Pfizer muss Schlappen wegstecken |
11.04.2005 00:00 Uhr |
Die schlechten Nachrichten für den weltgrößten Pharmakonzern reißen nicht ab: Die Analysten haben Pfizer nach dem Verkaufsstopp von Bextra auf dem Kieker, es drohen Sammelklagen und zahlreiche Entlassungen von Mitarbeitern.
Der Berliner Anwalt Michael Witti bereitet nach eigenen Angaben eine Sammelklage gegen den Konzern in den USA vor. „Pfizer hat nicht ausreichend vor den Nebenwirkungen des Medikaments gewarnt“, sagte Witti. Seine Kanzlei werde sich mit der Klage der US-Partnerkanzlei Nagel, Rice & Mazie in New Jersey anschließen, die für amerikanische Betroffene bereits eine Klage eingereicht habe. Er werde Patienten aus dem deutschsprachigen Europa vertreten, sagte Witti und forderte die Krankenkassen auf, sich der Klage anzuschließen. Witti rechnet mit einem dreijährigen Verfahren.
Angesichts des hohen Risikos für Herzkreislauf-Erkrankungen und schwere Hautreaktionen hatten die Arzneimittelbehörden der EU und der USA Pfizer zu einem Verkaufsstopp für Bextra aufgefordert. Daraufhin verhängte das US-Unternehmen in New York am vergangenen Donnerstag den Verkaufsstopp. Auch in Singapur folgte die Firma einer entsprechenden Aufforderung der Behörden, wie ein Sprecher bestätigte.
Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr insgesamt 500.000 Menschen mit dem Schmerz- und Rheumamittel behandelt. Pfizers US-Konkurrent Merck & Co hatte Vioxx im Herbst 2004 vom Markt genommen. Laut Witti ist wegen Vioxx bereits eine Klage in den USA anhängig; wegen Celebrex werde zusammen mit Bextra geklagt. Derzeit seien in Europa „zwei Hand voll“ Betroffene bereit, sich einer Sammelklage anzuschließen. Witti betonte, dass sich in diesem Fall „europäische Kläger in gerader Linie gegen eine amerikanische Firma“ wenden würden und damit eindeutig das US-amerikanische Recht gelte. „Erfahrungsgemäß werden echte Schäden in den USA umfangreich geregelt“, sagte der Anwalt.
Als Erschwernis für die Verfahrensführung wertete er allerdings, dass sich noch im Februar eine Expertenkommission der US-Arzneimittelbehörde FDA für eine weitere Marktzulassung von Celebrex und Bextra ausgesprochen hat. Witti forderte die Krankenkassen auf, sich aktiv in den Fall einzumischen. So sollten sie sich fragen, ob sie für die Folgeschäden aufkommen wollen. Die COX-2-Hemmer waren von Ärzten verstärkt verschrieben worden, weil ältere Mittel gegen Rheuma bei einigen Menschen zu Magen-Darm-Blutungen geführt hatten.
Ökonomische Folgen
Unterdessen weiten sich die ökonomischen Konsequenzen für den erfolgsverwöhnten Konzern aus. Moody‘s Investors Service überprüft das langfristige „Aaa“-Rating der Pfizer Inc, New York, auf eine etwaige Herabstufung. Dies sei Folge des Vermarktungsstopps von „Bextra“ und der Entscheidung, „Celebrex“ nur mit einem Warnhinweis auf der Packung zu vertreiben, teilte die Ratingagentur weiter mit. Den Ausblick hatte Moody‘s bereits Mitte Dezember auf „negativ“ gesenkt. Das Kurzfrist-Rating „Prime-1“ bestätigte Moody‘s. 2004 hätten Celebrex und Bextra mit 4,5 Milliarden US-Dollar Umsatz 8,5 Prozent der gesamten Einnahmen von Pfizer ausgemacht. Moody rechne mit einem Umsatzrückgang um 1,5 bis 2,0 Milliarden Dollar im laufenden Jahr. Der Cashflow werde dadurch belastet.
Für das laufende Jahr erwartet der Konzern selbst stagnierende Umsätze und rückläufige Gewinne. Die Gesellschaft will mit Hilfe von Produktivitätsmaßnahmen bis 2008 jährliche Kosteneinsparungen von vier Milliarden Dollar (3,1 Milliarden Euro) verbuchen. Dies seien 12 Prozent der derzeitigen Kostenbasis. Die Kostensenkungsinitiative dürfte bis 2008 insgesamt fünf bis sechs Milliarden Dollar kosten. Der Umsatz dürfte 2005 auf dem Vorjahresniveau von 52,5 Milliarden Dollar stagnieren. Der Jahresgewinn dürfte immerhin noch 8,6 Milliarden Dollar oder 1,16 Dollar je Aktie erreichen. Pfizer hatte im vergangenen Jahr 11,4 Milliarden Dollar oder 1,49 Dollar je Aktie verdient. Unter Ausklammerung von Sonderfaktoren geht Pfizer für das Gesamtjahr 2005 von einem Gewinn von 14,9 Milliarden Dollar oder zwei Dollar je Aktie aus. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen in diesem Jahr auf 8 Milliarden Dollar angehoben werden.
Pfizer will auch mehr als 28 Milliarden Dollar kumulierte Auslandsgewinne nach den USA zurückholen, wofür im ersten Quartal 2005 steuerliche Belastungen von 2,2 Milliarden Dollar anfallen dürften. Konzernchef Hank McKinnell nannte 2005 ein „Transformationsjahr“ mit einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren. Er hob Patentverluste, die Aussichten der COX-2-Hemmer, sowie den andauernden Preisdruck und Marktakzeptanz neuer Produkte hervor. Er rechnet für 2006 wieder mit einer Erholung und für 2007 mit einer einer weiteren Beschleunigung.
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