Sandoz zieht nach Bayern |
25.04.2005 00:00 Uhr |
Da waren sich ausnahmsweise sogar Edmund Stoiber (CSU) und Wolfgang Clement (SPD) einig: Die am Dienstag von Sandoz verkündete Entscheidung, die Unternehmenszentrale von Wien ins bayerische Holzkirchen zu verlegen, kann ein Signal für den Standort Deutschland sein.
Der weltgrößte Generika-Hersteller Sandoz verlegt seine Zentrale von Österreich nach Deutschland. Im bayerischen Holzkirchen bei München, Sitz des kürzlich von Sandoz gekauften Pharmaunternehmens Hexal, sollen Entwicklung, Produktion und operatives Geschäft zusammengeführt werden.
Die neue Zentrale soll etwa 150 Mitarbeiter haben. Große Investitionen in Holzkirchen plant das Unternehmen nach Angaben von Sandoz-Chef Dr. Andreas Rummelt (siehe Kurz-Interview) vorerst nicht. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber sprach von einer »Signalwirkung über den Tag hinaus«.
Bundeswirtschaftsminister Clement begrüßte die Entscheidung der Novartis AG, den Hauptsitz der Sandoz von Wien nach Holzkirchen zu verlegen. Dies beweise die Attraktivität des Standortes Deutschland für international agierende Unternehmen, und zwar auch im Wettbewerb mit Nachbarländern wie Österreich, sagte Clement. Das Beispiel sei auch ein Hinweis auf die Anziehungskraft des deutschen Pharmamarktes. Zuletzt hatten einflussreiche Pharmalobbyisten immer wieder vor einer Abwanderung der Industrie gewarnt.
Die Sandoz-Unternehmensleitung ist bislang in Wien ansässig; dort sind 115 Mitarbeiter beschäftigt. »Wie wir in den letzten zwei Jahren gelernt haben, ist die Isolation eines weltweiten Headquarters im Elfenbeinturm nicht sinnvoll«, sagte der Chef der schweizerischen Sandoz-Mutter Novartis, Daniel Vasella. Insgesamt sollen etwa 40 neue Arbeitsplätze für die Sandoz-Führungsetage entstehen.
Der Umzug soll etwa sechs Monate dauern und in der zweiten Jahreshälfte beginnen, sobald die EU den Hexal-Kauf offiziell genehmigt hat. Rummelt lobte die gute Infrastruktur und das gute Umfeld für Biotechnologie-Firmen im Raum München.
Neben Wien und Holzkirchen stand auch der Novartis-Sitz Basel zur Wahl. Basel habe jedoch keine geeignete Generika-Infrastruktur, sagte Vasella. Für Holzkirchen sprach außerdem die niedrige Gewerbesteuer - die 35 Kilometer südlich von München gelegene Marktgemeinde hat kürzlich ihren Gewerbesteuersatz um ein Drittel gesenkt.
Nachdem Novartis Hexal Ende Februar für 5,65 Milliarden Euro übernommen hatte, war bereits mehrfach von einer geplanten Verlegung des Firmensitzes die Rede. Novartis hatte außerdem das US-Unternehmen Eon Labs gekauft. Zusammen kommt das Unternehmen mit 20.000 Mitarbeitern derzeit auf rund 5 Milliarden Euro Umsatz.
»Wir können durchaus im Wettbewerb bestehen«, sagte Stoiber, der die Entscheidung als Erfolg der bayerischen Wirtschaftspolitik wertete. Der CSU-Chef forderte die Bundesregierung auf, rasch weitere Reformen in die Wege zu leiten. «Deutschland verliert jeden Tag mehr als 1000 Arbeitsplätze ins Ausland, weil Unternehmen in anderen Teilen der Welt günstigere Bedingungen vorfinden als in Deutschland.
Interview: Gut im Zeitplan
Im Telefoninterview erläuterte Sandoz-Vorstandschef Dr. Andreas Rummelt am Dienstag die Perspektiven des Konzerns.
PZ: Warum haben Sie sich für Holzkirchen als Standort ihrer Konzernzentrale entschieden?
Rummelt: Wir haben in Holzkirchen den Vorteil, dass wir verschiedene operative Einheiten eng beieinander haben. Das schafft erhebliche Vorteile. Zudem ist unsere Deutschlandzentrale bereits in Ismaning.
PZ: Wir verläuft die Zusammenführung von Sandoz und Hexal?
Rummelt: Wir liegen sehr gut im Zeitplan. Die Integration entwickelt sich sehr positiv. 70 Prozent unserer General Manager in den verschiedensten Ländern sind bereits bestimmt. Nun beschäftigen wir uns insbesondere in den größeren Ländern damit, wie wir unsere Markenpolitik gestalten.
PZ: Können Sie die durch Synergien frei werdenden Jobs durch das starke Wachstum auffangen?
Rummelt: Wir werden in Holzkirchen zunächst unsere besten Kräfte zusammenziehen - die Besten aus Wien und aus Holzkirchen. Wenn irgendwie möglich, werden wir die übrigen Leute innerhalb des Konzerns unterbringen.
PZ: Wie ist die aktuelle Marktentwicklung und wie wird Sandoz davon profitieren?
Rummelt: Wir gehen weiterhin von einem weltweiten Wachstum des Generikamarkts von jährlich 10 Prozent aus. Als Weltmarktführer wollen wir in dieser Größenordnung mindestens ebenfalls wachsen. Deshalb werden wir die Integration von Hexal mit aller Sorgfalt betreiben.
Kommentar: Logische Entscheidung Es geschieht nicht alle Tage, dass sich ein Pharmakonzern von globalem Format für den Standort Deutschland entscheidet. Bei Sandoz hat die Entscheidung viele Väter. Ob Wolfgang Clement dazu gehört, darf ernsthaft bezweifelt werden.
Sandoz hat Hexal gekauft. Und die logische Folge dieser Entscheidung ist es, die Konzernzentrale in Holzkirchen anzusiedeln. Sicherlich sind Freistaat und Kommune dem Konzernmanagement sehr weit entgegengekommen. Nicht auszudenken, wenn sich Sandoz zum Beispiel für Basel entschieden hätte. Das hätte im Verlauf der Zusammenführung unweigerlich zum teilweisen Ausbluten des Standorts in Holzkirchen geführt.
Es wird nicht so sein, dass am neuen, alten Standort hundertfach neue Arbeitsplätze entstehen. Mit der Zusammenführung von Sandoz und Hexal werden Synergien frei - auch in Form von Arbeitsplätzen. Inwieweit diese Jobs durch den Boom im Generikamarkt in den kommenden Jahren wieder zurückkehren werden, kann heute noch niemand sagen. Klar ist: Die Standortentscheidung von Sandoz für Holzkirchen und für Bayern ist zudem nur bedingt eine Standortentscheidung für Deutschland. Sandoz hat sich für die beste der drei Optionen entschieden. Dass Sandoz nach Holzkirchen zieht, ist eine Fortschreibung der Unternehmensgeschichte von Hexal. Nicht mehr und nicht weniger.
Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion
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