Gedämpftes Wachstum |
21.04.2003 00:00 Uhr |
Boehringer Ingelheim hat auch 2002 zugelegt. Trotz eines insgesamt schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes konnte das größte nicht börsennotierte Pharmaunternehmen Deutschlands sein Ergebnis im abgelaufenen Geschäftsjahr 2002 weiter verbessern. Im dritten Jahr in Folge ist das Unternehmen kräftiger als der Markt gewachsen (um zwei Prozentpunkte) und hat damit seine Position in vielen Ländern deutlich verbessern können.
Die Unternehmenserlöse stiegen 2002 um 13,2 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro (Vorjahr: 6,7 Milliarden Euro). Das Betriebsergebnis wuchs um 10,4 Prozent auf 1,1 Milliarde Euro (Vorjahr: 980 Millionen Euro). Das Ergebnis nach Steuern verbesserte sich auf 537 Millionen Euro. Gegenüber dem Vorjahr ist dies eine Steigerung um 34 Prozent. „Wir blicken sehr optimistisch in die Zukunft, denn wir sind in der sehr komfortablen Lage, in den kommenden Jahren einen immer größeren Anteil unserer Produktpalette mit patentgeschützten Präparaten bestreiten zu können“, sagte der Sprecher der Unternehmensleitung, Professor Dr. Rolf Krebs, auf der Bilanzpressekonferenz. Die wichtigsten patentgeschützten Präparate hätten ihre Spitzenumsätze noch nicht einmal erreicht. Dazu gehören zum Beispiel das Bluthochdruckmittel Diuretikum Hydrochlorothiazid (Micardis®) mit einem Umsatzwachstum von 54 Prozent oder das Prostata-Mittel Tamsulosin HCl (Flomax, Alna®), dessen Umsatz um 23,3 Prozent anstieg.
Das Highlight im Jahr 2002 war aus Sicht des Unternehmens die Markteinführung von Spiriva gegen chronisch-obstruktive Atemwegserkrankungen (COPD) in 13 Ländern. Die ersten Umsatzzahlen lägen weit über den Erwartungen. Bereits in den ersten wenigen Monaten nach der Markteinführung seien fast 40 Millionen Euro erlöst worden. Im laufenden Jahr sind Markteinführungen in weiteren 38 Ländern geplant.
4000 neue Mitarbeiter
Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen baut Boehringer seinen Personalbestand aus. Im letzten Jahr betrug der Zuwachs weltweit 13,8 Prozent auf knapp 32.000 Mitarbeiter. Davon sind in Deutschland 9467 (in Ingelheim und Biberach) beschäftigt.
Der Bereich Humanpharmazeutika macht 96 Prozent der Erlöse aus und wuchs 2002 um knapp 14 Prozent auf 7,3 Milliarden Euro. Das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, mit 75 Prozent an den Erlösen Hauptumsatzträger im Bereich der Humanpharmazeutika, wuchs um 7,7 Prozent auf knapp 5,7 Milliarden Euro.
Das Selbstmedikationsgeschäft des Unternehmens wuchs um 63 Prozent auf 1,05 Milliarden Euro. Hinter dieser Zahl verbirgt sich allerdings die Akquisition von SSP Ltd., dem drittgrößten japanischen Selbstmedikationsunternehmen. Ohne diesen Erwerb hätte der Umsatz 639 Millionen Euro betragen, was einem Umsatzrückgang von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr entsprochen hätte. Das Selbstmedikationsgeschäft in Deutschland stagnierte im vergangenen Jahr.
US-Geschäft kurbelt Umsatz an
Der Boehringer-Chef wies auf die erfreuliche Wachstumsentwicklung in den USA hin. Dort stiegen die Erlöse um knapp 13 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro. Der Umsatz in den USA sei damit höher als in Europa. Das weiterhin höhere Wachstum in den USA werde diesen Abstand in Zukunft noch vergrößern. Dagegen habe das Deutschland- und das Europageschäft weiter an Boden verloren. In Deutschland waren die Erlöse im vergangenen Jahr um zwei Prozent zurückgegangen.
Mit Bedauern stellte Krebs fest, „dass die Gesundheitspolitiker in Berlin und auch in Brüssel leider alles Erdenkliche tun, die Wettbewerbsfähigkeit der forschenden Pharmaindustrie in Deutschland und Europa weiter zu schwächen“. Die Förderung von Parallel-Importen, die Positivlisten oder die Aut-idem-Regelung seien Wachstums- und Investitionsbremsen für die pharmazeutische Industrie. Im vergangenen Jahr sei deutlich geworden, wie groß der von der Politik verursachte Schaden sei. Von der einstmaligen „Apotheke der Welt“ sei nichts mehr übrig geblieben. Noch vor zehn Jahren habe der Konzern 26,7 Prozent seiner Erlöse in Deutschland erzielt, im vergangenen Jahr seien es nur noch 8,1 Prozent gewesen.
Krebs schätzt die mittelfristigen Perspektiven des Unternehmens dennoch als sehr positiv ein. Konkrete Prognosen für das laufende Jahr seien allerdings äußerst schwierig, da der Währungskurs sowie gesamtwirtschaftliche und politische Risiken nicht einzuschätzen seien. Krebs erwartet deshalb ein gedämpftes Wachstum. Für die kommenden Jahre sieht er dagegen ein „ungebrochenes dynamisches Wachstum“. Darüber hinaus drohte er an, dass die europäische und insbesondere die deutsche Gesundheitspolitik mittelfristig zu veränderten Investitionsentscheidungen des Unternehmens führen würden.
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