Große wollen unter sich bleiben |
24.05.2004 00:00 Uhr |
Unternehmen brauchen eine Lobby und deswegen müssen sie in Berlin vertreten sein. Seit einigen Wochen ist in der Hauptstadt von einem neuen Verband die Rede: „Pro Generika e.V.“ soll die Interessen eines exklusiven Zirkels von Generikaherstellern vertreten. Doch hinter den Kulissen stören die harten Bandagen des Marktes beim Schulterschluss.
Der Deutsche Generikaverband ist bislang die offizielle Vertretung der Geschäftsinteressen der durchaus überschaubaren und sich zusehends konzentrierenden Riege deutscher Generikaproduzenten. Doch mit dem Austritt von Wachstumsprimus Hexal aus dem Verband verlor der Verband nicht nur mehr und mehr Beitragszahler, sondern auch den Zugang zur Politik. Der Verband gilt seit einiger Zeit als nicht mehr handlungsfähig.
Nun hat sich Ratiopharm, die sich seit einiger Zeit um eine stärkere öffentliche Pointierung ihrer Belange in Berlin mühen, zu einer eigenen Initiative durchgerungen. Auch wenn man sich in der Ulmer Geschäftszentrale nur zu einem äußerst dünnen Statement durchringen konnte, wurde doch bestätigt, dass Pro Generika e.V. die eigenen Interessen und die anderer Hersteller vertreten solle.
Die Rede ist von den „drei Großen“ des Marktes – das sind Ratiopharm, Hexal und Stada. Ein Unternehmenssprecher der Stada hatte bereits am Montagabend gegenüber der PZ bestätigt, dass man sich an Pro Generika beteiligen wolle. Details gebe es noch nicht. Allerdings war auch in Bad Vilbel die Rede von drei Verbandsmitgliedern. Bei der Holzkirchener Hexal AG steht man dem Thema indes äußerst zwiespältig gegenüber. Nach PZ-Informationen sind die fortlaufenden Spannungen, die sich insbesondere im harten Wettstreit um Marktanteile abbilden, der Grund, warum sich Hexal nicht zu einem Engagement entschließen kann. Auch wenn man nicht ausschließen will, irgendwann einer Interessensvertretung beizutreten, gibt man sich abwartend.
Kritisch wird hier das Maß an Exklusivität betrachtet, das allem Anschein nach die Ratiopharm vorgesehen hat. Die Ulmer verkünden zwar, der Verband befinde sich „auf Initiative verschiedener Generikahersteller in der Gründungsphase“. Allerdings dürfte es nach PZ-Informationen nur die Ratiopharm selbst gewesen sein, die in Berlin Lobby betreiben will.
Doch auch mit den drei Unternehmen Ratiopharmn, Hexal und Stada dürfte in Berlin kein wesentlicher Staat zu machen sein – Branchendominanz hin oder her. Denn bei offiziellen Anhörungen, beispielsweise im Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung, werden nur Verbände geladen, die sieben oder mehr Mitglieder aufweisen können. Für die Generikabranche wäre dies indes nur das halbe Problem, da mitunter 100-prozentige Tochterunternehmen in Konkurrenz zum Mutterkonzern im Markt agieren. Die Politik würde einen solchen Verband kaum ernst nehmen. Davon ist man mancherorts überzeugt. Größer noch ist aber die Gefahr, dass die Exklusivität mit einem Kartell gleichgesetzt werden könnte. Darauf weist ein ranghoher Mitarbeiter im Gesundheitsministerium hin. Zitat: „Wenn die drei Größten alles unter sich ausmachen, dann ist doch klar, dass sich das nicht nur auf die Lobbyarbeit beschränken wird.“
Während es in Ulm hieß, der Verband werde „im Laufe des Jahres seine Aktivitäten aufnehmen“, sehen andere Marktbeteiligte die Maßnahme äußerst kritisch. Gerhard Höhrl, Geschäftsführer der Sandoz, wurde bislang „nicht aktiv angesprochen“, ob er dem exklusiven Klub angehören wolle. Sandoz zählt zu den verbliebenen Mitgliedern des Deutschen Generikaverbandes, hat seine Mitgliedschaft dort aber auch zum Jahresende gekündigt. Für Höhrl ist „Pro Generika e.V.“ in der derzeit geplanten exklusiven Ausrichtung „eine Farce“. Dieser „Klub“ werde Unternehmenslobby betreiben, aber nicht die Brancheninteressen vertreten, so Hörl.
Das anscheinend enorme und auch verständliche Interesse der Ratiopharm am Gespräch mit der Politik spiegelte sich am Mittwochabend in einem Parlamentarischen Abend in der Landesvertretung Baden-Württemberg wider. Der Generikahersteller, der zur Merckle-Gruppe gehört, hatte zahlreiche Abgeordnete eingeladen, um sich und seine Ziele zu präsentieren.
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