Gute Bilanz und gegen Versandhandel |
06.05.2002 00:00 Uhr |
Sanacorp Pharmahandel
Die Bilanzpressekonferenz der Sanacorp Pharmahandel AG am 6. Mai in München nahm der Vorstandsvorsitzende Dr. Jürgen Brink zum Anlass, das Versandhandels-Votum des Runden Tischs heftig zu kritisieren. Im Übrigen konnte er von einem erfreulichen Geschäftsjahr 2001 berichten.
Nach der Aussetzung staatlicher Eingriffe im Frühjahr 2001 stieg der Umsatz im Teilkonzern über dem Markt um 8,9 Prozent auf 2247,1 Millionen Euro. Brink: "Gerade die gesunde und natürliche Wachstumsdynamik des Marktes war deutlich zu beobachten." Die sonstigen betrieblichen Erträge der Firmentöchter B.P.S Bau-Projektsteuerung, U. Perrey Vermittlungsgesellschaft und Sanalog Logistik betrugen 24,6 Millionen Euro nach 62,2 Millionen Euro im Jahr 2000. Damals waren die Anteile an der österreichischen Herba AG veräußert worden. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erhöhte sich bereinigt von 13 Millionen auf 26,9 Millionen Euro. Der Jahresüberschuss verringerte sich wegen des Herba-Effekts von 55,4 Millionen auf 13,2 Millionen Euro. Er sei auch wegen einer steuerlichen Betriebsprüfung nicht vergleichbar, sagte Brink. Das Ergebnis je Aktie beträgt 1,65 nach 1,04 Euro im Vorjahr. Positiv bewertete Brink die Eigenkapitalquote, die auf Grund der erstmaligen Anwendung der IAS-Bilanzregeln von 38,6 auf 40,5 Prozent anstieg. Den Aktionären soll je Stammaktie 84 und je Vorzugsaktie 89 Cent ausgeschüttet werden.
Groß investiert wurde 2001 in ein neues Logistikzentrum für Sanalog im saarländischen Neunkirchen. Inzwischen ist Sanalog für 14 pharmazeutische Hersteller tätig und konnte von ihnen Dienstleistungsgebühren von 8,5 Millionen Euro einnehmen.
Krankenhausgeschäft
Ebenfalls erfreulich entwickelte sich das neue Geschäftsfeld Krankenhausbelieferung. Die Marktdurchdringung im relevanten Krankenhausmarkt stieg von 35 auf 40 Prozent, berichtete Brink. Von den insgesamt 550 deutschen Krankenhausapotheken werden außerhalb Nordrhein-Westfalens (dem Marktgebiet der Noweda-Genossenschaft) 160 mit Präparaten beliefert, die nicht auf den Anforderungslisten der einzelnen Häuser stehen. Dabei handelt es sich meist um Medikamente, die nur ein bis dreimal pro Jahr bestellt werden. Dieser vom Pharmagroßhandel belieferbare Markt wird sich nach Einschätzung Brinks von jetzt 1,5 auf über 5 Prozent ausweiten.
Sanacorp will sich in Abstimmung mit den Krankenhausapotheken und der ADKA auch über eine Vernetzung mit den Warenwirtschaftssystemen der Krankenhäuser daran ertragreich beteiligen.
Wechsel im Vorstandsvorsitz
Vorsichtig war Brinks Aussage zur Umsatzentwicklung im laufenden Jahr. Nachdem die Erlöse im ersten Quartal um 3 Prozent auf 571,5 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum anstiegen, rechnet der Vorstand für das Gesamtjahr mit einem dreiprozentigen Wachstum. Brink wird es bis zum Ende als Chef begleiten. Anfang 2003 übergibt er den Vorsitz an seinen Stellvertreter Manfred Renner.
