Augsburger Generikafirma zeigt soziales Engagement |
03.04.2000 00:00 Uhr |
Wirtschaft & Handel
FIRMENPORTRÄT
"Wir glauben an den wirtschaftlichen Erfolg ethischen Handelns, deshalb lassen wir einen Teil unserer Erträge in das Gesundheitswesen zurückfließen". Nach diesem Motto handelt der Augsburger Generikahersteller Betapharm Arzneimittel GmbH und unterstützt ein Pilotprojekt zur Nachsorge chronisch, krebs- und schwerstkranker Kinder: das Augsburger Nachsorgemodell. Ziel ist die Verkürzung stationärer Aufenthalte und die Verzahnung von klinischer und ambulanter Behandlung.
Betapharm will mit seinem Engagement helfen, das seit über fünf Jahren im Raum Augsburg praktizierte Modell weiterzuentwickeln und seine überregionale Verbreitung zu fördern. Zu diesem Zweck gründete die Firma bereits Ende 1998 die Betapharm Nachsorgestiftung; Ende 1999 folgte die Gründung des Betapharm Instituts für sozialmedizinische Forschung als gemeinnützige GmbH. Die Entwicklung des Nachsorgemodells begann 1992, initiiert von Mitarbeitern der Kinderklinik Augsburg und von Selbsthilfegruppen betroffener Eltern. 1994 schlossen sie sich zum gemeinnützigen Verein zur Familiennachsorge - Bunter Kreis zusammen. Ihr primäres Ziel ist es, die betroffenen Kinder so früh wie möglich aus der Klinik zu entlassen und zuhause weiter zu betreuen.
Bunter Kreis steht für aktive Nachsorge
Seit seiner Gründung haben sich die Kapazitäten des Bunten Kreises kontinuierlich erweitert: 1994 wurde die erste Nachsorgeschwester eingestellt; Ende 1999 waren bereits 50 Fachkräfte in die Nachsorgebetreuung involviert, zwölf davon hauptamtlich. 1998 wurden über 600 betroffene Familien betreut. Die Aktivitäten des Bunten Kreises umfassen verschiedene Teilbereiche, unter anderem Pflege-nachsorge mit Kinderdiätberatung, psychosoziale, spiel- und familientherapeutische Nachsorge sowie Seelsorge im Falle eines tödlichen Krankheitsverlaufs. Hinzu kommt ein Sozialfonds für finanzielle Hilfen.
Nach der Idee des Bunten Kreises betrifft die Nachsorge nicht allein das kranke Kind, betreut wird vielmehr die ganze Familie. Auf möglichst unbürokratischem Weg soll ihr geholfen werden, mit den krankheitsbedingten zeitlichen, psychischen, finanziellen und sozialen Belastungen besser fertig zu werden. Schon vor der Klinikentlassung wird jeder Familie eine Betreuerin - eine sogenannte Case-Managerin - zugeteilt; diese setzt sich frühzeitig mit den Eltern und den behandelnden Klinikärzten in Verbindung, um die notwendigen Voraussetzungen für eine möglichst frühe Entlassung und die häusliche Betreuung zu klären. Bei der Entlassung begleitet sie gemeinsam mit einer Kinderfachkrankenschwester die Kinder nach Hause. Mit diesem Vorgehen will man Versorgungslücken zwischen klinischer und heimischer Pflege von vorn herein ausschließen.
Die Case-Managerinnen fungieren hauptsächlich als Organisatoren, weniger als Pflegekräfte: Sie informieren außerklinische Fachkräfte, schulen die Eltern und sind bei auftretenden Problemen jederzeit erreichbar. Primäre Aufgabe ist die Vernetzung aller für die optimale Versorgung des kranken Kindes notwendigen Fachstellen, zum Beispiel Krankenhaus, niedergelassene Ärzte, Pflegedienste, Krankenkassen; hinzu kommen regelmäßige Hausbesuche, um sich über die Pflegesituation des kranken Kindes zu informieren. Die Finanzierung der Nachsorgearbeit erfolgt aus verschiedene Quellen. So werden beispielsweise mit den Primärkassen die Nachsorgeleistungen nach einem Sondervertrag abgerechnet. Die Verwaltungskosten des Bunten Kreises und Spendenwerbung werden durch Sponsoren abgedeckt, der Rest wird durch Spenden, staatliche Zuschüsse aus der offenen Behindertenarbeit, Mitgliedsbeiträge und Stiftungserträge finanziert.
