht zumutbar. »Diese rechtliche Konstruktion würde letztlich Sozialhilfeansprüche gänzlich zum Wegfall bringen«, befand das Gericht. Denn mit dem Umweg über ein Darlehen könnten die Behörden ihre Leistungen immer wieder refinanzieren.
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