"Die Empfehlung des Runden Tischs zur Einführung des Versandhandels mit Arzneimitteln kann nicht unkommentiert bleiben", sagte Brink und setzte sich mit den "populistischen Scheinargumenten" gründlich auseinander, zumal das Internet vom Pharmagroßhandel und den Apotheken als modernes Informations- und Beratungsinstrument für Patienten längst genutzt. Der Versandhandel müsse davon aber strikt getrennt werden. Das Internet sei nicht geeignet, die unverzichtbare Funktion der Apotheken als letzte Kontrollinstanz vor Aushändigung der Arzneimittel an den Patienten zu ersetzen.
Ins Leere laufe der politische Verweis auf eine mögliche Kollision des deutschen Versandhandelsverbots mit europäischem Recht. "Denn die Fernabsatzrichtlinie von 1997 gestattet es den Mitgliedsstaaten der EU ausdrücklich, im Interesse der Allgemeinheit" den Versandhandel mit Arzneimitteln in ihrem Hoheitsgebiet zu verbieten. Brink weiter: "Auch die E-Commerce-Richtlinie von 2000 lässt die rechtlichen Anforderungen der Mitgliedsstaaten bezüglich der Lieferung von Humanarzneimitteln ausdrücklich unberührt." Gemeinschaftsrechtlich sei außerdem eine regional oder national begrenzte Freigabe des Versandhandels ausgeschlossen und ebenso unvereinbar wie die Einführung zusätzlicher Kontrollen für aus dem EU-Ausland eingeführte Arzneimittel. "Dies würde dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Diskriminierungsverbot eindeutig widersprechen", sagte Brink, und weiter: "Würde der deutsche Gesetzgeber das Versandhandelsverbot aufheben, würden sich die Anforderungen an die Arzneimittelsicherheit und den Verbraucherschutz bei Lieferungen aus dem EU-Ausland grundsätzlich nur noch aus dem Recht des Herkunftslandes ergeben. Nicht nur das geltende Zulassungssystem wäre dann ausgehebelt, sondern auch die Arzneimittelpreisverordnung, die jedem Patienten den gleichen Preis für ein Arzneimittel in Deutschland garantiert."
Kein Vollsortiment im Versand
Basis der Arzneimittelpreisverordnung sei die völlig anders strukturierte Nachfrage nach Arzneimitteln als normale Konsumgüter. So erziele der Pharmagroßhandel mit etwa 2000 Arzneimitteln 80 Prozent des Umsatzes, obwohl er 60.000 unterschiedliche Arzneimittel in seinen Niederlassungen vorrätig hält, um eine flächendeckende therapeutische Versorgung sowie den Marktzutritt auch kleinerer und mittlerer Hersteller zu gewährleisten. Für den Großhandel und die abgebende Apotheken seien selten gefragte Arzneimittel wirtschaftlich nicht interessant. Dagegen sei ihre sofortige Verfügbarkeit für die betroffenen Patienten von großer, oft lebensrettender Bedeutung. Ein vollständiges Sortiment könnte eine Versandapotheken nicht führen. Sie "widerspricht somit der ökonomischen Logik unserer Arzneimitteldistribution, da nur versandfähige Produkte in Frage kommen." Brink nannte konkret Arzneimittel zur Akutbehandlung oder mit Gefährdungspotenzial, diebstahlgefährdete oder kühlpflichtige Arzneimittel. Nur Schnelldreher und leicht zu transportierende Produkte mit geringen Handelskosten könnten über den Versand zugestellt werden.
Wer den Arzneimittelversandhandel befürworte, müsse daher auch einer völlig neuen Preiskalkulation zustimmen, "die auf Grund des Aufbaus zweier Versorgungssysteme kostspieliger ist als die heutige Arzneimitteldistribution". Auch müsste vom einheitlichen Abgabepreis Abschied genommen werden.
Sieger einer solchen Entwicklung wären kurzfristig gesehen kapitalkräftige Konzerne, die Apothekenketten betreiben und in Gemeinschaftswerbung für ihre Apotheken auf Arzneimittel-Sonderangebote hinweisen. Eine solche Untergrabung des bestehenden Fremd- und Mehrbesitzverbots für Apotheken ginge aber völlig zu Lasten der Patienten und ihrer wohnortnahen Rund-um-die-Uhr-Betreuung und Arzneimittelversorgung.
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