Erste Studie zur Evaluation der Nachsorge
Das Grundvermögen der Nachsorgestiftung liegt bei 100.000 DM; zusätzlich unterstützt das Unternehmen seit 1998 den Bunten Kreis durch umsatzunabhängige Gelder. Seit Oktober 1999 wird die bundesweit erste Studie zum Nutzen der Familiennachsorge finanziert. Die unter dem Titel "Sozialwissenschaftliche und gesundheitsökonomische Evaluation des Bunten Kreises e.V." laufende Untersuchung wird vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Augsburg in Zusammenarbeit mit dem Betapharm Institut für sozialmedizinische Forschung durchgeführt. Vorgesehen ist eine Studiendauer von drei Jahren, wobei im laufenden ersten Teil eine Kosten-Nutzen-Analyse der Nachsorgeleistungen des Bunten Kreises erfolgt. Dabei sollen sowohl direkte Kosten und messbare Behandlungserfolge als auch indirekte Kosten und die Lebensqualität der betroffenen Familien erfasst werden.
Ein zweiter Studienteil soll Kosten und Nutzen einer Versorgung ohne Nachsorge analysieren. Als Untersuchungsobjekt ist die Früh- und Risikogeburtenbetreuung an der Universitätskinderklinik Bonn vorgesehen. Anschließend sollen die Daten beider Modelle verglichen werden. Studienziel ist laut Presseinformationen der Betapharm ein wissenschaftlicher Beleg, dass qualifizierte Nachsorge durch die Verkürzung stationärer Liegezeiten und die Reduzierung der Wiedereinweisungshäufigkeit sowohl Kosten senkt als auch die psychosoziale Situation der betroffenen Kinder und Eltern verbessert. Bei positivem Studienergebnis erhofft sich der Generikahersteller neben einer überregionalen Ausweitung des Augsburger Modells auch weniger Hindernisse bei der Nachsorgefinanzierung durch die Krankenkassen.
Insgesamt neun Mitarbeiter (zwei davon fest angestellt) sind für das Betapharm Institut für sozialmedizinische Forschung tätig. Unterschieden werden dabei die Teilbereiche Forschung, Information, Schulung, Consulting und innovative Projekte. Neben der bereits laufenden Studie sind derzeit weitere Projekte in Vorbereitung. So soll ab Sommer ein Informationsdienst für Sozialfachfragen Ärzten, Betroffenen und Helfern im Bedarfsfall Hilfestellung geben. Hinzu kommen Schulungsangebote auf dem Gebiet Case-Management für Ärzte und andere medizinsche Berufe.
Außerdem sollen der Aufbau weiterer Nachsorgeeinrichtungen beratend unterstützt sowie weitere innovative Pilotprojekte erarbeitet und betreut werden; Beispiel ist ein jetzt anlaufendes Projekt zur Betreuung jugendlicher Diabetiker. 2000 wie auch in den kommenden fünf Jahren will Betapharm nach eigenen Angaben je 2 Millionen DM in das Institut für sozialmedizinische Forschung investieren. Die finanzielle Unterstützung sei nicht mit einer inhaltlichen Einflussnahme auf die Tätigkeit gekoppelt, heisst es dazu. Allerdings erhoffe man sich durch das soziale Engagement wachsende Bekanntheit und ein positives Image.
Generikaherstellung seit 1993
Gegründet wurde der Augsburger Generikahersteller 1993. Bis Oktober 1999 lagen 190 Zulassungen vor. Der Umsatz betrug nach Firmenangaben vergangenes Jahr 94 Millionen DM nach 71 Millionen im Jahr zuvor. Beschäftigt werden rund 140 Mitarbeiter, von denen die meisten im Außendienst tätig sind. Der Schwerpunkt der Betapharm-Geschäftstätigkeit liegt in Deutschland, Tochterfirmen existieren aber seit 1997 auch in Argentinien (Lanpharm) und seit 1999 in Brasilien (Sibras).
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